Der Mai 2023 war alles andere als ein Wonnemonat für die Hockeydamen des Bremer HC. Gefühlt hat das Team eben noch um den Einzug in die Play-off-Runde zur deutschen Feldmeisterschaft gespielt – und steht keine zwei Wochen später vor den Scherben einer Saison, die viele Hochs und am Ende ein ganz kräftiges Tief zu bieten hatte. Nach nur einer Spielzeit steigt der Bremer Vorzeigeklub wieder aus der 1. Bundesliga ab. Unverhofft und irgendwie auch unglücklich. "Der Abstieg war ärgerlich", hadert Vorstandsmitglied Sarat Maitin. "Einfach nur ärgerlich."
Jetzt, rund sechs Wochen später, kann man nicht behaupten, dass die Tränen beim Bremer HC getrocknet wären. Dafür wirken die Ereignisse noch zu sehr nach. Angefangen – natürlich – bei der schweren Verletzung von A-Nationalspielerin Lena Frerichs, die sich im letzten Hauptrundenspiel gegen München am 7. Mai einen Kreuzbandriss zugezogen hat und zwischenzeitlich schon operiert worden ist. "Mit Leni", vermutet BHC-Cheftrainer Florian Keller, "mit Leni wären wir wohl nicht abgestiegen."
Der 41-Jährige war selbst Nationalspieler. Er hat mit der Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking die Goldmedaille gewonnen. Er war Europameister und mehrfach Torschützenkönig der Bundesliga. Kurz gesagt: Florian Keller, seit Anfang Dezember auch Sportlicher Leiter beim BHC, hat in seiner Laufbahn einiges erlebt. "Der Sport", sagt Keller nun, "schreibt immer wieder Geschichten. Und wenn man denkt, man hat schon alles erlebt, kommt etwas Neues hinzu – manchmal eben auch auf tragische Weise."
Der unverhoffte Abstieg kommt in der Tat einer Tragödie gleich. Und er schmerzt. Denn er hat den ambitionierten Klub in seiner Entwicklung für mindestens ein Jahr zurückgeworfen. Aber, das betont Keller auch, als Sportler müsse man solche Rückschläge annehmen, "auch das gehört dazu". Lamentieren nützt nichts, die Arbeit ruft. In Vorbereitung der kommenden Saison in der 2. Bundesliga Nord hält dieser Sommer nun einige Herausforderungen bereit für den BHC. Unter veränderten Vorzeichen gilt es, strukturell und personell einige Weichen neu zu stellen.
Die wichtigste Nachricht gibt es dabei vorweg: "Die Sponsoren bleiben uns alle treu, finanziell können wir unseren Weg weitergehen", sagt Sarat Maitin. Das sei wichtig. "Unser Ziel ist der Wiederaufstieg – und deshalb wird eine Saison in der zweiten Liga auch nicht günstiger", erklärt Maitin. Gleichzeitig werde man aber auch daran festhalten, den Fokus auf die Ausbildung der Jugend zu richten und weiter nachhaltige Nachwuchsarbeit zu betreiben. In der Vergangenheit ist dies bereits gut gelungen. Acht deutsche Meisterschaften im weiblichen Jugendbereich innerhalb weniger Jahre und der herausragende Gewinn des Europapokals der U19 im April dieses Jahres sind ein klarer Beleg für die erfolgreiche Arbeit. "Wir wollen diesen Weg mit unseren jungen Leuten weitergehen", sagt auch Cheftrainer Keller.
Um Bremen schnell wieder auf die Bundesliga-Landkarte zurückzubringen, bedarf es gleichwohl auch einer gewissen Erfahrung und einer Qualität, die sich vom Zweitliganiveau spürbar abhebt. Und deshalb bastelt Keller bereits mit Hochdruck am Kader für die neue Serie. Wer kommt? Wer geht? Wer bleibt? Auch das sind die Fragen, die sich in diesem Sommer stellen. Die Wechselfrist läuft bis zum 31. Juli. Dann ist Transferschluss, dann wird ein Strich gezogen unter der Kaderliste.
Klar ist, dass einige Namen aus der Vorsaison nicht mehr auftauchen werden auf eben dieser Liste. Mit Torfrau Mia Neckritz sowie Charlotte Müller und Johanna Mühl werden allein drei U19-Spielerinnen aus dem umjubelten Europapokalaufgebot den Verein jetzt aus beruflichen Gründen verlassen. "Am Standort Bremen kann man leider nicht alles studieren", sagt Maitin. "Diese Abgänge sind schade für die Mannschaft, persönlich betrachtet aber nachvollziehbar."
Bei den Spielerinnen aus dem Ausland, den sogenannten Internationalen, macht der Klub indes von sich aus Abstriche. In der Rückserie hatte der BHC mit Torfrau Ana Calvo und Claudia Rodriguez (beide Spanien) sowie Paloma Cuadrelli, Mariquena Granatto und Agostina Lovagnini (alle Argentinien) noch deren fünf im Aufgebot. Einzig die Argentinierin Agustina Hasselstrom war nach der langen Winterpause aus persönlichen Gründen nicht nach Bremen zurückgekehrt.

Cheftrainer Florian Keller hat viel erlebt in seiner Karriere. Der Abstieg des Bremer HC war indes auch für den Olympiasieger von 2008 eine Tragödie.
Inzwischen sind all diese Spielerinnen wieder in ihre Heimat gereist. Keller kündigt aber an, dass die eine oder andere Internationale auch für die zweite Liga eine Rolle spielen könnte. "Es ist eine Option, wieder ein paar Positionen so zu besetzen", sagt der Trainer, schließt dabei aber eine Weiterverpflichtung von Torfrau Ana Calvo aus. "Wir setzen auf Angelina Blietz als klare Nummer eins", sagt Florian Keller. Externe Neuzugänge wird es derweil auch geben, entsprechende Gespräche laufen oder sind auch schon abgeschlossen, bestätigt Keller. Über Namen werde er aber nicht sprechen, noch nicht. "Darüber reden wir erst, wenn die Wechselfrist vorbei ist und die Pässe da sind", sagt Keller. "Wir wollen andere Vereine ja nicht noch auf Ideen bringen."
Der künftige Kader soll wie bisher 19, vielleicht auch 20 Namen umfassen. Wobei ein Name wohl erst im Frühjahr nächsten Jahres wieder auf dem Spielberichtsbogen auftauchen dürfte: Lena Frerichs. Keller geht fest davon aus, dass die 19-jährige Führungsspielerin nach ihrem Kreuzbandriss bis dahin wieder vollkommen genesen und belastbar ist. "Leni wird uns dann noch einmal eine andere Qualität geben", sagt Keller. Bis zum Ende der Wechselfrist, das sagt er auch, habe er noch viel zu tun. Erst dann wird auch Keller sich ein bisschen Urlaub gönnen, ehe mit dem Vorbereitungsstart Mitte August auch das Projekt Wiederaufstieg beginnt. Stefan Freise wird dann nicht mehr dabei sein: Der Co-Trainer orientiert sich beruflich neu. Seine Nachfolge ist übrigens noch eine weitere Baustelle für die BHC-Verantwortlicen.