Die Justizbehörde will das sogenannte Stadtticket Extra ausweiten. Statt derzeit 50 Personen sollen in Zukunft 70 Personen dieses Ticket nutzen können. Das Stadtticket Extra ist ein Bremer Projekt, das es seit 2012 gibt, und das der Behörde zufolge bundesweit einmalig ist. Das Prinzip: Es gibt in der Stadt eine kleine Gruppe von Menschen, die immer wieder beim Schwarzfahren in Bussen und Bahnen erwischt werden, ihre Geldstrafe aber nicht bezahlen können und dann wiederholt im Gefängnis landen.
Ihnen soll durch das Stadtticket Extra ein Ausstieg aus diesem Teufelskreis ermöglicht werden. Ein Teil derjenigen, die immer wieder ohne Ticket geschnappt werden, befänden sich in einer „gesundheitlich und sozial ausweglosen Lage“, sagt Justizsenator Martin Günthner (SPD). Bei ihnen mache es „keinen Sinn, in eine Dauerschleife von Schwarzfahren, Gefängnis und wieder Schwarzfahren zu verfallen“.
Freiheitsentzug als Sanktion gehe hier an der eigentlichen Problemlage vorbei und verursache einen „nicht zu rechtfertigenden Aufwand und Kosten bei der Strafverfolgung und im Justizvollzug“. Sie können schon bislang – zum Beispiel vermittelt durch Bewährungshelfer – für zwei Jahre das sogenannte Stadtticket Extra bekommen, mit dem sie Busse und Bahnen des Nahverkehrs nutzen können.
Das Ticket ist bezuschusst und kostet deshalb nur 10,50 Euro im Monat. Zuletzt standen aber meist etwa 17 Personen auf der Warteliste. Für sie soll es in Zukunft nun ebenfalls ein solches Zehn-Euro-Ticket geben. Das normale Stadtticket ist ein ermäßigtes Ticket für Sozialhilfeempfänger und andere Gruppen mit geringem Einkommen und kostet 39,80 Euro im Monat.
Ist es eine Ungerechtigkeit, dass diejenigen, die immer wieder schwarzfahren, letztlich nur gut zehn Euro für ein Monatsticket zahlen müssen, während andere, die sich ein Ticket kaufen, obwohl sie ebenfalls wenig Geld haben, dafür knapp 40 Euro zahlen? Wird Schwarzfahren durch das Stadtticket Extra belohnt? Nicht für jeden, der häufig schwarz fährt, gebe es ein Stadtticket Extra, sagt Helmut Schwiers, Leiter der sozialen Dienste der Justiz: „Es geht um Menschen, die sich finanziell deutlich unter dem Sozialhilfesatz bewegen, die häufig drogenabhängig sind und die zum Teil schon lange keine Wohnung mehr haben.“
Er betont: „In der Warteliste stecken Schicksale, viele sind total durch das Hilfesystem gefallen.“ Er freut sich über die leichte Aufstockung des Stadttickets Extra. Es sei für Personen gedacht, bei denen selbst das Abarbeiten einer Geldstrafe durch Sozialstunden illusorisch sei, weil sie gesundheitlich ruiniert seien.
Immer wieder Diskussionen
Gefängnisstrafen sind teuer, zuletzt stieg zudem die Zahl der Gefangenen, die Justizvollzugsanstalt in Oslebshausen ist überfüllt. „In den vergangenen Jahren saßen in Bremen zum Teil 20 bis 30 Prozent der Gefangenen ein, weil sie Geldstrafen für Schwarzfahren, Sachbeschädigung oder Diebstahl nicht bezahlen konnten“, sagt Schwiers. Zuletzt waren ihm zufolge 58 Gefangene von über 600 in Oslebshausen wegen solcher Ersatzfreiheitsstrafen inhaftiert, davon im Schnitt 22 wegen Schwarzfahrens.
Das Thema Ersatzfreiheitsstrafen ist in Bremen immer wieder diskutiert worden. Zuletzt hatte sich die Linksfraktion in der Bürgerschaft in der vergangenen Woche dafür eingesetzt, Schwarzfahren nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit zu ahnden. Ihr Vorstoß fand zwar keine Mehrheit, doch auch SPD und Grüne haben sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, dass Schwarzfahrer möglichst nicht im Gefängnis landen sollten. Bremen kann als einzelnes Bundesland Schwarzfahren nicht zu einer Ordnungswidrigkeit herabstufen – dafür bräuchte es eine Initiative auf Bundesebene.