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Seit sechs Monaten im Einsatz Wie Telenotärzte den Rettungsdienst in Bremen verstärken

Immer mehr Städte und Landkreise setzen Telenotärzte im Rettungsdienst ein: Seit einem halben Jahr sind Susanne Reinkensmeier und ihre Kollegen in Bremen im Einsatz. Bei welchen Notfällen sind sie gefragt?
28.02.2025, 05:00 Uhr
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Wie Telenotärzte den Rettungsdienst in Bremen verstärken
Von Sabine Doll

"Wie kann ich helfen?", fragt Susanne Reinkensmeier am Telefon. Ein Patient soll mit einem Rettungswagen von einer Bremer Klinik in eine andere verlegt werden. Die Anästhesistin will wissen, was die Herzkatheteruntersuchung ergeben hat und wie der Zustand des Mannes ist. "Ist der Patient orientiert, wie sind die Werte?". Auf dem Monitor werden sie live angezeigt: Pulsfrequenz, Sauerstoffsättigung, Blutdruck und das EKG. "Sonstige Beschwerden gibt es nicht?", erkundigt sie sich bei dem Kollegen, der per Videoanruf zugeschaltet ist. Die Ärztin sieht sich Werte und Berichte genau an, der Patient ist stabil. Heißt: Ein Notarzt aus dem Rettungsdienst, der zusätzlich angefordert werden müsste, ist für den Verlegungstransport nicht erforderlich.

Reinkensmeier ist Telenotärztin in der Leitstelle der Feuerwehr und des Rettungsdienstes der Stadt Bremen. So oder ähnlich wie in dem simulierten Fall sehen ihre Einsätze aus. Vor gut sechs Monaten ist das Projekt "Telenotfallmedizin" angelaufen: Wochentags von 8 bis 18.45 Uhr sind insgesamt neun Ärztinnen und Ärzte aus den Kliniken Mitte und Links der Weser abwechselnd als Telenotärzte im Einsatz. "Sie gehören der leitenden Notarztgruppe des Rettungsdienstes an, sind alle erfahrene Anästhesisten, in der Regel Oberärzte", sagt Andreas Callies, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes. Ihr Arbeitsplatz ist an die Leitstelle angegliedert, wo sämtliche 112-Notrufe eingehen und die Einsätze koordiniert werden. Ihr Arbeitsgerät: Telefon-Headset, mehrere Monitore und ein Smartphone.

Die erste Zwischenbilanz fällt laut Callies positiv aus: "Im ersten halben Jahr gab es etwa 1800 Anfragen an die Telenotärzte." Reinkensmeier und ihre Kollegen unterstützen zum einen die Besatzungen der Rettungswagen in Fällen, bei denen die physische Anwesenheit eines Notarztes nicht erforderlich ist – wenn es etwa Rückfragen gibt. Die Notfallsanitäter können den Telenotarzt über eine App anfordern und per Video-Anruf am Einsatzort und im Rettungswagen zuschalten.

Arztbriefe oder Medikamentenpläne können per Foto weitergeleitet werden. Die zum Beispiel in der Wohnung der Patienten gemessenen Vitalwerte wie Blutdruck, Sauerstoffsättigung oder EKG werden in Echtzeit übertragen. "So kann sich der Telenotarzt ein umfassendes Bild machen und eine ärztliche Beurteilung geben oder Entscheidung treffen", betont Callies. Und sie können per Video-Anruf auch mit den Patienten sprechen und sie sehen, wenn diese zustimmen. "Rückfragen von den Rettungswagen-Besatzungen kommen allerdings bei Weitem nicht bei jedem Einsatz vor", betont der Arzt. "Die Notfallsanitäter sind sehr gut ausgebildet."

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Der größte Anteil der Telenotarzt-Einsätze entfalle auf Verlegungsfahrten. Nicht alle Transporte per Rettungswagen von Klinik zu Klinik müssten von einem angeforderten Notarzt beziehungsweise Notarzteinsatzfahrzeug begleitet werden. "Wir schauen uns die Verlegungen an und halten Rücksprache mit den abgebenden Kliniken", sagt Reinkensmeier. Es gebe auch Fälle, in denen Notfallpatienten den Transport etwa von zu Hause in eine Klinik zur Abklärung oder weiteren Versorgung verweigern. "Bisher musste dann immer ein zweiter Wagen mit Notarzt geschickt werden. Diese Situation haben wir jetzt nicht mehr, weil der Telenotarzt zugeschaltet werden kann", betont Callies. Hier gehe es auch um Rechtssicherheit für das Rettungspersonal.

Immer mehr Städte und Landkreise setzen auf die virtuell zugeschalteten Telenotärzte. Gerade auch in ländlichen Gebieten, wo die Wege weiter sind, können sie die Zeit überbrücken, bis der Notarzt eintrifft. Bundesweit stehen die Rettungsdienste unter Druck: Auch in Bremen steigt die Zahl der 112-Anrufe in der Leitstelle.

"Der Telenotarzt kann und soll den Notarzt vor Ort nicht ersetzen, wenn das Krankheitsbild des Patienten dies erfordert", betont Callies. „Aber diese wertvolle Ressource kann gezielter für Einsätze zur Verfügung stehen, bei denen tatsächlich ein Notarzt vor Ort gebraucht wird." Auch vor dem Hintergrund des Fachkräfte- und Ärztemangels sei das Telenotarztsystem eine sinnvolle Ergänzung. Ziel sei es, die personellen Ressourcen bedarfsgerecht einzusetzen.

Bremen kooperiert mit dem Landkreis Goslar, der als Vorreiter gilt und Anfang Januar 2021 das Telenotarztsystem zunächst als Pilotprojekt eingeführt hat. Weitere niedersächsische Landkreise und Städte werden mittlerweile von dort mitversorgt. Darunter die Landkreise Northeim, die Grafschaft Bentheim und Emsland, der Landkreis Schaumburg, Landkreis und Stadt Hildesheim sowie die Stadt Braunschweig. Seit Ende Januar nimmt auch der Landkreis Rotenburg (Wümme) an dem niedersachsenweiten Telenotarztsystem (TMN) teil. "Wir übergeben an die Leitstelle in Goslar, wenn bei uns kein Telenotarzt im Dienst ist", so Callies.

Im stadtbremischen Rettungsdienst soll das System ausgebaut werden: "Von den aktuell 40 Rettungswagen, die jeden Tag in Spitzenzeiten auf der Straße unterwegs sind, sind zwölf Fahrzeuge mit der entsprechenden Technik ausgestattet", erklärt der ärztliche Leiter. Weitere 18 sollen demnächst folgen, nach und nach dann die restlichen Fahrzeuge.

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