Julian Engel ist Mitgründer der Bremer Ortsgruppe von Sea Shepherd. Nun war er mit der Organisation unterwegs, um die Regierung von Gabun beim Einhalten der Fischereigesetze zu unterstützen.
Diesen Moment wird Julian Engel nie vergessen. Er, 1,82 Meter groß, und neben ihm ein etwa zehn Meter langes Walhai-Weibchen. Engel und der Walhai treiben in diesen Sekunden in den Gewässern vor Gabun, einem Staat in Zentralafrika. Der 26-Jährige ist voller Adrenalin, er hat nur ein Ziel vor Augen: Den Walhai aus den Fängen der Fischer zu befreien, denen das geschützte Tier mit ins Netz gegangen ist.
Ohne Tauchausrüstung, nur mit einem Messer in der Hand schlitzt Engel Stück für Stück das Netz auf, in dem der riesige Fisch um sein Leben kämpft. „Und auch wenn Walhaie sehr kleine Gehirne haben und ich ansonsten an so etwas nicht glaube“, sagt Engel. „Sie ist ruhiger geworden, als sie bemerkt hat, dass wir sie befreien.“ Als das Tier ohne Schäden davon schwimmen kann, ist das ein unglaublich emotionaler Moment für den Studenten und seine Begleiterin unter Wasser.
Kampagne „Operation Albacore“
Julian Engel und mehr als 20 andere Crew-Mitglieder von der Umweltorganisation Sea Shepherd waren in den vergangenen Monaten auf dem Schiff Bob Barker unterwegs, um an der Kampagne „Operation Albacore“ teilzunehmen. Gestartet ist das Schiff vor gut einem Jahr in Bremen. Sie waren erst in der Türkei und Venedig, um das Schiff auf den Einsatz vorzubereiten, und seit April vor Gabun, um dort die Regierung beim Einhalten der Fischereigesetze zu unterstützen.
Engel war auf dem Schiff als sogenannte Deckhand tätig, quasi Mädchen für alles, und als Freitaucher, um im Notfall Haie aus den Netzen zu befreien. Wenn er nicht gerade einen zehn Meter langen Walhai vor sich hat, schafft er es, zwei bis drei Minuten unter Wasser die Luft anzuhalten, sagt er. Das Freitauchen habe er gelernt, um die Tiere, die ihn seit Jahren faszinieren, nicht unnötig aufzuwühlen. „Haie reagieren ängstlich auf Druckluftgeräte und Luftbläschen“, sagt er.

Julian Engel war monatelang als Freitaucher für die Umweltorganisation Sea Shepherd im Einsatz.
2012 hat Engel mit drei anderen die Bremer Ortsgruppe von Sea Shepherd gegründet, mittlerweile engagieren sich mehr als 20 Umweltschützer in Bremen und umzu. „Wir sind die größte Ortsgruppe in Deutschland“, sagt er.
Das Ziel, mehr über Haie und die anderen Tiere und Arten im Meer zu erfahren, steckte sich der 26-Jährige schon kurz nach dem Abitur. Da verbrachte er mehrere Monate in Australien – eigentlich, um mit Schildkröten im Great Barrier Reef zu schwimmen. Doch damals begegneten ihm auch Weißspitzen-Riffhaie: Es war die Geburtsstunde für Engels Leidenschaft.
Engel fazinieren Haie
Danach kämpfte er auf einer kleinen Insel in Malaysia gegen den Haifang und fing kurz darauf an, Umweltwissenschaften mit Schwerpunkt auf marine Ökologie und Ozeanphysik zu studieren. Bevor Engel auf der „Bob Barker“ anheuerte, verbrachte er zwei Monate in Honduras, um unter anderem den richtigen Umgang mit Haien zu lernen. „Die Tiere faszinieren mich, weil sie perfekt für das Wasser gemacht sind“, sagt er.
Die Mitfahrt auf dem Schiff von Sea Shepherd war für den Umweltschützer eine Achterbahn der Gefühle, erzählt er. So schön die Rettung einiger Haie gewesen sei, so traurig sei es, wenn Haie auf den Fischerbooten sterben würden. Das Gute an der Mission sei gewesen, dass sie durch die Vertreter der Regierung Gabuns auf dem Boot quasi Hoheitsgewalt gegenüber den Fischern hatten.
„Das heißt, dass wir Netze auch von offizieller Seite aus blockieren oder aufschneiden konnten, wenn es begründet war“, sagt Engel. Während sie Patrouille fuhren, ermahnten sie nicht nur illegale Fischer, sondern belehrten auch Fischer auf registrierten Booten, die sich beim Thunfischfang nicht an Limitierungen hielten oder den Beifang nicht artgerecht behandelten.
Viele Tiere müssen sterben
So werden Haie zwar oft wieder zurück ins Meer geworfen, aber so, dass viele von ihnen dabei sterben würden, sagt Engel. „Sie hängen sie kopfüber an einem Seil, dabei rutschen ihre Organe nach vorne, weil sie keine Knochen haben.“ Außerdem würden die empfindlichen Fische beim Aufprall auf das Wasser lebensgefährlich verletzt, sodass nur wenige dieses Prozedere überlebten.
Ob das an der Unwissenheit der Fischer liegt oder ob ihnen schonendere Methoden für die Tiere schlicht zu aufwendig sind, weiß Engel nicht. „Vermutlich ist es aus wirtschaftlichen Gründen.“ Noch ein Aspekt hat ihn bei seinem Aufenthalt sehr bewegt.
Bis zu einem gewissen Maße sei der Thunfischfang zwar vor Gabun erlaubt, doch die Art und Weise, wie der Fisch auf den Booten verarbeitet wird, habe ihn schlichtweg angeekelt, sagt er. „Die Hygiene dort ist eine Katastrophe, und außerdem geht der Thunfisch komplett nach Europa. In Gabun hat davon niemand etwas.“
Vor einigen Wochen ist Engel nach Bremen gezogen, um hier seinen Master in Marine Tropenökologie an der Universität Bremen zu machen. In den kommenden Wochen will er sich erst einmal darauf konzentrieren und bei passenden Veranstaltungen auf die Probleme in den Weltmeeren aufmerksam machen. „Aber die nächste Kampagne kommt bestimmt“, sagt er.