Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Fischtown Pinguins Die Rebellen von der Nordsee

Wieder stehen sie im DEL-Viertelfinale. Diesmal haben sie es trotz einer Personalnot geschafft, die die Pinguins früher so nicht verkraftet hätten. Eigentlich haben sie gegen München keine Chance. Eigentlich.
13.03.2023, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Die Rebellen von der Nordsee
Von Olaf Dorow

Das Gespräch liegt eine Woche zurück. Pinguins-Manager Alfred Prey, so erzählt er es, traf Pinguins-Kapitän Jan Urbas. Prey sagte: "Sch...! Ich hatte auf Frankfurt gehofft." Es wurde aber nicht Frankfurt Tabellenneunter, sondern das wurde Nürnberg. Gegen die Ice Tigers hatten die Fischtown Pinguins alle vier Spiele der DEL-Hauptrunde verloren, nun waren ausgerechnet sie der Gegner in der Pre-Play-off-Runde. "Mach dir keine Sorgen", soll Urbas geantwortet haben, "die haben alle Hauptrunden-Spiele gewonnen, wir werden alle Play-off-Spiele gegen sie gewinnen."

So kam es. Urbas traf und traf, Bremerhaven besiegte den vermeintlichen Angstgegner, brauchte am Sonntag nicht mal ein drittes Match dazu im Modus best-of-three, und Alfred Prey konnte am Sonntag sagen: "Ist einfach angenehm. Diesen Nervenkitzel braucht man nicht jedesmal." Jetzt sind die Pinguins sozusagen in der angenehmsten Konstellation gelandet, die man sich vorstellen kann, auch wenn sie gegen den unangenehmsten Gegner der gesamten Liga aufs Eis müssen: Sie stehen ab Mittwoch im Viertelfinale gegen die Übermannschaft dieser Saison, Red Bull München, und zwar im Modus best-of-seven. "Die haben die beste Mannschaft mit dem besten Stürmer der DEL, das ist eine Ausnahmemannschaft", sagt Prey. Niemand gebe da doch einen Pfifferling auf den Underdog von der Nordsee. David gegen Goliath sagt man dazu gerne im Sport. Der Außenseiter hat eigentlich keine Chance, genau das ist seine Chance. Er hat nichts zu verlieren, der Favorit hat viel zu verlieren. Prey greift nach einem Bild und findet es in der Literatur. "Rebellion der Verlorenen, das ist es. Kennen Sie den Roman?", fragt er.

Die Rebellen von der Nordsee – das ist seit Jahren ein recht passender Titel für das Auftreten der Fischtown Pinguins. Sie sind quasi das Union Berlin des deutschen Eishockeys. Prey gefällt auch dieses Bild. Mit kleinen Mitteln halten sie sich im Konzert der Großen und sind dabei in dieser Saison die Stufe hinauf zu einem neuen Leistungsniveau geklettert. Zehn Wochen lang, rechnet der Manager vor, hätten sie ohne sieben Leistungsträger auskommen müssen, dennoch stehen sie erneut im DEL-Viertelfinale. Zum dritten Mal nach 2017 und 2018 übrigens gegen München. Er mag sich das Was-wäre-wenn-Szenario gar nicht ausmalen, sagt Prey. Was wäre gewesen, wenn es in dieser Saison nicht so eine Häufung von Verletzungen gegeben hätte? Im ersten Saisonabschnitt, als noch fast alle Profis gesund waren, standen die Pinguins in der Tabelle weit oben, vorübergehend sogar ganz oben.

Gegen Nürnberg, die Mannschaft, die ihr nicht liegt, fehlte der Mannschaft von Erfolgstrainer Thomas Popiesch auch wieder ein Quartett der Leistungsträger. Weder Nicholas Jensen noch Skyler McKenzie, Antti Tyrväinen oder Ross Mauermann stand auf dem Eis. "Vor fünf Jahren hätten wir diese Ausfälle nicht so wegstecken können, dass wir ins Viertelfinale einziehen", sagt Alfred Prey. Auch das zeige, was an der Nordseeküste gewachsen ist. Es herrscht dort eine Art Musketier-Mentalität. Einer für alle, alle für einen. "Kampfmentalität" nennt Prey das, und wenn man erst mal anfängt, mit ihm über diese besondere Mentalität in der Tradition eines Arbeiterklubs zu fachsimpeln, dann greift er zu immer neuen Superlativen und Superbeschreibungen. Dann ist der dänische Stürmer Christian Wejse "eine Kampfmaschine, eine reine Kampfmaschine". 

Lesen Sie auch

Es scheint vor allem diese gewisse Wechselwirkung zu sein, die Bremerhavens größtes Pfund als angeblich kleinster DEL-Klub ist. Seit Jahren verpflichten Trainer Thomas Popiesch und seine Manager Alfred Prey und Hauke Hasselbrink Spieler, die in diese, nun ja: Kampfmentalitäts-Philosophie passen. Und seit Jahren wachsen Spieler in Bremerhaven zu kompromisslosen Kämpfern heran. Es sind selten sogenannte fertige Spieler, aber hier bekommen sie ihre Eiszeiten, um welche zu werden. Es liegt an ihnen, das ist womöglich nicht überall so in der Szene.

So ist am Wilhelm-Kaisen-Platz etwas entstanden, das in der gesamten Szene hoch gelobt wird. "Die Mannschaft glaubt an ihre Stärken", sagt Alfred Prey. Jeden Tag gehe er in die Kabine und sehr oft hört er dann den oben zitierten Satz von Jan Urbas: "Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das hin."

Dass sie es auch gegen das Top-Team Red Bull München hinkriegen, dessen Angreifer Yasin Ehliz am Wochenende von der Liga zum besten Stürmer und auch gleich noch zum besten Spieler des Jahres gewählt wurde, ist nun die sportlich größte Herausforderung einer herausfordernden Saison. Ausgemacht ist ein Münchner Durchmarsch allerdings nicht. Die Hauptrundenbilanz der Bremerhavener gegen den Spitzenreiter ist besser als die gegen Nürnberg. Von den vier Spielen konnten die Pinguins immerhin zwei gewinnen. Nach dem Auftakt am Mittwoch in Bayern wird es am Freitagabend das erste Bully in der Eisarena am Kaisen-Platz geben. Der Vorverkauf laufe super, sagt Prey. Die Arena werde ausverkauft sein.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)