Ungewöhnlich ist nicht das richtige Wort. Was sich beim FC Union 60 in den vergangenen Wochen abgespielt hat, ist beispiellos. Der Co-Trainer Kiyoumars Abdoly wurde entlassen, daraufhin ging der Cheftrainer Michael Arends freiwillig, und im Zuge seines Abschieds entschied sich gleich ein rundes Dutzend seiner Spieler für den Austritt aus dem Verein. So etwas kommt wenige Tage vor dem Saisonstart unter normalen Umständen nicht vor.
Aber die Betrachtung einer Situation ist ja immer von der jeweiligen Perspektive abhängig. Für Christian Schlemm, als Sport-Vorstand gewissermaßen Initiator der turbulenten Tage, stellt sich die Sache vergleichsweise harmlos da: „Manchmal ist das so, und man kann die Dinge nicht ändern.“ Es ist nun rund zwei Wochen her, dass Schlemm sich für die Entlassung von Kiyoumars Abdoly entschieden hatte. Der sportliche Leiter räumt ein, dass der Co-Trainer die ein oder andere Personalentscheidung innerhalb des Unionskaders „nicht mittragen“ wollte. Es sei aber um etwas anderes gegangen: Im Herbst wird Michael Ahrends zum zweiten Mal Vater, und so war die ein oder andere Ausfallzeit des Cheftrainers zu erwarten. „Ich wollte Qualität an der Linie, wenn Michi nicht da ist“, so Schlemm.
Er holte in Sven Apostel also einen erfahrenen Backup für Arends. Mittlerweile steht fest: Apostel wird Cheftrainer. Denn Michael Arends nahm ja ebenfalls seinen Hut. Er spricht von „unterschiedlichen Vorstellungen“ zwischen den Trainern auf der einen und dem von Christian Schlemm vertretenen Vorstand auf der anderen Seite. „Deutlich wurde dies zwei Wochen vor Saisonstart, wo man sich noch von langjährigen, verdienten und für den Zusammenhalt der Mannschaft wichtigen Spielern trennen wollte“, sagt Michael Arends. Er sei weder mit dieser Entscheidung noch der Trennung von seinem Co-Trainer Kiyoumars Abdoly einverstanden gewesen.
Es geht um eine Streichliste. Das deutet Arends an, und in Mannschaftskreisen kursiert ebenfalls ein entsprechendes Dokument mit rund einem Dutzend Spielernamen – die sich übrigens nicht decken mit dem Kreis der nun abgewanderten Kicker. Christian Schlemm widerspricht dagegen der Existenz einer Streichliste. Es ginge lediglich um eine notwendige „Verjüngungskur“. Sie ergebe sich automatisch, weil den Verein in naher Zukunft „sowieso ältere Spieler verlassen“ würden. Allerdings fragen sich Außenstehende schon, warum überhaupt etwas am Personal verändert werden sollte.
Personalplanung durch den Vorstand
Als Michael Arends im Frühjahr zum Spielertrainer befördert wurde, um das Team gemeinsam mit Kiyoumars Abdoly bis zum Saisonende zu betreuen, befand sich Union noch in Abstiegsgefahr. Dann ging es bergauf: Dank sechs Siegen in Folge war der Absturz bald kein Thema mehr, und am Ende belegte Union den achten Rang in der Bremen-Liga. Es überraschte deshalb nicht, dass sich der Verein zunächst zur Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Arends und Abdoly entschieden hatte.
Ungewöhnlich war dagegen, dass sich Christian Schlemm die gesamte Personalplanung vorbehielt. „Aber Michi war immer involviert“, betont der Sport-Vorstand. Es gelang offenbar doch gemeinsam, die Abgänge einiger Spieler zu kompensieren. Jedenfalls knüpfte Union in der Vorbereitung dort an, wo es im Mai aufgehört hatte. Die gute Vorbereitung mit starken Ergebnissen gipfelte im erstmaligen Gewinn der eigenen Fußballwoche. „Wir hatten einen richtig starken Kader, und dann bringt man uns in eine so unfassbare Situation“, sagt ein Spieler aus dem Kreis der jüngsten Abgänge. Die Frustration ist groß. Auch bei Michael Arends: „Wir hatten ein sportlich ehrgeiziges, aber ruhiges Umfeld – dies hat sich im letzten halben Jahr geändert.“
Noch rund 20 Spieler umfasst der Kader von Neu-Trainer Sven Apostel. „Wir werden jetzt zwei, drei Spieler dazunehmen“, sagt Christian Schlemm. Daneben sei die Tür für die abgewanderten Spieler aber nach wie vor offen. Ihnen wäre ja „keiner böse“.