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Hotel-Anmietung Mehr junge Flüchtlinge kommen in Bremen an

Bremen wird bis Jahresende rund 1000 unbegleitete jugendliche Flüchtlinge aufgenommen haben. Die Zugangszahlen sind zuletzt nochmals angestiegen, sodass die Sozialbehörde weitere Hotels anmieten muss.
01.11.2022, 05:00 Uhr
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Mehr junge Flüchtlinge kommen in Bremen an
Von Jürgen Theiner

Die Zahl der neu angekommenen minderjährigen Flüchtlinge, um die sich die Bremer Sozialbehörde kümmern muss, könnte im laufenden Jahr die Marke von 1000 übersteigen. Davon geht das Haus von Senatorin Anja Stahmann (Grüne) aus. Nur 2015 gab es einen höheren Wert. In einem noch vertraulichen Papier für die Senatssitzung an diesem Dienstag wird zusätzlicher Platzbedarf für die Unterbringung der Jugendlichen geltend gemacht. Unter anderem soll für zwei Jahre ein weiteres Hotel angemietet werden. Es handelt sich um eine Immobilie am Brüggeweg in Hemelingen.

Bei den Zugangszahlen skizziert das Sozialressort zwei Szenarien. Von Januar bis Ende September wurden 690 unbegleitete minderjährige Ausländer – im Behördenjargon als umA abgekürzt – in vorläufige Obhut genommen. Würde man aus dieser Zahl einen monatlichen Schnitt bilden und ihn bis Dezember fortschreiben, wären Ende des Jahres 920 Heranwachsende in Bremen angekommen. Allerdings hat sich der Zustrom im dritten Quartal deutlich verstärkt. Deshalb seien für die Zeit bis Dezember "auch deutlich höhere Zugangszahlen nicht unrealistisch", wie es in dem Senatspapier heißt. Auf diesem Niveau wäre mit gut 320 weiteren Ankömmlingen zu rechnen. Die endgültige Zahl für 2022 läge dann bei über 1000.

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Für so viele unterbringungs- und betreuungsbedürftige Jugendliche war das Bremer Aufnahmesystem nie ausgelegt. Weder gibt es die notwendigen Räumlichkeiten noch verfügt die Behörde über ausreichend sozialpädagogisches Fachpersonal. Letzteres ist auf dem Arbeitsmarkt derzeit kaum rekrutierbar.

Anders sieht es bei der Unterbringung aus: So steht von diesem Dienstag an ein Hotel in der Heinkenstraße zur Verfügung, das die Stadt angemietet hat. 38 Plätze gibt es dort. Ein weiteres Objekt am Baumhauser Weg in Habenhausen soll Anfang nächsten Jahres nach Umbauarbeiten bezugsfertig sein. Insgesamt sieht die Sozialbehörde für den Zeitraum bis 2024 einen Bedarf an vier zusätzlichen Hotels oder Hostels, die angemietet werden müssen.

Dadurch kommen erhebliche Mehrausgaben auf den Sozialhaushalt zu – auch weil die Vermieter angesichts der Nöte der Behörde die Preise mehr oder minder diktieren können. So zahlt Bremen allein für das Haus am Brüggeweg in zwei Jahren insgesamt gut eine Million Euro. Und das ist nur die Miete, von der es im Senatspapier heißt, sie bewege sich "deutlich über dem ortsüblichen Niveau". Hinzu kommen die Aufwendungen für Verpflegung und Betreuung der Jugendlichen.

Für die vier weiteren Objekte veranschlagt die Sozialbehörde bis 2024 knapp 3,9 Millionen Euro Miete. Um Kosten zu sparen, geht man inzwischen dazu über, die Zimmer mit jeweils zwei Heranwachsenden zu belegen – wie überhaupt die Standards unter dem Druck steigender Aufnahmezahlen abgebaut werden müssen. War es in den vergangenen Jahren meist möglich, junge Flüchtlinge in familienähnlichen Gruppen von acht bis zehn Personen zu betreuen und ihnen so ein wenig Geborgenheit zu bieten, geht es inzwischen nur noch darum, für sie überhaupt ein Dach über dem Kopf zu beschaffen. In den neuen Einrichtungen leben meistens 40 oder mehr Jugendliche zusammen.

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Eine gewisse Entlastung erhofft sich das Haus Stahmann von der Umverteilung in Bremen angekommener umA in andere Bundesländer. Wie berichtet, hat der Senat auf Drängen des linken Koalitionspartners seit einiger Zeit darauf verzichtet, Neuankömmlinge in andere Teile Deutschlands weiterzuleiten. Deshalb beherbergt Bremen derzeit mehr als dreimal so viele unbegleitete minderjährige Ausländer, als es nach dem geltenden Verteilungsschlüssel müsste. Seit Kurzem wird wieder umverteilt. Allerdings gibt es auch in Zukunft relativ großzügige Ausnahmeregelungen. Kalkuliert wird mit etwa der Hälfte der Fälle. Ob es möglich ist, die restlichen umA an andere Länder zu vermitteln, ist unklar. Wie berichtet, gab es unlängst Schwierigkeiten mit Niedersachsen, weil es Bremen nicht geschafft hat, innerhalb einer Vier-Wochen-Frist das Alter der Jugendlichen zweifelsfrei zu bestimmen.

Aus dem aktuellen Papier des Sozialressorts geht auch hervor, dass ein nicht geringer Teil der Neuankömmlinge offenbar im Laufe der Unterbringung vom Radar der Behörde verschwindet. So werden in einer Aufstellung zu den 690 umA, die bis zum 30. September registriert wurden, 75 als "entwichen" geführt. Diese Heranwachsenden haben sich aus den Erstaufnahmen oder der anschließenden stationären Unterbringung abgesetzt und sind weitergezogen. Über ihren Verbleib weiß die Sozialbehörde nichts.

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