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Wochenserie: Teil 1 Sanierungsstau im Bremer Straßenverkehr

Nicht alle Straßen Bremens sind in tadellosem Zustand. Um die Schäden besser einschätzen zu können, hat das Amt für Straßen für Verkehr einen besonderen Messwagen die Hauptverkehrsachsen abfahren lassen.
25.11.2018, 20:26 Uhr
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Sanierungsstau im Bremer Straßenverkehr
Von Silke Hellwig

Wenn jemand beurteilen kann, wie es um den Zustand der Straßen und Radwege in Bremen bestellt ist, sind es die Mitarbeiter der Betriebshöfe – wie die Baufaufseher Jürgen Frerichs und Hans Schwolow sowie Straßenkontrolleur Thomas Sprenger. Sie arbeiten in einem von zehn Erhaltungsbezirken der Stadt. Ihr Bezirk Mitte reicht von der Stephanibrücke bis zur Georg-Bitter-Straße, von der Weser bis zum Hauptbahnhof.

Wenn Thomas Sprenger in diesem Bereich unterwegs ist, dann nicht ohne sein Mobilgerät, das mit einer besonderen Software ausgestattet ist. Auf seiner virtuellen Straßenkarte trägt er sichtbare Schäden ein und ergänzt sie mit Fotos und einer knappen Beschreibung. Der Zustand der Straßen schlägt sich in verschiedenfarbigen Markierungen nieder.

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Rote Einträge müssen schleunigst erledigt werden, grüne sind nicht so dringend. Lilafarbene Kreuze markieren beispielsweise schiefe Pfähle. Zurück im Büro könne er die Einträge mit einem Klick an die Vertragspartner schicken, die die Schäden reparieren, berichtet Sprenger. Dazu werden an diesem Tag Defekte in der Langenstraße gehören, die Sprenger am Vormittag unter die Lupe genommen hat. Bilanz: sechs Schäden, darunter allerdings nicht einer, der eine Unfallgefahr birgt, „da ist noch ein paar Tage Zeit“.

Die Sicherheit für Verkehrsteilnehmer steht auch im Zentrum der Tätigkeit der Bauaufseher. „Unsere Arbeit ist vielfältig“, sagt Frerichs. Dazu gehöre einerseits, sich Reparaturarbeiten anzusehen und die fachgerechte Ausführung zu überwachen. Die Bauaufseher werden jedoch auch gerufen, um sich Schäden anzusehen und einzuordnen. Frerichs’ Telefon klingelt. An der Domsheide hat sich eine Gehwegplatte gelöst.

Er steigt mit seinem Kollegen in den Bauwagen mit der Aufschrift „Straßenkontrolle“. Vor dem Postgebäude ist der Stein des Anstoßes schnell geortet. Frerichs stellt eine Pylone auf. Sie steht nicht lange, kurz nachdem er mit der Vertragsfirma telefoniert hat, kommen Mitarbeiter und setzten den Stein neu ein. Das sei ein Glücksfall, räumt Frerichs ein, nicht immer komme der Reparatur-Trupp umgehend, aber innerhalb weniger Stunden werde er tätig, sofern es dringend sei.

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Dass Bremens Verkehrsanlagen, also Straßen, Brücken, Gehwege, Tunnel und öffentliche Treppen, nicht durchweg gut in Schuss sind, ist mancherorts augenfällig. Im Viertel ist Kopfsteinpflaster mit Asphalt geflickt, andernorts haben sich Spurrillen gebildet, auf Wegen sind Pflastersteine locker oder nicht mehr gleichauf.

Einen politischen Schwerpunkt auf Sanierungsbau legen

Bau- und Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) sagt: „Wir haben im Bereich der Verkehrsinfrastruktur einen erheblichen Sanierungsstau. Ich empfehle allen Parteien, einen politischen Schwerpunkt beim Erhalt und Ausbau der Infrastruktur für die nächste Legislaturperiode zu verabreden. Ich habe zwei Legislaturperioden erlebt, dass das nicht der Fall war. Wir sind mit eng begrenzten Budgets für Straßenerhaltung und -sanierung ausgestattet gewesen, sodass wir es aus eigenen Mitteln im Grunde überhaupt nicht leisten können, auch nur eine Straße grundhaft zu sanieren. Es sei denn, wir haben einen Leistungsträger wie die Hansewasser, die gleichzeitig auch die Straße öffnen müssen, wodurch die Maßnahme gemeinschaftlich finanziert wird.“

Bei der Beurteilung des Zustands der Verkehrsinfrastruktur geht es nicht nach Lage und Schönheit, sagt Martin Stellmann, ASV-Sprecher. Im Zentrum der Aufmerksamkeit und der Anstrengungen des Amts stehen vor allem die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit der Hauptverkehrsstraßen (siehe auch Interview unten). Die Beschaffenheit von wenig genutzten Anwohnerstraßen, die etwa 70 Prozent ausmachten, selbst wenn sie über mehrere Jahre immer wieder geflickt werden müssen, ist dem untergeordnet.

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Aus diesem Grund fotografierte kürzlich ein besonderes Messfahrzeug zunächst die Straßen, „die für die Funktion der Stadt von Wichtigkeit sind“ und besonders vom Groß- und Schwerlastverkehr beansprucht werden. Dabei wurden Stereobilder und sogenannte Orthofotos geschossen, erläutert Björn Ritschewald, der beim ASV für technische Koordination zuständig ist. Mit einem „hochgenauem GPS-System an Bord“ wurden alle Bilder georeferenziert. So wird das ASV fotografierte Schäden, Auffällig- und Unregelmäßigkeiten auf unter fünf Zentimeter genau verorten können.

Den Straßenraum in Gänze betrachten

Etwa 250 Kilometer wurden erfasst. Das Ergebnis: „eine gigantische Datenmenge“ samt einer Zustandsbeschreibung, die dem ASV vermutlich Anfang nächsten Jahres vorliegen wird. „Diese Bilder bieten den großen Vorteil, dass man den Straßenraum in Gänze betrachten kann, mit der gesamten Möblierung und Markierung.“ Entsprechend werden die Daten vom ASV nicht nur zum Erfassen des momentanen Straßenzustands genutzt, sondern auch für andere Zwecke. „Wir versprechen uns von dieser Daten-Grundlage eine ganze Menge“, sagt Björn Ritschewald.

Die Untersuchung soll ausgedehnt sowie in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um genauere Prognosen für die Zukunft treffen zu können, so Ritschewald weiter. „Wenn wir die Aufnahmen in einigen Jahren wiederholen, können wir sehr genau sehen, was aus feinen Rissen geworden ist und wie wir künftig mit solchen Schäden umgehen müssen.“ Auch das verbaute Material fließe in die Datensammlung ein und lasse genauere und belastbare Einschätzungen zu, was das städtische Vermögen Straße betrifft.

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Der derzeitige Zustand der Verkehrsinfrastruktur hat mehrere Ursachen: Dazu zählen die Sparzwänge der vergangenen Jahre, aber auch Verschleißerscheinungen. Viele Straßen und Brücken wurden laut Stellmann beim Bau nicht auf die heutige Beanspruchung ausgelegt, vor allem nicht auf die durch Lkw. Strenge Winter können überdies Schäden hinterlassen.

Besorgniserregend ist offenbar die Beschaffenheit vieler Brücken. Dabei geht es nicht nur um die rund 50 Jahre alte Stephanibrücke, die nicht mehr voll belastbar ist. Laut einer Zustandsbeschreibung aus dem Sommer sind nach Einschätzung des ASV knapp 16 Prozent der bremischen Brückenfläche in einem sehr guten oder guten, etwa 46 Prozent in einem befriedigenden, knapp ein Drittel in einem ausreichenden Zustand. Bei 8,4 Prozent muss bald etwas passieren.

Jürgen Frerichs und Hans Schwolow sind auf dem Weg zum Osterdeich, auf einer Spur wird ein Stück Fahrbahn repariert. Die Bauaufseher und die Straßenbauer begrüßen sich. Man kennt sich, Frerichs und Schwolow sind selbst gelernte Straßenbauer. Die schadhafte Stelle, etwa ein Meter breit und gut zwei Meter lang, ist ausgefräst worden. Die Männer schaufeln heiße Asphaltmasse auf die Fläche und verteilen sie. Einer der Straßenbauer beginnt, mit einer Walze über die Masse zu fahren. Zum Schluss wird die ausgebesserte Fläche abgesplittert. Und dann geschehe das, worüber sich Laien oft ärgerten: Sie passierten Baustellen, auf denen niemand arbeite. Dafür arbeitet sozusagen das Material, erläutert Frerichs. Der Asphalt müsse auskühlen, sonst sei die Aus- und Verbesserung der Oberfläche schnell wieder dahin.

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