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Erfahrungsberichte Wie Pflegekräfte aus dem Ausland in Bremer Kliniken ankommen

Sie kommen aus Brasilien, Indien, Italien oder Bosnien-Herzegowina und Neuseeland: In Bremer Kliniken sind Pflegekräfte aus dem Ausland eine wichtige Säule. Mirsad Bajramovic ist einer von ihnen.
18.03.2024, 05:00 Uhr
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Wie Pflegekräfte aus dem Ausland in Bremer Kliniken ankommen
Von Sabine Doll

Mirsad Bajramovic und Forest Bennie-Slocombe bilden ein besonderes Team im Bremer Diako. Seit Januar sind sie das neue Führungsduo der Pflegebereichsleitung der Intensivstation und des Aufwachraumes. Was sie außerdem verbindet: Beide haben einen langen Weg zurückgelegt.

Bennie-Slocombe stammt aus Neuseeland, wo er Pflegewissenschaften studiert und auf der Intensivstation einer Klinik gearbeitet hat. Der Weg nach Bremen führte ihn zunächst über Großbritannien, wo er im Royal London Hospital gearbeitet und ein Master-Studium absolviert hat. Bajramovic kommt aus Bosnien-Herzegowina. Als 14-Jähriger hat er eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen und danach drei Jahre lang in Tuzla Medizin studiert. "Aus persönlichen Gründen habe ich mich entschieden, nach Deutschland zu gehen, dort in meinem Beruf zu arbeiten. Ich möchte mich weiterentwickeln", berichtet er.

Bajramovic und Bennie-Slocombe gehören zur besonders gefragten Gruppe der Pflegefachkräfte. Der Weg bis zur Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse ist lang, für Pflegekräfte aus Drittländern dauert er bis zu zwei Jahre oder auch länger. "Bei Behörden im Heimatland müssen Unterlagen besorgt, beglaubigt und übersetzt werden. Von der Unterschrift des Arbeitsvertrags als Voraussetzung für das Visum sind in meinem Fall allein sieben Monate ins Land gegangen", berichtet Bajramovic. In Deutschland folgen mehrmonatige Lehrgänge, Kurse und eine Prüfung. 2016 ist er nach Bremen gekommen, zwei Jahre später hat er die offizielle Anerkennung erhalten.

"Der bürokratische Aufwand ist enorm", sagt Diako-Pflegedirektor Markus Huber. "Und jedes Mal tut sich eine neue Hürde auf, allein in Deutschland sind mehrere Behörden beteiligt." Im Diako seien derzeit elf Pflegekräfte aus Drittländern im Anerkennungsverfahren. Die Klinik verzichte bewusst auf Vermittlungsagenturen, sondern setze etwa auf Initiativbewerbungen und persönliche Netzwerke: "Wir arbeiten nicht mit Kontingenten. Uns ist es wichtig, dass die neuen Kollegen zu uns möchten und bleiben wollen, dass sie sich wohlfühlen, das erleichtert die Identifikation und Integration." 

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Auch im Bremer St. Joseph-Stift sind Pflegekräfte aus dem Ausland eine wichtige Säule, wie Nina Kober berichtet. Ihre Stelle als Praxislehrerin für Integration sei dafür eingerichtet worden. Die Anwerbung laufe unter anderem über die St. Franziskus-Stiftung in Münster, zu der die Klinik gehört. "Wir begleiten die Pflegekräfte bereits in ihren Heimatländern eng und haben ein großes Paket geschnürt. Dazu gehören Sprachkurse vor Ort, seit dem Sprachzertifikat im Heimatland sind oft viele Monate verstrichen."

Die Klinik unterstützt bei Behördengängen, Kontoeröffnung und anderen alltäglichen Dingen. Auf den Stationen, wo die Bewerber bis zur Anerkennung als Pflegehelfer eingearbeitet würden, gebe es Mentoren. "Wir sehen uns ganz klar in der Verantwortung, den neuen Kolleginnen und Kollegen den Weg so einfach wie möglich zu gestalten", betont Kober. Jährlich seien im St. Joseph-Stift etwa zehn Pflegekräfte aus dem Ausland in der Anerkennung. 

Der Klinikbetreiber Gesundheit Nord (Geno) mit seinen vier Häusern hat seit 2020 laut Sprecher Timo Sczuplinski 58 Pflegekräfte und acht Hebammen aus dem Ausland gewinnen können. "Für uns spielt das Thema Auslandsrekrutierung eine wichtige Rolle, um dem Fachkräftemangel in der Pflege Rechnung zu tragen." Dafür sei ein Bereich mit einer Koordinatorin und weiteren Integrationsbeauftragten entstanden. Dazu kämen Sprachtrainings, Hilfe bei Behördengängen und Integrationsworkshops. Die Bremer Kliniken unterstützen für die ersten Monate auch bei der Unterkunft: Das Diako hat eine Kooperation mit einem Hotel, das St. Joseph-Stift hat eine WG angemietet, die Geno hält ein zentrales Wohnraummanagement vor. 

Die Bremer Gesundheitsbehörde hat das Verfahren zur Anerkennung gestrafft. Innerhalb von vier Jahren ist die Zahl der Anträge von 59 im Jahr 2019 auf 232 Anträge im vergangenen Jahr gestiegen. "Neu ist etwa, dass Unterlagen digital einzureichen sind", so Pressereferentin Diana Schlee. "Unterlagen, die im Original in englischer Sprache ausgestellt sind, müssen nicht auf Deutsch übersetzt werden." 

Die Pflegekräfte aus dem Ausland füllen nicht nur Lücken, betont Diako-Pflegedirektor Huber. "Wer diesen langen Weg geht, will sich weiterentwickeln, davon profitieren wir in jeglicher Hinsicht. Das neue Führungsduo hat einiges in petto: etwa ein System zur Verbesserung der Kommunikation im Team und eine sogenannte Skill-Station, in der Pflegesituationen durchgespielt werden sollen.

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Ärzte aus dem Ausland

Die Zahl der Ärztinnen und Ärzten ohne deutschen Pass in deutschland ist so hoch wie nie: Ende 2023 waren es 63.763, wie die Funke Mediengruppe berichtete, seit 2013 habe sie sich damit verdoppelt. In Bremen lag die Zahl der erteilten Approbationen und Berufsabschlüsse laut Gesundheitsbehörde bei 69, in 2022 und 2023 waren es jeweils 59 und 60. Deutlich weniger als in den beiden Vorjahren mit jeweils 139 und 165. "Wir freuen uns über jeden Kollegen und jede Kollegin aus dem Ausland", sagt Ärztekammerpräsidentin Christina Hillebrecht. Es dürfe sich aber nicht zu sehr darauf ausgeruht werden, dass die ausländischen Fachkräfte den selbst verschuldeten Mangel auffangen. "Wir müssen in Deutschland selbst mehr Medizinstudienplätze und attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen, um dem Ärztemangel sinnvoll zu begegnen", fordert Hillebrecht.

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