Wer nicht ausbildet, soll zahlen – darauf haben sich SPD, Grüne und Linke am Dienstag bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt. Das Ziel hinter diesem Beschluss: Die Zahl der angebotenen Lehrstellen in Bremen soll wachsen. Denn hier sehen die Parteien dringenden Handlungsbedarf. Dieser Vorschlag stößt in der Wirtschaft aber auf Kritik.
„Die Unternehmen suchen schon jetzt händeringend nach Auszubildenden“, sagt Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen. Für Jugendliche, die Interesse an einer Lehre hätten, sei das Angebot daher so hoch wie noch nie. „Deswegen stellt sich die Frage: Was will der Staat da überhaupt regulieren?“ Neumann-Redlin sieht daher keinen Bedarf für eine Ausbildungsplatzabgabe oder einen Fonds.

Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge im Bezirk der Arbeitsagentur Bremen-Bremerhaven seit 2008.
Doch genau das hatten die drei Koalitionäre beschlossen. Betriebe, die nicht ausbilden, sollen in diesen Fonds einzahlen. Das Geld soll wiederum Unternehmen zugutekommen, die Lehrlinge eingestellt haben und in deren Ausbildung investieren. Die Kosten sollen also umgelegt werden.
Wie viel ein Azubi einen Betrieb kostet, das hängt von der jeweiligen Branche ab. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat aber errechnet, dass ein Unternehmen im Schnitt jährlich etwa 18 000 Euro für einen Lehrling ausgibt. Er erwirtschaftet aber nur 12 500 Euro. Der Betrieb lässt sich demnach einen Lehrling bei dreijähriger Ausbildung mehr als 15 000 Euro kosten.
Ingo Schierenbeck, Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, sieht in dem Ausbildungsfonds daher ein Instrument, das faire Bedingungen zwischen den Betrieben schafft. Denn die Kosten seien bislang nicht gerecht verteilt. Vor allem kleine Firmen würden eine größere Last tragen – da sie in Bremen den Großteil der Ausbildung schulterten. Bei Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern liege laut Schierenbeck der Anteil von Auszubildenden bei 5,5 Prozent. Bei größeren Unternehmen hingegen unter vier Prozent.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass dadurch mehr Lehrstellen entstehen“, sagt Schierenbeck. In der Pflege und in der Baubranche wird die Ausbildung in einigen Bundesländern bereits über eine Umlage teilfinanziert. Das hätte zu einem Anstieg an Ausbildungsplätzen geführt.
In Bremen ist die Zahl der Ausbildungsplätze aber beständig zurückgegangen, wie aus einer Auswertung des BIBB hervorgeht. Demnach wurden 2008 im Bezirk der Arbeitsagentur Bremen-Bremerhaven, zu der auch der Landkreis Osterholz gehört, 6489 neue Ausbildungsverträge geschlossen. Zehn Jahren später waren es nur noch 5859.
„Allerdings interessieren sich auch weniger Jugendliche für eine Ausbildung“, sagt Karlheinz Heidemeyer von der Handelskammer Bremen. Viel mehr als früher gingen studieren oder machten einen weiteren Schulabschluss – und stünden so dem Ausbildungsmarkt nicht mehr zur Verfügung.
Gleichzeitig gebe es in Bremen etliche Unternehmen, die nicht in der Lage seien, eine Lehrstelle anzubieten, weil die Kenntnisse oder das Personal fehlten. Eine Abgabe für diese Betriebe würde – bis auf eine zusätzliche Belastung – nichts ändern. „Außerdem müssen die Unternehmen entscheiden, was fair ist“, sagt Heidemeyer. Das Ausgleichsargument gelte daher nicht. „Die Ausbildungsleistung wird von der Wirtschaft erbracht. Wir brauchen daher kein staatliches Instrument, um das zu regeln.“
Annette Düring, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds in der Region Bremen-Elbe-Weser, hält dagegen: „Es ist gut, dass die Parteien das Problem erkannt haben.“ Auch sie findet, dass die Unternehmen für die Ausbildung verantwortlich sind – und verlangt daher mehr Einsatz. „Man kann nicht über fehlende Fachkräfte jammern und gleichzeitig aber nicht ausbilden“, sagt Düring.
Dass es ohne klare Regeln nicht gehe, habe die Bremer Vereinbarung gezeigt. In diesem Pakt hatten sich Wirtschaft und Politik 2014 darauf geeinigt, bis spätestens 2017 insgesamt 7800 Lehrstellen in Bremen anzubieten. Diese Zahl wurde jedoch deutlich unterschritten. „Das zeigt, dass freiwillige Vereinbarungen ihre Grenzen haben“, sagt Düring. „Jetzt muss der Staat handeln.“
Die Idee zu einer Abgabe für Unternehmen, die nicht ausbilden, ist nicht neu. Bereits im März 2018 wurde in der Bremischen Bürgerschaft darüber diskutiert. Damals sprachen sich die Linken und die Grünen dafür aus. Ekkehart Siering, Staatsrat beim Wirtschaftssenator, bezeichnete eine Ausbildungsumlage als „Ultima Ratio“.
Auch aus dem Handwerk gab es schon einen ähnlichen Vorstoß: Erst Anfang Juni forderte Hans Peter Wollseifer, der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, dass Handwerksbetriebe künftig Ablösesummen zahlen müssen, wenn sie Azubis gleich nach der Lehre von der Konkurrenz abwerben. Der damalige Präses der Bremer Handwerkskammer, Jan-Gerd Kröger, bezeichnete den Vorschlag jedoch als „völligen Quatsch“.