Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Wer wird Bremer Fußballchef? Von Haacke oder Zigon

An so etwas kann sich im Bremer Fußball niemand erinnern: Am Mittwoch kommt es zu einer Kampabstimmung in der Frage, wer den größten Sport-Fachverband des Landes demnächst führen soll. Der Ausgang ist offen.
13.11.2023, 17:05 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Stefan Freye

Der Begriff ist schon ein bisschen aus der Mode gekommen. Dabei ließ sich mit dem „Fußballkrimi“ doch so schön beschreiben, was für Spannung auf dem Fußballplatz gesorgt hatte. Nun darf gerätselt werden, was wohl an diesem Mittwoch in der Schwachhauser „Villa Bremen“ herauskommen wird. Auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Bremer Fußball-Verbandes kommt es schließlich zur Wahl eines neuen Präsidenten. Dabei stellen sich in Patrick von Haacke (58) und Jurij Zigon (53) zwei Kandidaten zur Abstimmung. Der WESER-KURIER fasst die wichtigsten Themen dieses etwas anderen Fußballkrimis zusammen.

Die Situation

Der neue Präsident folgt auf Henry Bischoff. Er vertrat den nach seiner Ernennung zum neuen Finanzsenator im Sommer zurückgetretenen Björn Fecker, hatte aber früh deutlich gemacht, dass er für eine langfristige Amtsausübung nicht zur Verfügung stehen würde. Die Suche nach einem Nachfolger begann entsprechend zeitnahe. Bereits am 14. August hatte sich das Präsidium aus Bischoff und den Vizepräsidenten Holger Franz, Ulrike Geithe sowie Friedrich Norden mit Patrick von Haacke, Jurij Zigon und Torsten Rischbode (Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses) als potenzielle Kandidaten ausgetauscht. Schnell war man sich einig, dass die Wahl dieses Gremiums auf von Haacke fallen würde. Allerdings: Das Präsidium ist gar nicht antragsberechtigt. Der dagegen zuständige Vorstand mochte die „Empfehlung“ des Präsidiums aber nicht einfach übernehmen und regte die Bildung einer Findungskommission an.

Das Kandidaten-Casting

Die elfköpfige Findungskommission wurde gebildet aus den vier Präsidiumsmitgliedern, zwei hauptamtlichen BFV-Mitarbeitern (Jens Dortmann, Sandra Menslage), den vier Vereinsvertretern Axel Viereck (Union 60), Thomas Kaessler (SC Borgfeld), Andreas Iversen (SFL Bremerhaven), Matthias Schmit (FC Burg) sowie dem Juristen Claus Böhrnsen. Sie lud die verbliebenen zwei Kandidaten - Torsten Rischbode hatte kein Interesse an der Kandidatur – zu Beginn des Oktobers zum Gespräch. Ihr Votum folgte den Vorstellungen des Präsidiums: Patrick von Haacke wird also vom BFV als neuer Präsident vorgeschlagen.

Der Wahlkampf

Es sollte nicht lange dauern, ehe Jurij Zigon erklärte, trotzdem zur Wahl antreten zu wollen. Damit haben die Delegierten des außerordentlichen Verbandstags nun tatsächlich die Wahl – und das kommt nicht oft vor. Im Bremer Fußball kann sich jedenfalls niemand an eine Präsidentenwahl erinnern, die mit mehr als einem Kandidaten durchgeführt wurde. Zumindest die letzten beiden „ordentlichen“ Präsidenten – Dieter Jerzewski (1992 – 2010) und Björn Fecker (2010 – 2023) waren jeweils ohne Gegenkandidaten gewählt und danach bestätigt worden. Angesichts der ungewöhnlichen Situation war der Wahlkampf schnell eröffnet: Jurij Zigon und Patrick von Haacke besuchten zuletzt zahlreiche Vereine, um für Stimmen zu werben. Dabei konnten beide auf eine lange Verbandsarbeit verweisen: Der Jurist von Haacke sitzt dem Ausschuss Recht und Satzung seit 2013 vor, ist seit 2007 für das Verbandssportgericht tätig und gehört seit 2014 dem Sportgericht des DFB an. Als IT-Fachmann eines Bremer Versorgers ist Zigon beim DFB ein gefragter Mann bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. Zudem gehört er dem Dachverband in diversen Gremien an, arbeitet seit 2000 im Verbandsjugendausschuss und ist seit 2010 dessen Vorsitzender.

Lesen Sie auch

Die Wahl

Der Präsident wird in geheimer Abstimmung und mit einfacher Mehrheit gewählt. Zu vergeben sind insgesamt 908 Stimmen. Sie setzen sich zusammen aus den rund 80 Vereins-Delegierten, die jeweils eine Stimme für jede in Pflichtspielen aktive Mannschaft abgeben (831). Dabei verfügen der SV Werder (34), der ATS Buntentor (32), der FC Union 60 (32) sowie der SC Borgfeld (31) und der TV Eiche Horn (31) über die größten Stimmanteile. Daneben werden 77 Stimmen durch die Mitglieder der BFV-Organe (Ausschüsse, Beirat, Vorstand) vergeben. Die Gesamtzahl von 908 Stimmen ist allerdings von theoretischer Natur, da wohl noch kein Verbandstag tatsächlich mit allen Delegierten durchgeführt wurde. So waren bei der letzten ordentlichen Versammlung in 2022 nur rund zwei Drittel der Einladung gefolgt. „Wir hoffen aber, dass aufgrund der Wichtigkeit dieses Verbandstages alle Delegierten erscheinen“, sagt BFV-Pressereferent Oliver Baumgart. Die Veranstaltung am Mittwoch steht natürlich ganz im Zeichen der Neuwahl. Zuvor wird Björn Fecker allerdings zum Ehrenpräsident des BFV ernannt, vermutlich begleitet von den warmen Worten der Ehrengäste Ulrich Mäurer (Senator für Inneres und Sport) und Ronny Zimmermann (1. DFB-Vize). Anschließend stehen die maximal zehnminütigen Statements von Zigon und von Haacke auf dem Programm. Danach folgt auch schon die Wahl und mit ihr die Beantwortung der spannenden Frage nach dem neuen BFV-Präsidenten.

Zur Sache

Zigons Argumente Jurij Zigon, warum treten Sie zur Wahl als BFV-Präsident an?

Jurij Zigon: Ich möchte den Bremer Fußball-Verband zukunftssicher aufstellen und in das Jahr 2030 führen. Dabei möchte ich aktuelle Themen angehen: Die Gewalt auf den Plätzen, insbesondere gegen Schiedsrichter, den Trainermangel, die Probleme mit den Trainingsbedingungen und dass die Vereine das Gefühl haben, dass sie nicht gehört werden.

Was bedeutet das konkret?

Wir müssen im Verband und gemeinsam mit den Vereinen prüfen, ob die Strukturen und Prozesse noch zeitgemäß sind oder ob wir etwas anpassen müssen, um den Anforderungen zu entsprechen. Daneben müssen wir mehr Kinder und Jugendliche in die Vereine holen und dort halten.

Sie würden den Verband also auf links drehen?

Ich würde ihn nicht auf links drehen, sondern Veränderungen durchführen, wo sie notwendig sind, und die guten Sachen fortführen.

An welche guten Sachen denken Sie?

Exemplarisch möchte ich hier den Frauen- und Mädchenausschuss mit Nantke Penner als Vorsitzende nennen. Hier sind wir von dem verwaltenden in den gestaltenden Modus gegangen. Das müssen wir auch in anderen Bereichen umsetzen.

Die Findungskommission hat Ihren Mitbewerber Patrick von Haacke vorgeschlagen. Empfinden Sie sich als Außenseiter ?

Davon gehe ich nicht aus. Ich habe in den vergangenen Wochen viel Rückhalt erfahren.

Sie sind seit dreizehn Jahren der Vorsitzende des Jugendausschusses, Mitglied im Vorstand und im Beirat. Zudem gibt es an Ihrer fachlichen Kompetenz keinen Zweifel. Warum genießen Sie keinen Rückhalt im Präsidium?

Da bin ich der falsche Ansprechpartner. In den Verbandsebenen kommt es auf eine konstruktive Zusammenarbeit an. Dabei stelle ich auch mal unangenehme Fragen und spreche Dinge an, die andere nicht sehen. Dies mag unbequem wirken, aber in der Verbandsarbeit sollte es immer um die Sache gehen.

Gelegentlich wird Ihre soziale Kompetenz infrage gestellt.

Ich habe dieses Feedback aufgenommen und reflektiert. Ich habe dabei gelernt, dass man Dinge auch anders angehen kann und so die Menschen besser mitnimmt. Lernen ist ein lebenslanger Prozess.

Sie waren zuletzt auf Wahlkampftour: Wie sah das Feedback zu Ihrer Person aus?

Die Vereine haben einen Anspruch darauf, die Programmatik der Kandidaten kennenzulernen. Diese Kommunikation ist sehr positiv aufgenommen worden, und ich habe ein gutes Gefühl vermittelt bekommen. Aber die Wahl wird ja an der Urne entschieden. Dennoch war es für mich eine ungewöhnliche Erkenntnis, wie negativ der Verband wahrgenommen wird und wie viel die Vereine auf dem Herzen haben.

Was machen Sie, wenn Sie nicht zum BFV-Präsidenten gewählt werden?

Meine Aufgabe als Vorsitzender des Jugendausschusses fortsetzen. In einer Mannschaft kommt ja auch nicht jeder mit jedem immer gut klar. Aber auf dem Platz gibt es ein gemeinsames Ziel.

Von Haackes Argumente

Patrick von Haacke, warum stellen Sie sich zur Wahl?

Patrick von Haacke: Der wichtigste Grund ist, dass die Position nicht besetzt war. Ich hätte nie einen Präsidenten aus seinem Amt drängen wollen. Daneben bin ich sehr höflich gefragt worden. Ich habe gründlich darüber nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich als Jurist und Mitarbeiter im Arbeitgeberverband absolut prädestiniert bin für diese Aufgabe.

Sie wurden jedenfalls von der Findungskommission vorgeschlagen. Sind Sie der Favorit?

Es liegt das Votum einer paritätisch besetzten Kommission des BFV vor. Ich denke schon, dass das ein Hinweis ist, den man nicht außer Acht lassen darf. Aber das Ergebnis steht erst nach der Wahl fest.

Sie gelten im Vergleich zu Jurij ?igon als der unbekanntere Kandidat. Woran liegt das?

Das liegt an meiner Aufgabe als Vorsitzender des Rechts- und Satzungsausschusses. Da wirst du in erster Linie von Vereinen oder Ausschüssen zu rechtlichen Einzelheiten gefragt. Das ist nichts, womit du nach außen auftrittst. Für mich als Jurist ist es aber ein extremes Lob, nach so langer Zeit noch im Stillen zu arbeiten. Meine Bekanntheit in den Gremien ist zudem sicher nicht zu unterschätzen.

Ihnen wird noch ein zweites Merkmal zugeschrieben: Patrick von Haacke steht für Kontinuität und nicht für Veränderung. Stimmt’s?

Das ist eine sehr überraschende Sicht der Dinge. Wir haben im BFV gerade eine riesige Strukturreform durchgeführt, die der Tatsache Rechnung tragen soll, dass es immer schwieriger wird, Menschen für ehrenamtliche Tätigkeiten in Verband und Vereinen zu gewinnen. Der BFV ist grundsätzlich im Haupt- und Ehrenamt sehr gut aufgestellt. Es hakt jedoch an manchen Stellen, und wir haben auch Kommunikationsprobleme, weil intern nicht vernünftig miteinander gesprochen wird. Diese Dinge müssen bearbeitet werden, und wenn wir Strukturen verändern müssen, dann wird das gemacht. Grundsätzlich habe ich aber ein Problem damit, dass ein neuer Präsident automatisch alles ändern muss.

Wo sehen Sie die Herausforderungen?

Der Kinder- und Jugendfußball ändert sich durch die Verlängerung von Schulzeiten. Ziel muss es sein, in die Schulen zu kommen, eventuell in Zusammenarbeit mit anderen Verbänden. Denn in den Schulen gibt es ein generelles Desinteresse an Schulsport. Auch der Mädchenfußball ist eine große Herausforderung. Hier müssen wir mehr Mädchen dazu motivieren, einen tollen Sport im Verein auszuüben. Dies geht jedoch nur, wenn die Vereine auch entsprechende Angebote machen können. Beides zu schaffen, muss das gemeinsame Ziel sein. Zudem müssen die zunehmenden Gewaltauswüchse untereinander und vor allem gegen unsere Schiedsrichter entschieden bekämpft werden.

Was passiert, wenn Sie nicht gewählt werden?

Nichts. Dann ist Jurij der Präsident. Ich bin bis zum Ende der Legislaturperiode gewählt.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)