Theoretisch könnte alles sehr einfach sein beim Bremer Fußball-Verband (BFV), denn es bietet viele Vorteile, der kleinste Verband im deutschen Fußball zu sein: kurze Wege, bekannte Gesichter, familiärer Charakter in einer Stadt, die ihre fünftklassige Bremen-Liga gerne eine Straßenbahn-Liga nennt, weil alle Vereine Nachbarn sind. Doch vor der mit Spannung erwarteten Präsidentenwahl in der kommenden Woche ist deutlich vernehmbar: So herrlich ist es eben nicht im BFV, unter dessen Dach 88 Vereine und knapp 43.000 Mitglieder beheimatet sind. Es rumort. Die Wahl ist deshalb auch eine Richtungsentscheidung: Soll der Verband so weitermachen? Oder ist es Zeit für einen Aufbruch?
Der langjährige Präsident Björn Fecker war als Vermittler und freundliches Gesicht des BFV so gut, dass viele Probleme im Hintergrund blieben oder abgemildert wurden. Doch seit er für die Grünen als Senator das Finanzressort übernahm, fehlt sein Führungsstil – und jetzt wird deutlich, dass sich die Fußballer in seinem Rücken gar nicht so grün sind. An der Basis heißt es, dass die Probleme nicht nur rasant wachsen, sondern auch hausgemacht sind – weil „die da oben“ an der Verbandsspitze kein Gespür oder keine Zeit haben für die Nöte der Vereine.
Dass es im kleinen Bremen überhaupt ein Denken gibt über „die da oben“ und „uns da unten“, ist schon erstaunlich. Wie sehr sich viele Fußballinteressierte durch die Geschehnisse im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in ihrem Argwohn bestätigt fühlen, ist bedenklich. Um die Fecker-Nachfolge zu regeln, wurde eine Findungskommission eingesetzt, die Kandidaten ansprach oder anhörte. Die Arbeit der Kommission war für die zeitweise drei Kandidaten nicht immer transparent oder nachvollziehbar. An der Basis hört man den Vorwurf, die Verbandsspitze würde einfach ihren Wunschkandidaten durchboxen.
Das wäre in diesem Fall Patrick von Haacke. Obwohl der Jurist seit mehr als zehn Jahren im BFV wirkt, auch als Leiter des Ausschusses für Recht und Satzung, ist er in vielen Vereinen kaum bekannt. Von Haacke wäre den Mitstreitern im Präsidium auch deshalb recht, weil man sich kennt und vertraut. Er kommt aus dem Inneren des Verbandes. Von Haacke dürfte eher für ein ruhigeres „Weiter so“ stehen – was in Bremen kein Makel sein muss, weil dieses Motto in weiten Teilen der Stadt fest verwurzelt zu sein scheint, trotz großer Probleme.
Viele an der Fußballbasis wünschen sich Veränderungen, aber unabhängig davon, wer Präsident wird. Wie der BFV zuletzt seine Bremen-Liga beschädigte, war peinlich bis skandalös. Der übergeordnete Deutsche Fußball-Bund (DFB) hatte schon 2014 eine umstrittene Regelung für Nicht-EU-Ausländer in dieser Amateurklasse gekippt, die Bremer aber kümmerten sich nicht darum, den entsprechenden Paragrafen in ihrer Spielordnung zu ändern. Plötzlich waren alle Ergebnisse fraglich, weil Spieler nicht hätten auflaufen dürfen. Ein klares Versäumnis des Verbandes, zumal es Hinweise gibt, das BFV-Präsidium sei schon 2019 auf die Gefahr hingewiesen worden.
Die Hauptsorgen der Basis sind erhebliche Misstöne in unteren Spielklassen, ausgelöst demnach oft durch Spieler mit Migrationshintergrund, sowie eine irritierende Sportgerichtsbarkeit. Zu langsame oder lasche Urteile – die Vereine fühlen sich im Stich gelassen.
Diese Unzufriedenheit steigert die Chancen des zweiten Bewerbers, Jurij Zigon. Den hatte die Findungskommission schon aussortiert, vielleicht auch deshalb, weil er in seiner direkten Art schon häufiger Missstände im Verband ansprach. Doch Zigon hält seine Kandidatur aufrecht, wodurch dem BFV erstmals eine Kampfabstimmung um das Präsidentenamt bevorsteht. Zigon steht für persönlichen Antrieb und fachliche Kompetenz, hat er doch schon zahlreiche hohe Ämter bis in den DFB hinein inne. Er wirbt bei den Vereinen für einen gemeinsamen Aufbruch. Dass er als Einwandererkind in Migrationsfragen gut im Thema ist, sehen einige als Vorteil. Skepsis schlägt ihm aber entgegen, weil er als sehr ehrgeizig gilt.
Viele Vereine hätten am liebsten das Netzwerk und die Visionen von Zigon gepaart mit der ruhigen Art eines von Haacke. Aber sie müssen sich entscheiden. In jedem Fall muss der neue Präsident die Sorgen der Basis zur Chefsache machen. Sonst wird er seinem Amt nicht gerecht.