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Bremen und Niedersachsen Kommunalverbund: Die harte Währung ist das Gewerbe

Seit mehr als 20 Jahren doktern wechselnde Bürgermeister und Landräte am Plan des länderübergreifenden Gewerbegebiets Achim-West herum. Ein Beispiel für schwierige Nachbarschaft, meint Jürgen Hinrichs.
12.06.2022, 20:00 Uhr
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Kommunalverbund: Die harte Währung ist das Gewerbe
Von Jürgen Hinrichs

Was haben die Menschen in Verden mit denen in Vegesack zu tun? Nicht viel, oder? Und wie ist es mit den Leuten in Hambergen und Harpstedt? Interessieren sie sich füreinander, wenn es nicht zufällig verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen gibt? Wohl kaum. Trotzdem sitzen alle in einem Boot, gehören zu einem politisch definierten Raum. Ein Wort dafür: Region. Das zweite lautet Kommunalverbund.

Beide Begriffe sind sperrig, nicht wirklich fassbar. Sie sind Überbau, nicht Basis. Das Abstrakte kollidiert mit dem Konkreten, denn Weyhe ist nun mal ganz anders als Worpswede und Lilienthal anders als Lemwerder. Welten dazwischen, echte Unterschiede. Trotzdem sind es gleichzeitig Nachbarn, die über den Zaun schauen sollten, wenn sie etwas erreichen wollen.

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Bisher hat das nicht besonders gut geklappt – zuletzt und besonders gravierend bei dem Plan, das erste Mal in der bremisch-niedersächsischen Geschichte ein gemeinsames Gewerbegebiet zu gründen. Bremen, Achim und der Landkreis Verden wollen sich zusammentun, um am Bremer Kreuz auf 90 Hektar gewinnbringend Unternehmen anzusiedeln. Ein teures Projekt, 150 Millionen Euro, und sehr kompliziert, weil es eine Premiere ist. Das dauert natürlich, mittlerweile aber eindeutig zu lange. Mehr als 20 Jahre doktern wechselnde Bürgermeister und Landräte nun schon an den Einzelheiten herum. Wie immer geht es vor allem ums Geld.

Gerade herrscht mal wieder Stillstand, die Mehrheit im Achimer Rat hat vorerst ein Stoppsignal gesetzt. Einem der Unternehmen, die auf das neue Gewerbegebiet spekuliert hatten, reicht das jetzt: Vitakraft will seine dringend benötigten Erweiterungsflächen woanders organisieren. Das ist ein Schlag ins Kontor, vielleicht aber notwendig, um mit den Plänen endlich zu Potte zu kommen – oder eben nicht. So oder so muss eine Entscheidung her.

Bislang nur kleine Projekte

Achim-West, wie der Firmenpark heißen soll, könnte ein Leuchtturm der regionalen Partnerschaft im Nordwesten sein. Mal etwas Handfestes und nicht nur lose Zusammenarbeit. Sonst erschöpft sich das nachbarschaftliche Programm im Verbund von 28 Städten, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen seit mehr als 30 Jahren darin, sich freundlich auszutauschen, mal eine Studie in Auftrag zu geben oder kleine Projekte für Tourismus, Radverkehr und Kultur anzuschieben.

Alles nett, aber nicht zwingend. Die harte Währung unter den Nachbarn ist das Gewerbe. Im Kampf darum, wo die Betriebe sich ansiedeln und Steuern zahlen, kennen die Bürgermeister weiterhin kein Pardon. Deshalb wäre es geradezu ein Fanal, wenn mit Achim-West ein anderer Weg gegangen würde.

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Wo das jetzt außerdem geschehen soll: im Verkehrsbereich. Auch da könnte man fragen, warum erst jetzt? Die Probleme einer Pendlerregion liegen schließlich auf der Hand. Mehr als 90.000 Menschen fahren jeden Tag von ihrem Zuhause in Niedersachsen zur Arbeit nach Bremen. Den umgekehrten Weg nehmen ungefähr 30.000 Beschäftigte. 73 Prozent der Pendlerinnen und Pendler nutzen das Auto, 21 Prozent den ÖPNV, sechs Prozent das Fahrrad. In einem „stadtregionalen Verkehrskonzept“ sollen dieser Verkehr jetzt analysiert und Angebote erarbeitet werden, um sie umweltfreundlicher zu gestalten: mehr Bus und Bahn, bessere Radrouten, dazu „Bike and Ride“, „Park and Ride“ und Sharing-Angebote. Das ist der Plan, den Bremen, der Kommunalverbund und die Verkehrsunternehmen in Angriff nehmen wollen. Höchste Zeit, aber besser jetzt als gar nicht.

Treffen der Abgeordneten

Und noch etwas kommt in Gang: Bürgerschaftsabgeordnete aus Bremen und Landtagsabgeordnete aus Niedersachsen, die aus dem rund 3000 Quadratkilometer großen Gebiet des Kommunalverbunds mit seinen knapp eine Million Einwohnern kommen, haben sich in dieser Woche das erste Mal zu einem Austausch getroffen. Wächst da was zusammen, was zweifelsohne zusammen gehört? Zu wünschen wäre das, auch und gerade bei der so wichtigen Frage der Gewerbeansiedlung. In einem Europa der Regionen muss sich stark aufstellen, wer zum Beispiel bei den Förderprogrammen nicht den Kürzeren ziehen will.

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