Auch in der Nacht zu Freitag kam es zu starken Regenfällen in Bremen. Vielerorts wurden Keller überflutet, verletzte Personen wurden der Feuerwehr nicht gemeldet.
Wieso kommt es zu Überflutungen des Bremer Kanalnetzes?
Aufgabe des Kanalnetzes ist es, das Abwasser abzuleiten. Von Starkregen-Ereignissen spricht Hansewasser bei einer Wassermenge von zwölf bis 23 Liter pro Quadratmeter – das schafft das Kanalnetz. Eine Menge ab 24 Litern nennt das Unternehmen Extremregen, mancherorts kamen am Donnerstagabend 60 Liter Wasser pro Quadratmeter vom Himmel, eine Menge, die die Kapazitäten an ihr Limit bringt: Von Regen besonders beanspruchte Kanäle werden vom Prozessleitcenter überwacht und gesteuert, mit Wehrklappen wird versucht, das Abwasser möglichst schnell abzuleiten. Zusätzlich wurde die Leistung der Abwasserpumpen hochgefahren, Regenrückhaltebecken funktionieren als Zwischenspeicher. Dennoch sei ein Rückstau nicht immer zu verhindern – wenn die Kanalisation die ganze Wassermenge nicht aufnehmen kann, wird es in die Abflüsse und in den Keller gedrückt
Wie stellt sich Bremen auf Starkregen-Ereignisse ein?
Fast alle Großstädte haben sich des Themas inzwischen angenommen. Berlin zum Beispiel hat vor fünf Jahren nach Amsterdamer Vorbild eine Regenwasseragentur gegründet, die mehr als 400 Hektar Berliner Fläche nach dem Schwammstadt-Prinzip entwickelt hat. Bremen gilt in Expertenkreisen auf diesem Gebiet als Vorreiter. Bremen hat schon vor mehr als zehn Jahren eine Klima-Anpassungsstrategie auf den Weg gebracht, das sogenannte KLAS-Projekt.
Was ist das KLAS-Projekt?
KLAS steht für Klimaanpassungs-Strategien. Das Projekt soll Maßnahmen entwickeln, um die Folgen extremer Regenereignisse zu reduzieren. Um eine gemeinsame Strategie zur Anpassung an eben diese extremen Regenereignisse zu formen, sollen alle relevanten Akteure in Bremen zusammentreffen. Dabei werden im Rahmen von KLAS Maßnahmen gebündelt, damit die Stadt wie ein Schwamm wirken kann.
Wie sehen konkrete Beispiele für eine Schwammstadt Bremen aus?
An mehreren Straßen wird Regenwasser nicht mehr direkt in die Kanalisation geleitet, sondern zwischengespeichert oder ohne Umwege zur Bewässerung an Bäume geführt. In einigen Nachbarschaften hat die Stadt auch die Straßenprofile geändert, zum Beispiel unterhalb des Osterdeichs. Am Borchersweg etwa hat die Straße jetzt ein V-Profil, also ihren tiefsten Punkt in der Mitte und dort eine Rinne samt neuer Gullys. Drittes Beispiel: Hansewasser selbst speichert am Verwaltungssitz in der Überseestadt Regenwasser in unterirdischen Zisternen und Schächten sowie oberirdisch auf Grünflächen und in einem Teich.
Was ist in Bremen noch geplant?
Bei Hansewasser ist angedacht, in größerem Stil Regenwasserzisternen unter der Stadt zu bauen, um, wie es heißt, „wertvolles Wasser zwischenzuspeichern, um dann in Trockenphasen wieder darauf zurückgreifen“ zu können. Außerdem versucht die Stadt Bremen, an Fördermittel aus dem Bundesprogramm zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ zu kommen. Bis 2026 sind Mittel bewilligt für Projekte mit „überdurchschnittlichen Investitionsvolumen oder hohem Innovationspotenzial“.
Wie war die Lage in der Nacht zum Freitag?
Besonders die Stadtteile Gröpelingen, Walle und Findorff waren von den teils extremen Regenfällen betroffen. Die Regenschreiber von Hansewasser haben während der Nachtstunden für die drei Stadtteile bis zu 60 Liter Wasser pro Quadratmeter gemessen – so viel wie sonst in einem ganzen Monat. Wie Feuerwehrsprecher Michael Richartz mitteilt, sind die ersten Feuerwehrkräfte gegen 23.45 Uhr ausgerückt. Insgesamt gingen etwa 1000 Notrufe ein, daraus ergaben sich etwa 500 Einsätze für die Kräfte der Berufsfeuerwehr, des Technisches Hilfswerks und der Freiwilligen Feuerwehr. Durch die Prognosen des Wetterdienstes sei eine gute Vorbereitung möglich gewesen.
Werden bestimmte Anrufe priorisiert behandelt?
Berichte von Personen, die mit ihrem 112-Anruf nicht durchgekommen sind, kann Feuerwehrsprecher Richartz bestätigen: "Wir versuchen das natürlich zu vermeiden, aber leider ist es dann zu Wartezeiten gekommen." Alle 13 Arbeitsplätze in der Leitstelle wurden besetzt, das Telefonaufkommen war hoch. Viele Bürger riefen bei der Feuerwehr an, wenn wenige Zentimeter Wasser im Keller stünden, sagt Richartz. Diese Fälle werden jedoch mit einer niedrigeren Priorität versehen als zum Beispiel ein Wohnungsbrand oder ein Herzinfarkt.
Was können Hauseigentümer tun?
Oliver Ladeur, Pressesprecher der Hansewasser GmbH, weist darauf hin, alle Räumlichkeiten, die sich unterhalb der Straßenoberkante oder Rückstauebene befinden, ordentlich zu sichern. Das gehe zum Beispiel mit einer Rückstauklappe, sagt Feuerwehrsprecher Richartz. Ein vergleichbares Szenario wie in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen können auch extreme Wassermengen nicht herbeiführen, teilt Ladeur mit. Bürgerinnen und Bürger können sich bei Hansewasser kostenlos zu Schutzmaßnahmen beraten lassen.