Dass in der Bürgerschaft einiges erwartet wurde, zeigte schon das Polizeiaufgebot. Bereits eine Stunde, bevor die Türen zu Raum 2 des Hauses der Bürgerschaft überhaupt für die Besucher geöffnet wurden, standen an den meisten Eingängen Beamte, mehrere Einsatzwagen parkten neben dem Gebäude. Denn in das Hohe Haus hatte der Bundestagsabgeordneter Frank Magnitz im Namen der Bundestagsfraktion seiner Partei, der AfD, eingeladen. Proteste waren schon im Voraus angekündigt worden, vor allem wegen der eingeladenen Gastredner.
Unter dem Titel „Ein Jahr AfD im Bundestag – Ein Jahr populistische Opposition im Bundestag“ waren unter anderem der umstrittene Politikwissenschaftler und Lektor Benedikt Kaiser, der kulturpolitischen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Marc Jongen, sowie der Politikwissenschaftsprofessor Werner Patzelt nach Bremen gekommen. Deswegen hatte unter anderem das "Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus Bremen" zu Protesten aufgerufen.
Knapp 100 Personen waren zu dem Protest mit dem Titel "AfD abschirmen" vor den Türen des Bürgerschaftsgebäudes versammelt, um gegen die Veranstaltung zu demonstrieren. Auch die Linken-Politikerinnen Kristina Vogt und Sophia Leonidakis gehörten zu den am Hintereingang der Bürgerschaft postierten Menschen, die vor allem die Einladung Kaisers kritisierten, dem eine Nähe zu rechtsextremen Netzwerken nachgesagt wird. Die AfD werde auch "wegen ihrer Tendenzen zum Rechtsradikalismus gewählt", erklärte Vogt, Vorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft, vor den Protestierenden. "Wir wenden uns gegen die Unterwanderung der Parlamente", ergänzte die Bürgerschaftsabgeordnete Leonidakis. Den Einlass der Besucher begleiteten die Demonstranten mit Rufen unter anderem wie "ganz Bremen hasst die AfD".
In den Räumen der Bürgerschaft nahmen schließlich knapp 70 Besucher Platz, um der von Fernsehjournalist und AfD-Landesvorstandsmitglied Hinrich Lührssen moderierten Diskussion zu folgen. Magnitz mahnte zu Beginn der Veranstaltung auch die zahlreichen Demonstranten, die ebenfalls die Veranstaltung verfolgten, zu einer konstruktiven Diskussion. Unter den Demonstranten war auch die Bürgerschaftsabgeordnete Kai Wargalla (Grüne).
Zwischenrufe und Hausverweise
Schon nach wenigen Minuten wurde Magnitz von Zwischenrufen und Pfiffen unterbrochen, die ersten Demonstranten wurden mit Bezug auf das Hausrecht der Bürgerschaft des Gebäudes verwiesen, begleitet von Applaus und "Auf Wiedersehen"-Rufen der Zuhörer. Mitunter diskutierten Besucher und Demonstranten lautstark miteinander, der Vorsitzende der Jungen Alternative in Bremen, Robert Teske, forderte mehrfach Hausverbote für einzelne Zwischenrufer. Wargalla musste schließlich ebenfalls den Raum verlassen, als sie nach mehreren Verwarnungen Kaisers Vortrag mit Zwischenrufen unterbrach.
Eine eigentliche Bilanz nach einem Jahr AfD im Bundestag blieb bei der Diskussion, die fast drei Stunden dauerte, aus. Patzelt, Jongen und Kaiser hielten zunächst Referate, in denen sie ihre sehr unterschiedlichen Herleitungen des Wortes Populismus erklärten. Das geschah mitunter höchst theoretisch: Patzelt sprach von einer Repräsentationslücke in der Bundespolitik der anderen Parteien, die die AfD auf den Plan gerufen habe. Jongen hingegen argumentierte, er selbst bezeichne sich als Populisten, da er ein Volksvertreter sei, der den "Fortbestand des Volkes" sichern wolle und die Forcierung von multikulturellen Weltbildern stoppen wolle. Dafür wurde auch er verwarnt, da diese "rassistischen Äußerungen" in der Bürgerschaft nicht geduldet werden. Kaiser hingegen argumentierte für eine neue Denkart des Populismus mithilfe eines französischen Philosophen, der als Vordenker der Neuen Rechten gesehen wird. Er sprach sich für eine "soziale Rechte" und den Schutz des "Grundstocks des Volkes" aus.
Was ein Jahr AfD im Bundestag bedeutet, diese Antwort blieben die Gäste schuldigt. Auch Nachfragen über die aktuelle Zahl der Flüchtlinge, die monatlich nach Deutschland kommen, oder den genauen Hintergrund des UN-Migrationspaktes blieben die Antworten der Diskussionsteilnehmer schwammig. An Anschuldigungen gegen sogenannte Altparteien, die Medien, Migranten oder linke Gruppierungen und Parteien mangelt es allerdings an diesem Abend in der Bürgerschaft nicht.