Es lief bereits die drittletzte Minute, als Julia Micheel in der Partie gegen den Großflottbeker THGC den Ball zum umjubelten 2:1-Endstand ins Tor jagte. Danach gab es kein Halten mehr. Die Fans auf der vollbesetzten Tribüne in der Halle am Heinrich-Baden-Weg standen. Sie klatschten. Im Takt der Trommel zählten sie die verbleibenden Sekunden von der Uhr. Und sie wischten sich die ersten Freudentränen aus dem Gesicht. Dann war Schluss – und der Bremer HC hatte es mit diesem Husarenstreich tatsächlich noch geschafft, den Abstieg aus der Hallenhockey-Bundesliga Nord abzuwenden. Möglich wurde dies zum einen durch den 7:5-Erfolg am Vortag beim direkten Konkurrenten Eintracht Braunschweig. Möglich wurde dies am Sonntag aber auch nur deshalb, weil der BHC gegen Großflottbek den so dringend benötigten zweiten Saisonsieg nachlegte und Braunschweig parallel beim Club an der Alster mit 1:9 verlor.
Der Klassenerhalt in quasi letzter Sekunde war also eine Punktlandung. Und er gelang auch deshalb, weil der BHC bei diesem Saisonfinale erstmals wieder auf Lena Frerichs zurückgreifen konnte. Die A-Nationalspielerin hatte nach ihrem Kreuzbandriss im Mai vergangenen Jahres viele Monate zielstrebig auf ihr Comeback hingearbeitet und zuletzt auch schon wieder am Mannschaftstraining teilgenommen. Pünktlich zum abschließenden Doppelspieltag gab es nun für die Olympiakandidatin auch grünes Licht von der medizinischen Abteilung. Ihr Mitwirken sollte sich auszahlen: Lena Frerichs verlieh dem Spiel allein schon durch ihre Anwesenheit, aber natürlich auch durch ihre Übersicht und Passsicherheit eine höhere Qualität. Zudem sorgte sie gegen den GTHGC mit einem Eckentor auch für die so wichtige Führung. Noch Minuten nach dem glücklichen Ende kämpfte Lena Frerichs mit den Tränen. "Keiner hat mehr an uns geglaubt", sagte sie. "Aber wir haben diese Chance für uns noch gesehen – und das hat uns auch so stark gemacht. Wir haben noch mal gezeigt, wie geil wir Hockey spielen können. Unser Zusammenhalt war großartig."
Frerichs Rückkehr habe der Mannschaft Sicherheit und Stabilität gegeben, sagte der Vorsitzende Henning Mühl, der zuvor mit Fanschal um den Hals auf der Tribüne mitgefiebert hatte. Für den Klub sei es ungeheuer wichtig, weiter Erste Liga zu spielen, sagte er: "Wir wollen und können hier weiterhin Leistungshockey auf oberstem Niveau bieten. Die Saison war vorher leider nicht so erfolgreich, doch heute hat sich die Mannschaft endlich auch mal belohnt."
Für die langjährige Stammkraft Lea Albrecht war dieses Hockey-Drama zugleich der letzte Auftritt im BHC-Trikot. Sechs Jahre lang ist sie regelmäßig von ihrem Studien- und Arbeitsort Groningen nach Bremen gependelt. Da sie an diesem Montag beruflich nach Garmisch-Partenkirchen wechselt, zieht die 28-Jährige nun einen Schlussstrich unter das Kapitel Leistungssport. "Besser als mit so einem emotionalen Nichtabstieg kann man eine Karriere doch gar nicht beenden", sagte Lea Albrecht. Als der Gegner in der 48. Minute zum zwischenzeitlichen Ausgleich kam und der BHC in dem Moment doch wieder auf den Abstiegsplatz gerutscht war, da hätten ihr schon die Beine gezittert, gab Albrecht zu. "Aber wir haben an uns geglaubt und weiter gekämpft."
Unfassbar sei das, jubilierte Teamkameradin Natalie Hoppe, mit 15 Saisontreffern die torgefährlichste BHC-Spielerin in dieser Hallenrunde. "Wir hatten heute das Quäntchen Glück, aber auch das Quäntchen Überzeugung auf unserer Seite", sagte die U21-Nationalspielerin. "Ich bin stolz auf unser Team und darauf, dass wir das noch geschafft haben." Stolz war auch BHC-Trainer Florian Keller. Er habe bis zuletzt an die Mannschaft geglaubt und sei sehr zuversichtlich gewesen, diese beiden letzten Spiele gewinnen und den Abstieg noch verhindern zu können. "Das sind echte Highlightspiele, die mit so einer Kulisse dann auch richtig Spaß machen – auch wenn man natürlich keine Garantie hat, dass es klappt", sagte Keller. Umso größer sei deshalb die Erleichterung gewesen, als Julia Micheel spät zum 2:1 traf, "das war eine riesige Befreiung".