Fühlt sich ein bisschen an wie schwarz fahren, ist es aber nicht: Wer in Bremens neue City-Ringbahn einsteigt, braucht kein Ticket. Die Linie 11 fährt nur sonnabends und dann immer im Kreis: Von der Bürgerweide über den Hauptbahnhof, durch die Obernstraße zum Stephanieviertel und zurück zur Bürgerweide.
Manche Fahrgäste drehen einfach mal eine Runde – zum Beispiel Eckart und Heidelind Brandtstaedter. Das Ehepaar aus Bremen-Nord will zum Shoppen in die Innenstadt – "und dazu gerne ein Glas Wein", erzählen die beiden vergnügt. Aber erstmal fahren sie gezielt im Kreis: "Wenn wir den Linienverlauf ergründet haben, können wir gucken, wo wir günstiger parken können", sagt Eckart Brandstaedter. "Mein Mann will Geld sparen", sagt Heidelind Brandtstaedter und lacht. "Ja, die Parkhäuser direkt an der Obernstraße sind die teuersten, auf der Bürgerweide zahlt man deutlich weniger", sagt er. Die Ringbahn finden beide gut: "Das ist gut investiertes Geld", sagt der 60-Jährige. Das gezielte Angebot an Sonnabenden befürwortet er, einen insgesamt kostenlosen öffentlichen Nahverkehr dagegen lehnt er ab: "Das ist zu teuer, Bremen kann sich das nicht leisten – und ich würde den Nahverkehr persönlich auch nicht so viel nutzen."

Eckart Brandtstaedter und seine Frau Heidelind drehen gezielt eine Runde mit der Ringbahn und halten nach günstigen Parkplätzen nahe der Straßenbahnstrecke Ausschau.
Als Zielgruppe der Linie 11 nennt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer neben den Bremerinnen und Bremern insbesondere Besucher von auswärts, die ihr Auto außerhalb der Innenstadt parken können. "Und das Angebot ist perspektivisch natürlich auch sehr attraktiv für Touristen, die sich in der Stadt bewegen wollen." Für Bremen-Reisende kann es von Vorteil sein, dass die Bahn direkt vor der Haustür mehrerer größerer Hotels entlangfährt, vom Maritim und dem Parkhotel bis zu günstigeren Hotels in der Bahnhofsvorstadt. "Das könnte schon den Tourismus beleben, nach der Pandemie", sagt Christian Heyen, der mit Familienbesuch von auswärts in der Innenstadt unterwegs ist. Der Bremer fährt derzeit pandemiebedingt weiter Fahrrad und meidet öffentliche Verkehrsmittel noch. Perspektivisch würde er aber auch in die Linie 11 einsteigen.
Verfahren kann man sich in dieser Linie schonmal nicht: Wer seine Haltestelle verpasst, dreht einfach noch eine Runde. 40 Minuten dauert ein Umlauf: 22 Minuten Fahrtzeit plus 18 Minuten Wartezeit in der Wendeschleife beim Bürgerpark. Hier pausieren die Bahnen: "Wohl, damit wir uns nicht mit der Linie 5 in die Quere kommen, wir können ja mit der Straßenbahn nicht überholen", erklärt Fahrer Jannik Schwania.
An diesem Vormittag sitzt nur eine Handvoll Fahrgäste in der 11. Viele steigen nur für ein oder zwei Haltestellen ein. Mittags werden es mehr, aber voll wird es bei weitem nicht. An den ersten Sonnabenden sei die Linie zu 30 bis maximal 40 Prozent besetzt gewesen, sagt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer: "Wir haben also noch Potenzial und Platz für weitere Fahrgäste, sind aber durchaus zufrieden." Die Kosten für die Ringbahn zahlt die Stadt, sie kommen aus einem Topf des Verkehrsressorts. Für die ersten sieben Monate werden an die 290.000 Euro geschätzt. Ziel des Angebots ist es, die Innenstadt zu beleben, den Einzelhandel zu stärken und wieder mehr Fahrgäste in den öffentlichen Nahverkehr zu locken. In Bremen hatten sich zuletzt in der Pandemie laut BSAG die Fahrgastzahlen halbiert.
Fragt man bei den Fahrgästen der Ringbahn nach, dann erntet diese viel Lob. Für einige ist es allerdings persönlich nicht von Belang, dass die neue Linie kostenlos ist: Sie haben ohnehin ein Dauerticket. Hans-Jürgen Stumpf, der mit seiner Frau Tanja in die Innenstadt fährt, hat zum Beispiel ein Jobticket. Heute sind sie aus Oldenburg mit dem Zug nach Bremen gekommen. Bummeln, an der Schlachte schlendern, vielleicht ein Eis essen, das ist ihr Plan. In die 11 sind sie am Bahnhof eher zufällig eingestiegen. "Diese Linie ist eine gute Idee", sagt der 55-Jährige. "Und dass man nicht bezahlen muss, ist schon ein Bonbon."
Manche sind gezielt aus Neugier eingestiegen, andere ganz spontan. Alea Gessner aus Schwachhausen will auf dem Markt am Domshof einkaufen und fährt vom Bürgerpark zum Schüsselkorb. Sie stieg eher zufällig ein: "Ich wollte eigentlich in die Innenstadt laufen, aber dann bin ich doch eingestiegen, weil es so warm ist", sagt die 23-Jährige. "Ich war auch neugierig und habe mir gedacht: Warum nicht." Den Start der Ringbahn findet sie "sehr gut": "Ich denke, das kann schon das Einkaufen in der Innenstadt fördern, durch Corona ist ja viel weg gefallen, viele Leute kaufen mehr online ein." Wichtig ist ihr auch der Umweltfaktor – besser mit der Bahn in die Innenstadt als mit dem Auto, findet sie.