Die Nachfrage nach Schwimmkursen ist groß, die Wartelisten sind lang. Weil viele Schwimmbäder durch die Corona-Pandemie geschlossen hatten und Unterricht nicht stattfand, steigt die Zahl der Nichtschwimmer an. Ein kompletter Jahrgang konnte vergangenes Jahr nicht schwimmen lernen – das macht sich nicht nur im Wasser bemerkbar. Wer in Bremen oder Niedersachsen auf einer Liste steht, muss mit Wartezeiten bis zu zwei Jahren rechnen. „Jedes zweite Kind kann laut einer Studie der DLRG nicht mehr sicher schwimmen. Diese Situation wird sich noch verschärfen“, sagt Philipp Postulka, Sprecher des Bremer Landesverbands der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Ein Anstieg der Badeunfälle wird befürchtet.
„Geschlossene Bäder und ausgefallener Schwimmunterricht dürfen nicht zu einer Generation von Nichtschwimmern führen“, sagt Sozial- und Sportsenatorin Anja Stahmann (Grüne). „Schwimmen zu lernen sollte für jedes Kind so selbstverständlich sein wie Radfahren.“ Bei den Bremer Bädern sind durch Corona im vergangenen Jahr etwa 10.000 Plätze in Kursen weggefallen. „Das ist ungefähr die Anzahl, die wir im Normalbetrieb wohl gehabt hätten“, sagt Laura Schmitt, Sprecherin der Bremer Bäder. Aus diesem Grund führe man derzeit so viele Kurse durch wie noch nie. Bis Ende des Jahres seien viele der Plätze belegt, allerdings richte man weitere Kurse ein, die noch nicht komplett ausgelastet seien. Während man den bisherigen Kunden nach und nach ein Angebot mache, wachse die Liste wieder.
„Es ist davon auszugehen, dass wir bis Ende des Jahres erneut wieder mehr als 2000 Kinder auf der Liste stehen haben werden“, so Schmitt. Mit Intensivschwimmkursen in den Ferien und den regulären Kursen wolle man dem Problem begegnen. In diesem Jahr seien bislang mehr als 1700 Kinder in Angeboten eingebucht. „Bis Ende des Jahres sollten es 2500 Kinder sein, wenn Corona uns keinen Strich durch die Rechnung macht“, sagt Schmitt.
Bis Ende Juli haben laut den Bremer Bädern mehr als 470 Kinder ein Schwimmabzeichen gemacht. Hinzu kommen knapp 300 Teilnehmer im Rahmen des Projektes „1000 Abzeichen“. Das Programm führen die Bädergesellschaft, der Landesschwimmverband und der DLRG durch – es soll ausgefallenen Schwimmunterricht kompensieren. Zudem gibt es „Kids in die Bäder“, ein Angebot für sozial benachteiligte Familien.
„Die Ausbildung der Schwimmanfänger muss Priorität haben, also das Seepferdchen und das Schwimmabzeichen Bronze“, sagt DLRG-Sprecher Postulka. Die ehrenamtlichen Mitglieder der DLRG würden seit eineinhalb Monaten „ausbilden, als gebe es keinen Morgen mehr“, die Kurse seien alle „rappelvoll“. In den Bezirken Nord und Stadt nutze der Landesverband im Gegensatz zu den Vorjahren auch die Sommerferien für Schwimmschulungen, um den Rückstand aufzuholen. Angebote wie eine mobile Schwimmschule oder Unterricht in Bremer Badeseen kämen hinzu. Dennoch seien die Wartelisten voll.
Dass die Bremer Bädergesellschaft verstärkt Kurse anbietet, dürfe nicht zulasten der Vereine gehen, sagt Marco Lübke (CDU). „Es muss ein Mittelweg gefunden werden, wie die knappen Wasserflächen in Bremen gerecht verteilt werden“, sagt Lübke, der selbst im Schwimmverein SV Hemelingen aktiv ist. Dort habe man vor Corona bei Kursen bereits eine Wartezeit von einem Jahr gehabt, das habe sich nun verschärft.
Eine Betroffene ist Christine Mahler, die für ihren fünfjährigen Sohn in Achim kein Schwimmangebot gefunden hat. „Die Warteliste für das Seepferdchen ist so lang, dass wir zwei Jahre warten müssen“, sagt Mahler. Sie hat ihren Sohn mit einem Neoprenanzug ausgestattet und bringt ihm das Schwimmen im Oyter See selbst bei. Das Problem zieht sich durch ganz Niedersachsen. „Die Wartelisten sind durch Corona natürlich länger geworden“, sagt der Sprecher der DLRG in Niedersachsen, Christoph Penning. Es dürften einige hundert, wenn nicht noch weitaus mehr Schwimmkurse sein, die allein bei der DLRG Niedersachsen ausgefallen sind. „Wir gehen in Niedersachsen davon aus, dass aufgrund der Corona-Pandemie 75.000 bis 150.000 Kinder nicht schwimmen gelernt haben und alle anderen ihre Fähigkeiten nicht weiter zum sicheren Schwimmen ausbauen konnten“, sagt Penning.
In Niedersachsen sind in den ersten sieben Monaten dieses Jahres mindestens 15 Menschen beim Baden ertrunken, neun weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum, teilte die DLRG mit. Bremen zählt bislang drei Badetote.