Es war, nun ja: gut gelaufen. Am ersten Maiwochenende war der Langstreckenläufer Sebastian Kohlwes nach Wassenberg gefahren. In dem kleinen Stadion der kleinen Stadt nahe der holländischen Grenze wurden die d eutschen Meisterschaften über 5000 und 10.000 Meter ausgetragen. Kohlwes, von Werders Leichtathletik-Abteilung unter der Rubrik "Top-Athleten" gelistet, trat in der Mastersklasse M35 an. Seit Februar ist er 35 Jahre alt. Er benötigte für die fünf Kilometer nur 15:21,97 Minuten, so wenig wie noch nie ein Bremer in der M35, und wurde deutscher Vizemeister dieser Altersklasse. Der SV Werder stellte eine Erfolgsmeldung und ein Kohlwes-Bild aus Wassenberg auf seine Homepage.
Was folgte, lief nach Darstellung des Athleten jedoch überhaupt nicht mehr rund. Ihn erreichte kurz nach dem Wettkampf eine Rechnung des Vereins über 23 Euro. Die Startgebühr für den Start in Wassenberg. 23 Euro sind, für sich gesehen, kein Betrag, der bei Sebastian Kohlwes eine finanzielle Notlage auslöst. Er hat einen Job in Bremen, sein Arbeitgeber heißt Mercedes-Benz. Doch er war ob der Rechnungsstellung enttäuscht, verärgert bis wütend. So beschreibt der Läufer seine Gemütslage.
"Das hat dann nichts mehr mit Wertschätzung mir und allen anderen Seniorensportlern gegenüber zu tun", schrieb er dem WESER-KURIER. Kleidung und Fahrtkosten und oft auch die Startgebühren trage er ja ohnehin selbst. Dass einerseits mit seinem Gesicht als "Top-Athlet" geworben werde und andererseits nicht mal bei deutschen Meisterschaften das Startgeld drin sei, könne er nicht nachvollziehen. Das kenne er von anderen Vereinen anders. Sebastian Kohlwes schickte dem Verein, dem er seit 2021 angehört, eine sofortige Kündigung. Er werde sich einen neuen Verein suchen, noch habe er keinen im Auge. Seinen monatlichen Mitgliedsbeitrag beim SV Werder in Höhe von 14 Euro müsse er jetzt noch bis zum Juni 2025 entrichten. So seien die Fristen, sagt er.
23 Euro Startgeld für den Meisterschaftsstart eines Vorzeige-Läufers? Hätte man da nicht mal eine Ausnahme machen können? Ja, hätte man, gibt Enrico Oelgardt zu, der Leichtathletik-Abteilungsleiter beim SV Werder. Doch dann käme der Nächste und dann der Übernächste, wo solle man da die Grenze ziehen? So viele Ausnahmen könne sich die Abteilung, die er ehrenamtlich führt, nicht leisten, sagt Oelgardt. "Das könnten wir mit unserem Budget nicht stemmen", sagt er. Anders als die Fußballsparte, die Handballerinnen, Schachspieler und Tischtennis-Profis, gehören die grün-weißen Leichtathleten nicht zur GmbH & Co KG aA, also zu dem Teil Werders, der wie eine Firma betrieben wird. Das Budget für die Sprinter, Springer, Werfer, Läufer ergibt sich hauptsächlich aus den Mitgliedsbeiträgen. Für die Startgebühren habe der Verein die beim Bremer Leichtathletik-Verband gängige Regelung übernommen: Für die Athleten in den Jugend- und Hauptklassen werden die Gebühren vom Verein getragen, für die Seniorenklassen nicht. Kohlwes ist Seniorenklasse.
Sebastian Kohlwes und Enrico Oelgardt haben miteinander telefoniert, das bestätigen beide. Sie bestätigen auch beide, dass sie die jeweils andere Seite zumindest in gewisser Weise verstehen können - und dass es nicht um das geht, was man in der Tat nicht mehr verstehen würde. "Es geht nicht ums Geld", sagt der Läufer, der die 23 Euro für seinen Lauf zahlen soll. "Es geht nicht um fehlende Wertschätzung", sagt der Funktionär, der dem Läufer die 23 Euro nicht erlassen will. Der unaufgelöste Konflikt erzählt damit ungewollt von den Widrigkeiten, die sich im gehobenen Amateursport auftun, und die einer Sportart wie Leichtathletik mehr zu schaffen machen als der deutschen Nummer-eins-Sportart Fußball. Hier ein Läufer, der viel Freizeit drangibt, um im Trikot mit dem Werder-W vorneweglaufen zu können - dort ein Ehrenamtler, der viel Freizeit dafür drangibt, um die Abteilung mit dem W auf dem Trikot am Laufen zu halten.
Dass die Geschichte noch ein Happy End bekommt, ist nicht zu erwarten. Sein Entschluss stehe fest, sagt Sebastian Kohlwes. Letztlich könne er nicht nachvollziehen, "dass man im Endeffekt gar nichts davon hat", für den SV Werder zu starten. Es gibt in dieser Sache offenbar nur eine Art indirektes Happy End. Er habe viele Freunde gefunden in seinen drei Werder-Jahren, er gehe weg wegen dieser starren Statuten und keineswegs wegen der Leute aus dem Laufteam beim SV Werder. Denn die seien super. Sebastian Kohlwes sagt: "Das ist mir wichtig, das zu sagen."