Die Unterbringung von Flüchtlingen wird zu einer wachsenden Belastung für den Bremer Haushalt. Da geeignete Immobilien knapp sind, muss der Senat bei der Anmietung möglicher Wohnobjekte Preisvorstellungen akzeptieren, die auf dem normalen Wohnungsmarkt unvorstellbar wären. Das zeigt ein aktuelles Beispiel aus Walle. Dort plant die Sozialbehörde, eine Gewerbeimmobilie mit 5200 Quadratmetern Nutzfläche für 15 Jahre anzumieten. Kosten über die gesamte Laufzeit: rund 20 Millionen Euro. Für die Eigentümer ein gutes Geschäft.
Der Senat wird das Vorhaben voraussichtlich am Dienstag beschließen. In der Vorlage aus der Sozialbehörde wird ausführlich beschrieben, wie schwierig es ist, Wohnraum für die große Zahl an Zuwanderern zu beschaffen, die Bremen ansteuern. Die meisten Ankömmlinge wurden im März nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine registriert. Danach gingen die Zahlen kurzzeitig zurück. In den vergangenen Monaten stabilisierten sie sich auf einem hohen Niveau. Seit Juli kamen in jedem Monat über 1000 Menschen in die Hansestadt. Ein Teil von ihnen wird in andere Kommunen umverteilt, doch ein Nettobedarf an zusätzlichen Unterbringungsplätzen von monatlich mindestens 300 ist zu decken.
Üblicherweise erhalten Neuankömmlinge nach einer kurzen Phase in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes einen Platz in sogenannten Übergangswohnheimen. Aktuell fehlen in diesem Bereich rund 2000 Plätze, Tendenz steigend. Die Behörde versucht gegenzusteuern, und dabei kommen Objekte wie das Gebäude der Spedition Stute an der Hans-Böckler-Straße in Walle ins Spiel.
Die Eigentümer haben Bremen die Immobilie zur Miete angeboten. Verkaufen wollen sie nicht, wie es in dem Senatspapier heißt, das dem WESER-KURIER vorliegt. Die Büroetagen sollen demnach auf Kosten des Vermieters in kleine, auch für Familien geeignete Appartements mit eigenem Sanitärbereich und Küche umgestaltet werden. Rund 300 Personen könnten in dem Gebäude Platz finden.
Während des Mietzeitraums von September 2023 bis Ende August 2038 würde Bremen den Eigentümern eine Warmmiete von monatlich 114.418,20 Euro zahlen. Das entspricht rund 22 Euro pro Quadratmeter. Über den gesamten Zeitraum sind das rund 20,6 Millionen Euro. Dieser Betrag könnte sich noch erhöhen. In der Vorlage ist von „etwaigen Mehrkosten für eine elektronische Schließanlage, den Einbau von Küchen sowie eine Verwaltergebühr seitens des Eigentümers“ die Rede. Über diese Punkte verhandele man gerade.
Wie viel Geld die Besitzer der Immobilie tatsächlich in die Umbaumaßnahmen stecken, war auf Anfrage von der Sozialbehörde nicht zu erfahren. Die Investitionen des Vermieters seien jedenfalls „erheblich“ und „durch unseren Immobilien-Dienstleister auf Plausibilität geprüft“ worden, teilte Sprecher Bernd Schneider mit.
Klar ist, dass die langfristige Anmietung von Objekten wie in Walle den Bremer Sozialetat dauerhaft belastet, auch wenn der Bund rund zwei Drittel der Kosten übernimmt. In einem Aktionsplan für 2022/23 hatte der Senat bereits im Juni die Nutzung von zehn weiteren Objekten angebahnt. Darunter befinden sich eine Immobilie am Breitenweg (8,1 Millionen Euro für zehn Jahre), das frühere Hotel „Horner Eiche“ im Bereich Lehesterdeich (5,2 Millionen Euro für zehn Jahre) und das Übergangswohnheim Friedehorst in Lesum (3,5 Millionen Euro für vier Jahre).
34 Millionen für Erstaufnahme Vegesack
Die teuerste Anlage im Bereich der Flüchtlingsunterbringung ist die Landeserstaufnahme in Vegesack, die im Verwaltungsgebäude der einstigen Vulkan-Werft untergebracht ist. Die Bremer Bührmann-Gruppe hatte die Immobilie 2015 für einen einstelligen Millionenbetrag erworben und dort für Wohnzwecke einige Umbauten vorgenommen. Bis 2026 zahlt Bremen für die Nutzung fast 34 Millionen Euro Miete. Zwischenzeitlich ist der Mietvertrag bis 2036 zu ähnlichen Konditionen verlängert worden.
Dass es lukrativ ist, der öffentlichen Hand Immobilien zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen, zeigt sich nicht nur in Bremen. Erst kürzlich berichtete das Magazin „Focus“ über einschlägige profitable Geschäfte von Investoren in Ostdeutschland. Die Bremer Sozialbehörde drückt sich zurückhaltend aus. Das Angebot an geeigneten Objekten sei „nicht gerade üppig“, stellt ihr Sprecher fest, „und das stärkt nicht unbedingt die Verhandlungsposition der öffentlichen Hand als Mieter“.