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Rinkes Rauten Bremen im Jahre 2062

Der Dramatiker und Romanautor Moritz Rinke schaut in "Rinkes Rauten" jeden Sonntag im WESER-KURIER auf die Welt. Thema muss nicht immer der SV Werder sein, Raute hin oder her.
02.01.2022, 05:00 Uhr
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Von Moritz Rinke

Am Anfang eines neuen Jahres müssen natürlich Ausblicke her, Perspektiven, vielleicht sogar Visionen. Aber das neue Jahr dürfte dem alten, fürchte ich, sehr ähneln. Wir haben zwar eine neue Regierung, stolpern aber bestimmt wieder über dieselben Fehler, über die wir schon mit der alten Regierung gestolpert sind.

Es ist ein bisschen wie in „Dinner for One“, diesem berühmten Sketch, den ich immer zu Silvester schaue. Immer wieder geht der Butler James über ein im Esszimmer ausgelegtes Tigerfell und nahezu jedes Mal stolpert er über den Tigerfellkopf. Ich finde, das passt sehr gut zu uns Deutschen in der Pandemiebekämpfung. Wir müssten eigentlich genau wissen, dass in der Mitte des Raumes dieser Tigerfellkopf liegt, weil der beim dritten oder vierten Gang auch schon dort gelegen hatte, aber wir stolpern dennoch wieder darüber.

Weitsicht, Vorkehrungen, Lernfähigkeit, konsequentes Befolgen wissenschaftlicher Ratschläge beziehungsweise den Fuß frühzeitiger heben? Nein, lieber wieder stolpern und dabei „The same procedure as last year!“ rufen.

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Zu Silvester schaue ich auch immer „2001: Odyssee im Weltraum“ von Stanley Kubrick. Der Film ist fast aus demselben Jahr wie „Dinner für One“, von 1961. Wenn man von heute noch einmal 40 Jahre weiterdenkt, dann leben 2062 wahrscheinlich wirklich Menschen wie bei Kubrick hinter so einem Loch im Weltall, vielleicht jenseits des Ozonlochs, wegen des extremsten Klimas. Vermutlich werden Robert Habeck mit seinem Superklimaministerium und das Pariser Klimaabkommen doch gescheitert sein, sodass nur noch die Kubrick-Variante übrigbleibt.

Wenn man Kubrick beim Wort nimmt, wird sogar Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister gescheitert sein, denn man isst statt Bio nur noch bunte Pillen. Ansonsten bleibt alles beim Alten, es gibt auch im Weltraum Amazon, Instagram und "Tatort".

Natürlich können sich so ein Weltraumleben und eine Weltflucht mit Tesla-Raketen nicht alle leisten. Viele werden hier unten bleiben müssen, ich auch. Ich hänge am Abendland. Auch an Spielen des SV Werder im Weserstadion, an Kohl und Pinkel, an regionalen Feinheiten wie einem „Moin“ am Morgen. Ich könnte mir Bremen als einen schönen endzeitlichen Ort vorstellen.

Omikron hatten wir überlebt, aber nach weiteren 40 Jahren CO2-Ausstößen von China, den USA oder Europa erlebten wir eine rasante Klimaveränderung (mit Greta Thunberg geschah das gleiche wie mit Karl Lauterbach, sie bekam ein hohes Amt und fügte sich in den Lauf der Welt). Die totale Klimaveränderung hatte Bremen zu einem neuen Kalifornien gemacht, ja, zu einem der letzten lebenswerten Plätze auf der Erde. Überhaupt lebten hinter dem Loch im Weltall die reichen Russen, die Scheichs, die Fifa-Funktionäre, die dort absurderweise wie in Katar eine WM ausrichteten; meinetwegen auch die Coronaleugner und Rechtspopulisten. Aber in Bremen lebte der nette Rest der Welt, alle waren nach Bremen ausgewandert.

Ich stelle mir zum Beispiel vor, dass ich am Osterdeich schlendern würde, gewaltige Eisberge vorbeischwimmen und plötzlich taucht der Urenkel von Cousteau, dem Tiefseeforscher, aus der Weser auf, der gerade mit einem Fernsehteam Delfine filmt. Delfine in der Weser, denke ich noch, und laufe durchs Viertel, das so lebhaft, impulsiv und bunt wirkt wie Dakar oder Mombasa oder der Nachtmarkt von Bangkok.

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Früher hatte es hier noch grußlose, einsilbige Bremer gegeben, aber jetzt? Man tanzt auf der Straße, singt, umarmt sich, lebt zusammen wie die Bremer Stadtmusikanten.

Ich habe in meiner Jugend leider nie etwas mit einer Bremerin gehabt. Ich war schüchtern und die Bremerinnen waren nicht gerade stürmisch. Aber jetzt, 2062, würde sich alles ändern und ich in einer Bremer Straßenbahn problemlos mit Bremerinnen amourös ins Gespräch kommen. Ich wäre dann zwar nicht mehr der Jüngste, aber eine Affäre mit über 90 ist vielleicht doch eine schöne Vision zu Jahresbeginn.

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