Noch ist nichts entschieden, die Regierungsverhandlungen kommen erst bald in die heiße Phase. Und doch haben Menschen aus Wirtschaft, Kultur oder Sport schon klare Vorstellungen, wie eine perfekte Koalition aussehen könnte. Ein paar Stimmen aus der Region.
Bernd Kuschnerus, Schriftführer der bremischen evangelischen Kirche
"Ich bin froh, dass die Wahl eine Stärkung der demokratischen Parteien bedeutet – das ist ein positives Signal und zeigt, dass unser demokratisches System gut funktioniert", sagt Bernd Kuschnerus, Schriftführer der bremischen evangelischen Kirche. Parteipolitisch äußert sich die Kirche nicht zu den Koalitionsoptionen. Das Wichtigste sei, die richtigen Themen anzusteuern: "Sowohl die Pandemie als auch die Flutkatastrophe haben gezeigt, dass wir verwundbar und verwundet sind", sagt Kuschnerus. Es gehe jetzt darum, die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen. Die Gespräche der Parteien müssten darauf ausgelegt sein, den Spaltungen in der Gesellschaft entgegenzuwirken und populistischer Stimmungsmache entgegenzutreten.

Pastor Dr. Bernd Kuschnerus.
Norbert Caesar, Geschäftsführer des Mini-Baumarkts Caesar
Norbert Caesar, Geschäftsführer des Mini-Baumarkts Caesar im Viertel, macht seine Präferenz nach eigenen Worten nicht von Farben abhängig. "Ich bevorzuge die Koalition, die die größte Wirtschaftskompetenz mitbringt und lösungsorientiert handelt." Ihm sei wichtig, dass sich die Parteien nicht in "ideologischen Grabenkämpfen" verzettelten, in denen die Verbraucher die Leidtragenden seien. Aus Sicht eines Händlers sagt er, man müsse die Regeln so einrichten, dass Kunden nicht überfordert würden. "Insgesamt hat die Demokratie bei dieser Wahl einen starken Überlebenswillen gezeigt", meint er.

Norbert Caesar, Geschäftsführer von Caesar im Bremer Viertel.
Gördt Glander, Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Verden
Zwei Wünsche hat Gördt Glander, Vorsitzender des Dehoga-Kreisverbandes Verden, an eine neue Bundesregierung: Zum einen spricht er sich aus Sicht der Hoteliers und Gastronomen gegen einen höheren Mindestlohn aus, zum anderen plädiert er für die Ausdehnung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Getränke. Glander macht aus seiner Präferenz für Jamaika keinen Hehl und kann sich noch gut an die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers erinnern, die der Branche damals sehr geholfen habe. "Ich bin mir sicher, dass die Gastronomen das Geld sofort wieder investieren würden und eine ermäßigte Mehrwertsteuer auf Getränke somit im Endeffekt auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaft hätte."

Dehoga-Kreisvorsitzender und Hotelier Gördt Glander vom Hotel Höltje in Verden.
Barbara Lison, Direktorin der Stadtbibliothek Bremen
Barbara Lison, Direktorin der Stadtbibliothek Bremen, hat die Wahl nach eigenen Worten als höchst spannend empfunden. "Ich finde es sehr besonders, dass sowohl die Grünen als auch die FDP mit Sicherheit an einem Regierungsbündnis beteiligt sein werden", sagt sie. Aus Perspektive der Bibliotheken komme es auf die Akzente an, die die Parteien setzen und die in dem jeweiligen Bündnis Priorität hätten. "Was die Öffnung von Bibliotheken an Sonntagen betrifft, stellt sich die SPD dagegen – in dieser Hinsicht wäre also ein Jamaika-Bündnis für uns günstiger", sagt sie. Bei anderen Themen eigne sich ein Ampelbündnis eher. Am Ende gehe es ihr darum, dass die Verhandlungen zugunsten der Interessen der Bibliotheksnutzer ausfallen.

Barbara Lison, Direktorin der Bremer Stadtbibliothek.
Markus Weise, Theaterpädagoge, Regisseur und Schauspieler
Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt Markus Weise die aktuelle Entwicklung. Der „Kult-Komiker“ aus Delmenhorst hat sich als Theaterpädagoge, Regisseur und Schauspieler einen Ruf erworben. „Ich kann noch nicht sagen, welche Variante einer Koalition ich gut finde, entscheidend ist für mich, dass die Große Koalition in dieser Form beendet wird“, sagt Weise. Für ihn müssen die Grünen nun einen erheblichen Anteil an der Verantwortung in einer Regierung tragen. Dass es zum Jamaika-Bündnis kommt, kann er sich kaum vorstellen, „die SPD ist jetzt am Zug“, sagt Weise. Seiner persönlichen Meinung nach kommt den Sozialdemokraten ein großes Mitspracherecht zu, „Scholz müsste eigentlich Bundeskanzler werden“.

Der Bremer Schauspieler, Regisseur, Bühnenbilder, Autor, Moderator und Clown Markus Weise.
Jörn Ehlers, Vorsitzender des Landvolk-Kreisverbands Rotenburg-Verden
Jörn Ehlers, Vorsitzender des Landvolk-Kreisverbands Rotenburg-Verden und Landwirt, freut sich, dass der Landkreis Verden mit Andreas Mattfeldt (CDU) und Gero Hocker (FDP) mit zwei Bundestagsabgeordneten vertreten ist. „So gesehen wird mindestens einer an der nächsten Regierung beteiligt sein, egal ob Ampel oder Jamaika.“ Beide seien dicht an der Landwirtschaft dran. „Wichtig wäre mir, dass die Themen, die in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft schon erarbeitet worden sind, nun weitergeführt werden und die neue Regierung nicht wieder mit einem weißen Blatt Papier beginnt. Denn teilweise sind wir schon recht weit, etwa bei der Tierhaltung, da läuft uns Landwirten sonst die Zeit weg“, sagt er.

Landwirt Jörn Ehlers aus Holtum Geest.
Doris Fischer, Vorsitzende der Music Hall Worpswede
Doris Fischers Herz schlägt für die Grünen, daraus macht die Vorsitzende der Music Hall in Worpswede keinen Hehl. Mit dem Ausgang der Wahl ist sie zufrieden, zumal an den Grünen bei der Regierungsbildung kaum ein Weg vorbei führt. Könnte sich Fischer eine Koalition aussuchen, dann wäre sie rot-grün-gelb. Dabei traut sie dem Hanseaten Olaf Scholz zu, die Gespräche auf Augenhöhe mit den anderen Partnern zu führen. Über allem steht aus ihrer Sicht die Prämisse, dass es faire Gespräche gibt, "und dass sich dann die Richtigen zusammentun". Allerdings sollte es auch schnelle Entscheidungen geben: "Es darf auf keinen Fall passieren, dass sich die Verhandlungen bis Weihnachten hinziehen."

Doris Fischer von der Music Hall in Worpswede.
Roberto Albanese, Trainer Grün-Gold-Club Bremen
Der Tanztrainer vom Grün-Gold-Club hat zum ersten Mal seine Stimme weder der CDU noch der SPD gegeben. "Und ich bin froh, dass die Grünen und die FDP jetzt den Kanzler bestimmen. Dabei ist es mir egal, ob es eine Jamaika- oder Ampel-Koalition wird. Aus wirtschaftlicher Sicht müsste die CDU den Kanzler stellen, aber wenn es um das Allgemeinwohl geht, wäre die SPD besser." Wichtig wäre ihm, dass die neue Koalition den Sport mehr in den Fokus rückt. Dass die SPD die Regierung bilden will, weil sie die Wahl gewonnen hat, zähle für ihn nicht. "In Bremen hatte die CDU auch die meisten Stimmen, aber die SPD hat dann trotzdem den Bürgermeister gestellt."
