Sechs Tage auf See und rund 700 Seemeilen überwinden – das will eine Crew aus sieben Männern um den Bremer Rechtsanwalt Dirk Lahmann. Die Männer, die alle um die 60 Jahre alt sind, nehmen am Fastnet Race teil, einer prominenten Segelregatta im Ärmelkanal und der keltischen See. Erfahrung im Regattasegeln haben die Teilnehmer so gut wie keine. Und warum segeln sie trotzdem mit?

Der Segler Dirk Lahmann hat sich einen Lebenstraum erfüllt.
"Die Snifix gehört einfach auf die Fastnet", sagt Dirk Lahmann. "Snifix Dry" ist der Name des Schiffes, mit dem seine Crew an der Regatta teilnimmt. Er hat es 2011 mit seiner Frau gekauft. Seit jeher wollte er mit der Segeljacht an der Fastnet teilnehmen. Im Jahr 2019 – die Regatta findet alle zwei Jahre statt – fasste er schließlich den Entschluss: "Ich hatte wie immer zugeschaut und dachte nur 'Verdammt, mach es doch endlich und nimm daran teil'", erinnert sich Lahmann. Seit Sonntag, 8. August, ist die Mannschaft unterwegs. Am Mittwochvormittag lagen sie im unteren Mittelfeld ihrer Klasse IRC4 auf Platz 45. In der Gesamtwertung reichte das zu Platz 196 von 231 noch segelnden Booten.
Die sieben Crewmitglieder kommen aus der gesamten Bundesrepublik: Skipper Dirk Lahmann und Bruder Karl-Henry sind Bremer, Erhard Zimmermann lebt in Berlin, Mathias Barghoorn und Uli Osterhues kommen aus Oldenburg, Werner Lange reist aus Laboe an, und Navigator Willie Demel stammt aus Schmitten im Kreis Hochtaunus. Segelerfahrung haben alle. Aber eine Regatta hat noch niemand absolviert. Tatsächlich ist die Besatzung noch nie in der geplanten Besetzung gemeinsam unterwegs gewesen. "Wir waren bisher nur in Teilzusammensetzungen unterwegs", sagt Lahmann, etwa zur Vorbereitung oder um Seemeilen für die Qualifikation zu sammeln.
Für den Bremer Segler, die derzeit kurz vor Irland durch die keltische See preschen, ist aber klar: "Wir werden nicht als Touristen durch die Gegend schippern." Vor der Abfahrt in das französische Cherbourg, wo das Wettsegeln für die deutsche Crew startet, haben alle sieben Segler die Endplatzierung der "Snifix Dry" getippt und ihre Tipps in einen Umschlag versiegelt. Zu gewinnen gibt es nichts, wohl auch, weil die Tipps geraten sind. Denn: "Wir haben keine Idee, wie wettbewerbsfähig wir sind", sagt Lahmann. Seit Ausbruch der Pandemie wurde so gut wie gar nicht gesegelt. Es fehlen also Referenzpunkte.
"Wir sind ordentliche Segler, aber das sind die anderen ganz sicher auch", vermutet der Rechtsanwalt. Zudem gilt es, das Boot zu berücksichtigen. Die im Design der 1970er-Jahre bemalte Segeljacht mit einer Gesamtlänge von 13,03 Metern wurde 1978 gefertigt. Sie ist klassifiziert als IOR-2-Tonner, ein gängiger Schiffstyp in den 1970er-Jahren. Anders als Schiffe gleicher Bauart, hat die "Snifix" allerdings einen flacheren Rumpf, um die Nordsee mit Tidengang und Wattenmeer besser zu befahren. Bei Gegenwind könne die "Snifix Dry" gut mit modernen Schiffen mithalten. Bei Rückenwind oder Flaute sei das schwieriger.
Zunächst musste die Besatzung aber den Startpunkt der Regatta erreichen. In Zeiten der Pandemie gar nicht so einfach. Eigentlich beginnt das Wettsegeln vor Cowes auf der Isle of Wight im Vereinigten Königreich. Reisen nach und von dort sind bekanntlich mit Quarantäneregelungen verbunden. Als Glücksfall für die nichtbritischen Teilnehmer unter den 450 Segelschiffen erwies sich, dass die Organisatoren seit einiger Zeit Platz für mehr Teilnehmer schaffen wollten. Deshalb wurde der bisherige Zielhafen im englischen Plymouth gegen Cherbourg getauscht. Dort konnten nun die Segler starten, die keine Quarantäne auf sich nehmen wollten. "Wir fahren von Cherbourg nach Cowes und segeln ohne festzumachen – sozusagen mit einem fliegenden Start – direkt los", erklärt Lahmann.
Die Route führt von der Meerenge bei Cowes vorbei an Land's End, dem westlichsten Punkt Englands, bis zum Felsen Fastnet Rock kurz vor Irland. Anschließend geht es über die westlich vor England liegenden Scilly-Inseln nach Cherbourg in der Normandie. Läuft alles gut, schafft die Crew 120 Seemeilen pro Tag und beendet die Fahrt in sechs Tagen. Damit durchgehend gesegelt werden kann, ist die Mannschaft in zwei Vier-Stunden-Wachen à drei Personen eingeteilt. Als siebte Person legt Navigator Demel seine Wachen je nach Bedarf. Gefragt ist er insbesondere auf den im Ärmelkanal liegenden Teilstrecken. "Diese Etappen sind unter anderem abhängig vom Tidengang. Da ist unser Navigator besonders wichtig", sagt Lahmann. Demel muss die Crew so lotsen, dass sie stets zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Ziel ist es unter anderem, die Bewegung des Meeresspiegels zum eigenen Vorteil zu nutzen oder zumindest nicht von ihr behindert zu werden.

Der Blick auf die Jacht von oben.
Um bei dem straffen Programm in der eigenen Wertungsklasse erfolgreich zu sein, müssen die sieben Männer an der Spitze ihres Feldes im Ziel einlaufen. Die Handicap-Regelung bewertet die "Snifix Dry" stärker als viele Mitbewerber. Sollte das nicht gelingen, wäre die Regatta dennoch keine Enttäuschung. "Wir sehen das ganze Projekt auch mit einem kleinen Augenzwinkern. Wenn wir gut gesegelt sind und uns nicht haben hängen lassen, werden wir zufrieden sein", sagt Lahmann. Einzig: Auf den Ehrenpreis "Last Ship Home" für die letzte Jacht, die Cherbourg erreicht, wollen die sieben Segler sehr gerne verzichten.