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Fäkalien im Flusswasser Olympiasieger Wellbrock fordert einen Plan B

Fäkalien in der Seine: Olympiasieger Florian Wellbrock fordert einen Plan B für die Freiwasserwettbewerbe der Olympischen Spiele in Paris. "Kein Mensch weiß, was da auf uns zukommt", sagt der gebürtige Bremer.
04.07.2024, 13:58 Uhr
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Olympiasieger Wellbrock fordert einen Plan B
Von Frank Büter

Die Seine mit ihrer malerischen Kulisse inmitten von Paris ist für den 26. Juli zum zentralen Schauplatz der Eröffnungsfeierlichkeiten der Olympischen Spiele 2024 auserkoren worden. Mehrere Tausend Athleten aus aller Welt sollen an dem Abend in rund 160 Booten eine sechs Kilometer lange Flussstrecke entlang der Sehenswürdigkeiten zurücklegen und für traumhafte Bilder bei den übertragenden Fernsehstationen sorgen. In den Tagen danach soll die Seine zwischen Eiffelturm und Invalidendom zudem auch Austragungsstätte der Schwimmwettbewerbe im Triathlon und im Freiwasser sein. Ein Vorhaben, das den Organisatoren aktuell allerdings noch Kopfzerbrechen bereitet, denn das Wasser im Fluss ist trotz aller Bemühungen noch nicht wirklich olympiareif.

Bei den wöchentlichen Wasserproben lagen die Testwerte für E.coli-Bakterien als Schlüsselindikator für Fäkalien noch Ende Juni über den von den Sportverbänden vorgeschriebenen Höchstwerten. Ein Testwettkampf im Freiwasserschwimmen musste deshalb zwischenzeitlich abgesagt worden – und auch das für den 23. Juni werbewirksam geplante Bad der Pariser Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo in der Seine wurde verschoben. Erst Anfang Juli hat sich die Qualität nun soweit verbessert, dass sie erstmals den europäischen Normen entspricht, heißt es einem Bericht, den Stadt und Region jetzt veröffentlicht haben. Grundsätzlich besteht aber weiterhin Anlass zur Sorge, denn die Wasserqualität ist eben noch nicht auf dem Niveau, dass dort die Schwimmwettbewerbe verlässlich austragen werden können. Und auch die zurzeit hohe Strömungsgeschwindigkeit mit zwei Metern pro Sekunde spricht im Moment noch gegen eine Austragung der Wettbewerbe in der Seine.

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Die Diskussionen um das mit Krankheitserregern belastete Flusswasser beschäftigen natürlich nicht nur die Organisatoren, sondern auch die Athleten, die sich in diesen Tagen auf diese Wettkämpfe vorbereiten. "Das ist ein großes Thema“, bestätigt Freiwasser-Olympiasieger Florian Wellbrock. „Ich versuche zwar, da nicht zu viel Energie reinzustecken, aber es betrifft uns natürlich unmittelbar. Und es ist so ärgerlich, weil wir es überhaupt nicht beeinflussen können.“ Angesichts der Probleme mit der Wasserqualität steht für den gebürtigen Bremer hinter dem Freiwasserschwimmen zurzeit ein großes Fragezeichen. "Kein Mensch weiß, was da auf uns zukommt", sagt Wellbrock dem WESER-KURIER und ergänzt: „Es ist ganz gut, dass für uns Athleten zuerst die planbaren Wettbewerbe im Beckenschwimmen anstehen.“

Wellbrock ist für Paris in drei Wettbewerben nominiert. Der 26-Jährige startet zunächst über 800 und 1500 Meter Freistil und im Anschluss noch über zehn Kilometer Freiwasser, wo er bei den Olympischen Spielen 2021 in Japan die Goldmedaille gewonnen hat. Bei seinem Triumph im Odaiba Marine Park in der Bucht vor Tokio hatte er seinerzeit mit Wassertemperaturen von mehr als 29 Grad, geringer Sichtweite im trüben Wasser und starker Sonneneinstrahlung kämpfen müssen. Fäkalien, Pestizide und Abfall, wie sie nun in der Seine zu finden sind, waren indes kein Thema. „Alles, was hier gerade passiert, ist paradox und undurchsichtig. Wir Sportler können da nur mit dem Kopf schütteln“, sagt Florian Wellbrock.

Das Problem scheint grundsätzlich hausgemacht. Schließlich ist das Baden in der Seine bereits seit mehr als 100 Jahren verboten. Über Jahrzehnte hinweg sind jährlich Zig-Millionen Kubikmeter Abwasser aus Haushalten, aus der Industrie und von Hausbooten ungefiltert in die Seine geflossen. Die Bemühung, die Wasserqualität zu verbessern, hatte erst durch die Vergabe der Spiele nach Frankreich einen großen Schub bekommen. Für eine saubere Seine im Großraum Paris und die geplanten Wettbewerbe im Fluss wurden nach Angaben der Stadt in den vergangenen Jahren 1,4 Milliarden Euro in Kläranlagen und das Abwassersystem investiert. Unter anderem wurden dabei 23.000 Wohnungen, die ihre Abwässer bisher noch ungereinigt in die Seine geleitet hatten, an die Kanalisation angeschlossen. Außerdem wurde ein riesiges Überlaufbecken gebaut, sodass die Kanalisation bei starkem Niederschlag nicht wie bisher in die Seine überläuft.

Probleme gibt es aber weiterhin. Vor allem bei starken Regenfällen ist die Belastung der Seine mit Krankheitserregern zu hoch. "Wir brauchen besseres Wetter, damit sich die Wassermenge reguliert, um eine für das Baden zufriedenstellende Wasserqualität zu erreichen", sagte der stellvertretende Pariser Bürgermeister Pierre Rabadan der Zeitung "Libération". Bei höheren Temperaturen und einem niedrigeren Wasserstand würden die Erreger im Wasser schneller abgebaut werden. "Wenn die Wetterbedingungen stimmen, können die Schwimmwettbewerbe in der Seine stattfinden", sagte auch IOC-Präsident Thomas Bach am Rande der Eröffnungsfeier des CHIO in Aachen dem WDR. Noch habe man Zeit, ergänzte Bach.

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Während der Olympischen Spiele wird die Wasserqualität in der Seine laut Auskunft des Veranstalters jeden Tag an 30 verschiedenen Orten gemessen. Und sollten die Werte zu schlecht sein, wird erwogen, die Wettkämpfe jeweils um einen Tag zu verschieben. Florian Wellbrock fragt sich indes, was solch eine Maßnahme bewirken soll: "Der Fluss reguliert sich nicht über Nacht auf gute Werte.“ Der Freiwasser-Doppelweltmeister von 2023 möchte nicht einfach auf Sonne hoffen und das Thema beiseiteschieben. „Man bräuchte jetzt schleunigst einen Plan B“, fordert Wellbrock deshalb. Der Bremer steht mit dieser Forderung nicht allein. Schon im Frühjahr hatte die Brasilianerin Ana Marcela Cunha, Freiwasser-Olympiasiegerin von Tokio, die Organisatoren aufgefordert, nach einer Alternative zu suchen. "Es ist besorgniserregend. Die Gesundheit der Athleten muss an erster Stelle stehen", sagte Cunha im Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP. "Die Seine ist nicht zum Schwimmen gemacht."

Im Interesse der Gesundheit und der Planungssicherheit regt Wellbrock daher ebenso wie die deutsche Doppelweltmeisterin Leonie Beck eine Verlegung der Freiwasserwettbewerbe an. „Es wäre wünschenswert, auf die Regattastrecke der Ruderer auszuweichen“, sagt Wellbrock. Die Ruderer tragen ihre Wettbewerbe vom 27. Juli bis zum 3. August im 24.000 Zuschauer fassenden Ruderstadion in der französischen Stadt Vaires-sur-Marne aus. Da die Freiwasserwettbewerbe der Damen und Herren erst am 8. beziehungsweise 9. August angesetzt sind, wäre das zeitlich sogar machbar.

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