Diese Niederlage wirkt nach. „Sie war bitter für die Moral und für die Stimmung“, sagt José Sanchez Perez zum 1:2 des FC Union 60 gegen die SV Hemelingen am Wochenende. Erst spät, nämlich in der sechsten Minute der Nachspielzeit, hatte sein Team den zweiten und damit entscheidenden Treffer kassiert. Das war zwar irgendwie leistungsgerecht, weil der seit dem vergangenen September ungeschlagene Spitzenreiter schon eine ganze Menge Druck entwickelt hatte in der Schlussphase. Aber es war eben auch ziemlich unglücklich. „Wir hätten früh das 2:1 machen können und hatten sie am Rand einer Niederlage“, findet Sanchez Perez, der Union-Trainer.
Sein Name ist noch nicht so bekannt in der Bremer Fußballszene. Aber der 49-Jährige arbeitet gerade daran, dies zu ändern. Denn Union zählt zu den Überraschungen der laufenden Bremen-Liga-Saison. Trotz der jüngsten Niederlagen – vorm 1:2 gegen Hemelingen war man dem TV Eiche Horn mit dem gleichen Ergebnis unterlegen – belegt das Team den sechsten Platz. „Das ist normalerweise ein Wunder“, sagt José Sanchez Perez. Er meint seinen vergleichsweise kleinen Kader. Aber ein Wunder ist die gute Spielzeit auch aus anderen Gründen – einer davon verhalf dem aktuellen Trainer zu seiner Aufgabe.
Die wunderliche Geschichte begann kurz vor der Saison und geht in etwa so: Co-Trainer Kiyoumars Abdoly musste gehen, Cheftrainer Michael Arends ging daraufhin freiwillig, und ein knappes Dutzend der Spieler tat es ihm gleich. Der verbliebene Coach, Sven Apostel, musste also mit einer dezimierten, auf einigen Positionen kurzfristig verstärkten Mannschaft arbeiten. Eine leichte Aufgabe war damit nicht verbunden. Das nächste Wunder betraf deshalb das Auftreten des Teams, das offenbar unbeirrt von allen Turbulenzen recht ordentlich startete und sich immer mehr stabilisierte.
Noch vor der Pause hatte Union jedenfalls den Anschluss zum oberen Drittel hergestellt. Angesichts der steigenden Formkurve galt die Elf aus der Pauliner Marsch vorm Neustart in 2025 als potenzielles Spitzenteam. Dann ging der Trainer. Sein Abschied wurde offiziell mit privaten Gründen versehen. Es hieß, Sven Apostel wolle sich mehr um die Familie kümmern, werde aber im Sommer in sein Amt zurückkehren. Seit Mitte Februar sitzt jedenfalls José Sanchez Perez auf der Union-Bank. Er war zuvor Assistent von Apostel, seit dem ereignisreichen Tagen vorm Saisonstart. Hinter dem aktuellen Cheftrainer liegt also eine steile Karriere. „Das kann man so sagen“, bestätigt Sanchez Perez mit einem Lachen.
Das passt zu ihm. Der Deutsch-Spanier hat, was allgemein als sonniges Gemüt beschrieben wird. „Ich kann mit allen, schaue immer nach vorn und bin positiv“, sagt José Sanchez Perez. Seine aufgeschlossene Art dürfte eine Rolle beim Verlauf der vergangenen Wochen gespielt haben. Der einst für den VfB Komet II (heute Teil des TuS Komet Arsten) aktive Kicker hatte seine Karriere früh beendet. Bereits mit 22 Jahren wollte er sich um die kleine Familie kümmern. Aber der Sohn wechselte irgendwann zu Union, und so kehrte der Fußball zurück ins Leben von José Sanchez Perez. Er übernahm erst den Trainerposten der 4. D-Jugend, dann der 3. C-Jugend und später der 2. B-Jugend. „Ich wollte immer Trainer werden und mit einer Mannschaft einen gemeinsamen Weg finden“, erinnert sich Sanchez Perez.
Das ist ihm wichtig: Er möchte mehr sein als nur ein Übungsleiter, setzt auf Verständigung und Teamwork, ohne dabei die eigenen Ambitionen zu vernachlässigen. „Ich wollte immer zu den Besten gehören“, sagt José Sanchez Perez. Es gefiel ihm, dass er im letzten Jahr zum Co-Trainer der A-Junioren aufsteigen sollte. Aber es kam anders, in gewisser Weise noch besser. Schließlich fehlte plötzlich ein Assistent bei der 1. Herren. „Es war ein Match und Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich der heutige Cheftrainer an die Begegnung mit dem Bremen-Liga-Team. „Ich bin hier, um Erster zu werden“, hatte Sanchez Perez die Spieler wissen lassen. Das kam gut an.
Nachdem sich Sven Apostel verabschiedet hatte, stand für die Union-Kicker offenbar außer Frage, wer auf ihn folgen sollte. „Sie haben sich dafür eingesetzt, dass ich Trainer werde“, sagt José Sanchez Perez. Sein Start verlief ziemlich vielversprechend: Einem 8:1 gegen den FC Oberneuland folgte ein 7:2 gegen den Blumenthaler SV. Nach einem Ausrutscher beim 2:3 gegen den TS Woltmershausen setzte Union die positiven Ergebnisse in den Spielen gegen den Brinkumer SV (2:0) und Tura (2:1) fort. Erst danach folgten die jüngsten Niederlagen bei Eiche Horn und gegen Hemelingen.
„Ich habe der Mannschaft einige Freiheiten gegeben, auch auf dem Platz“, erläutert Sanchez Perez. Gemeinsam mit Teammanager Hamid Kashiri verfolge er einen „demokratischen Führungsstil“. Dabei fällt allerdings eines auf: Der FC Union verfügt angesichts seiner 49 Gegentore über eine ordentliche Defensive. Für Furore sorgt dagegen der Angriff, dessen 72 Treffer in 24 Spielen nur vom ESC Geestemünde (77) und der SV Hemelingen (89) übertroffen werden. „Wir stehen kompakt und haben einen fantastischen Sturm“, sagt José Sanchez Perez.
In Spielern wie Maurice Kirsch (22 Tore), Enes Rüzgar (19) und auch Yuta Inoe (13) stehen allein drei treffsichere Angreifer im Aufgebot. Sie sollen dabei helfen, was José Sanchez Perez nach den letzten Niederlagen für den Rest der Saison vorschwebt: „Wir können jeden Gegner schlagen und versuchen jetzt, alle Spiele zu gewinnen.“