- Warum hat die Polizei die Öffentlichkeitsfahndung nicht früher veranlasst?
- Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen in der forensischen Psychiatrie?
- Wie viele Patienten hat die Forensik und wie oft konnten Einzelne flüchten?
- Was kritisieren Bremer Oppositionspolitiker?
Drei Tage hat es gedauert, schließlich war die Fahndung erfolgreich: Am Freitagmorgen fasste die Polizei im nordfranzösischen Lille zwei zuvor in Bremen inhaftierte Straftäter auf der Flucht. Kurz vor ihrer Ergreifung hatte die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Die 24 und 28 Jahre alten Gefangenen waren nach Polizeiangaben am Dienstag aus der forensischen Psychiatrie des Klinikums Bremen-Ost geflohen. Dort waren die als "äußerst gewaltbereit" eingestuften Männer im sogenannten Maßregelvollzug für Täter mit psychischer Erkrankung oder Suchterkrankung untergebracht. Der Vorfall wirft Fragen auf.
Warum hat die Polizei die Öffentlichkeitsfahndung nicht früher veranlasst?
Die Polizei habe sofort intensiv nach den Straftätern gefahndet, sagt Franka Haedke, Sprecherin der Polizei Bremen. Die Öffentlichkeitsfahndung sei das letzte Mittel, wenn alle anderen Fahndungsmaßnahmen ausgeschöpft seien. "Wenn eine Gefahr bestanden hätte, hätten wir die Bevölkerung sofort informiert. In jedem Fall muss einzeln bewertet werden, wann von diesem Mittel Gebrauch gemacht wird", sagt Haedke. Die Entscheidung fällt die Staatsanwaltschaft, laut Sprecherin Renfei Li aus ermittlungstaktischen Erwägungen. Zu Beginn der Fahndung sei es üblich, sich ein Bild von den persönlichen Hintergründen der Entflohenen, etwa deren Familienverhältnissen, zu verschaffen. Bei einem Verdacht, dass sich die Täter ins Ausland abgesetzt haben könnten, wird durch einen europäischen Haftbefehl die Mithilfe der Amtskollegen gesichert. Aus welchen Gründen die beiden Männer im Maßregelvollzug waren, dazu äußerte sich Li nicht.
Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen in der forensischen Psychiatrie?
Laut Kristin Viezens, Sprecherin des Gesundheitsressorts, verfügt der Gebäudekomplex über sieben geschlossene Stationen, darunter eine hochgesicherte Therapiestation mit Mauern und gesicherten Fenstern und Türen. "Der Zutritt zur Klinik erfolgt über eine Pforte mit Sicherungsmaßnahmen, die denen an einem Flughafen inklusive eines Metalldetektors entsprechen", sagt Viezens. Ein wichtiger Auftrag des Maßregelvollzuges sei die berufliche und soziale Reintegration der Patienten. Dafür seien auch abgestufte Belastungserprobungen in Form von Vollzugslockerungen erforderlich, die Viezens zufolge streng reguliert sind. Missbrauchsrisiken könnten aber nicht zu hundert Prozent ausgeschlossen werden. "Entweichungen könnten demnach nur vollständig vermieden werden, indem der Auftrag der Forensik von Therapie zu ausschließlicher Sicherung verändert wird. Dies ist jedoch fachlich nicht sinnvoll und gesetzlich nicht vorgesehen", teilt Viezens mit.
Wie viele Patienten hat die Forensik und wie oft konnten Einzelne flüchten?
Laut Gesundheit Nord ist die Klinik mit 163 Patienten voll ausgelastet. Regulär gibt es 155 Plätze und zusätzlich weitere Betten für Notfälle in Kriseninterventionszimmern. Viezens zufolge unterscheidet man zwischen Ausbrüchen, wenn Patienten bauliche oder personelle Hindernisse überwinden und Entweichungen, etwa während eines begleiteten Ausgangs. Aus dem Hochsicherheitstrakt gab es in den vergangenen Jahren einen Fluchtversuch. "Aus niedrig gesicherten Stationen konnten von 2020 bis 2024 fünf Patienten ausbrechen", sagt Viezens. 95 Patienten seien im selben Zeitraum entwichen, 94 Patienten zurückgekehrt oder zurückgeführt worden, die beiden in Frankreich gestellten Patienten noch nicht mit einberechnet. "Bei drei weiteren aufgefundenen Patienten wurde der Maßregelvollzug für erledigt erklärt", so Viezens.
Was kritisieren Bremer Oppositionspolitiker?
Mit Unverständnis und Sorge reagiert Rainer Bensch, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Der Schutz der Bevölkerung ist das A und O. Es darf nicht sein, dass zum wiederholten Male äußerst gefährliche Straftäter aus der Einrichtung entkommen“, kritisiert Bensch. In einer Berichtsbitte an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (LInke) will die CDU unter anderem wissen, wie es passieren konnte, dass die beiden Männer aus dem Maßregelvollzug geflohen sind und wie man derartige Vorfälle in Zukunft verhindern möchte. Auch die FDP-Fraktion reagierte: "Für den Senat sollte es höchste Priorität haben, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, damit so etwas nie wieder vorkommt", sagt Ole Humpich, FDP-Sprecher für Gesundheit und Soziales.