Seit Jahren bildet die Uni Bremen keine Sportlehrer mehr aus. Schulen und auch Vereine klagen daher über fehlendes Personal. Die Sportsenatorin kämpft für die Wiedereinführung des Studiengangs Sport.
Frau Stahmann, Sie führen ein Mammut-Ressort: Soziales, Kinder, Jugend, Frauen, Integration. Man bekommt den Verdacht, dass der Sport als Appendix drangehängt wurde. Welche Bedeutung hat er für sie?
Anja Stahmann: Der Sport ist integraler Bestandteil hier in Bremen. Er steht zwar hinten im Titel. Aber das heißt nicht, dass er hintenan ist.
Sondern?
Wir versuchen, den Sport durch unseren Ressort-Zuschnitt mit den anderen Bereichen zu verzahnen. Da gibt es viele Schnittmengen.
Was wären da denn Schnittmengen?
Also einmal der Bereich Integration, durch das Bremer Wachstum an Bewohnern. Durch die 16 500 Menschen, die in den letzten Jahren gekommen sind, haben wir in den Sportvereinen ganz fantastische Bündnispartner gefunden, die mit dem Programm „Sport für Flüchtlinge“, aber auch in ihrem normalen Vereinsprogramm Angebote gemacht haben. Dann haben wir den Bereich Jugend, mit dem Förderprogramm „Kids für die Klubs“. Für den sozialen Zusammenhalt in Bremen ist Sport ein ganz wichtiger Faktor.
Müsste der Sport, wenn er so wichtig ist, dann nicht viel mehr Mittel zu Verfügung gestellt bekommen?
Mehr Geld wünscht sich jede Senatorin. Mir fallen auch viele Dinge ein, die man im Sport noch verstärken könnte. Positiv ist, dass wir mehr Geld für die Übungsleiter ausgeben und dass wir mehr Sportfördermittel zur Verfügung stellen können. „Kids in die Klubs“ wurde auch ausgebaut. Darüber hinaus haben wir einige Sanierungsvorhaben angeschoben. Und auch für die Integrationsaufgaben haben wir hohe fünfstellige Summen zusätzlich bereitgestellt.
Die Vereine würden aber zum Beispiel wenigstens die Übungsleiter-Pauschalen gern behalten, die zu Jahresbeginn zuviel angefordert worden sind.
Einige Vereine melden mehr Übungsleiterstunden an, als sie am Ende abrufen. Zu Lasten derer, die mehr auflegen, das aber nicht gleich anmelden. Aus haushaltsrechtlichen Gründen lässt sich das aber anschließend nicht mehr umverteilen. Das ist ein Problem. Wir wollen ein gerechteres System. Diejenigen, die im Windhundverfahren geschickt mehr angemeldet haben als sie brauchen, sollten Geld in eine Umverteilung geben. Wir haben dazu verschiedene Modelle entwickelt. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr gemeinsam mit den Vereinen und dem LSB eine Neuregelung hinbekommen, die dann ab 2019 umgesetzt werden kann.
Insgesamt hört sich ihre Sport-Bilanz sehr positiv an. Wenn man mit Vertretern aus den Vereinen und Verbänden spricht, klingt es gar nicht positiv. Sie beklagen fehlende Sportlehrer und Sanierungsstau. Wo ist da die richtige Wahrnehmung?
Also, ich neige nicht zu übertriebener Freude. Aber ich bin sehr dafür, dass man sieht, was man an Positivem hat. Wir haben in der Sportdeputation die Liste an Sportstätten vorgelegt, die vom Sportamt verwaltet werden. Die sind überwiegend in einem guten oder sehr guten Zustand. Das ist auch unbestritten. Einen Sanierungsstau melden die Vereine in Schulsporthallen.
Was kann man tun?
Frau Kirchmann als Chefin von Immobilien Bremen war bei uns in der Sportdeputation. Wir haben ein Kataster vereinbart für einen Gesamtüberblick über Sanierungsbedarfe in Schulsporthallen. Für mich ist klar: Wenn eine Schule saniert wird, dann darf nicht die Sporthalle außen vor bleiben. Bewegung ist von zentraler Bedeutung für die geistige und körperliche Entwicklung von Kindern. Sporthallen müssen daher so selbstverständlich mitgedacht werden wie andere Fachräume.
Das war bislang nicht so?
Die Vereine jedenfalls sagen mir, dass sie diesen Eindruck haben. Sport ist das einzige Bewegungsfach. Sogar auf dem Schulhof stehen Kinder heute oft einfach herum. Sie sind eher am Handy, als dass sie Fußball spielen oder sich austoben. Allein darum sind die Hallen so wichtig.
Die Schulhallen werden auch von den Vereinen genutzt. Besteht nicht die Gefahr, dass die Verantwortung zwischen den Ressorts hin- und hergeschoben wird?
Nein, die Zuständigkeiten sind klar. Für mich und für den Vereinssport ist wichtig: Wenn die Schulsporthalle x oder y geschlossen wird, möchte ich verbindlich wissen: Wann können wir sie wieder in Betrieb nehmen? Das funktioniert im Großen und Ganzen auch gut.
Das Problem mit den Schulhallen gibt es nicht erst seit gestern. Ist da nicht über Jahre etwas verpennt worden?
Wie gesagt: Die Hallen, die das Sportressort zu verantworten hat, sind in gutem Zustand. Aber auch an Schulen ist viel passiert. Da muss man gerecht sein. Allein die 19 Hallen, die wir zeitweise mit Flüchtlingen belegen mussten, haben wir in einem sehr guten Zustand zurückgegeben. Da haben wir ein gutes Feedback von Schulen und Vereinen bekommen. Das hat Immobilien Bremen sehr gut gemacht. Nur die Halle in der Alwin-Lonke-Straße ist noch nicht wieder fertig, aber da gab es schon vorher dringenden Sanierungsbedarf.
Sporthallen sind das eine. Sportlehrer, beziehungsweise angehende, braucht man auch. Seit Jahren wird geklagt: Es gibt zu wenige.
Die Schließung des Studiengangs Sport an der Uni habe ich schon damals als Abgeordnete kritisiert. Ich halte das auch bis heute für nicht richtig. Ich gehöre zu den Leuten, die da wieder etwas entwickeln wollen. In dieser Diskussion sind wir im Senat. Da gibt es auch, ich sage mal, passend zum Thema Sport: Bewegung.
Ist das mehr als eine vage Hoffnung?
Wir haben Gespräche geführt, aber bislang nicht mit dem Beschluss: Der Studiengang wird wieder eingeführt. Das ist Sache der Universität und einer entsprechenden Konzeption. Aber wir bereiten etwas vor. Mein Ressort wird die Sportinfrastruktur der Universität auf Herz und Nieren prüfen. Das soll dann im Senat die Basis für weitere Entscheidungen sein.
Es soll unterschiedliche Sichtweisen geben. Wäre nicht eine Richtlinienkompetenz wünschenswert?
(lacht) Ja, eine Richtlinienkompetenz der Senatorin für Sport wäre generell wünschenswert. Aber im Ernst: Lehrerausbildung heißt für mich auch Sportlehrerausbildung. Ich glaube, dass die Bremer Uni da gute Möglichkeiten hätte. Sie könnte die Ausbildung verzahnen, zum Beispiel mit Public Health. Ich kann mir gut vorstellen, das Thema einmal bei Wissenschaftssenatorin Eva-Quante-Brandt anzusprechen.
Wäre es andererseits nicht ein Anachronismus, wenn man das Sport-Fach wieder einführt, das Uni-Bad aber schließt?
Nein. Das Eine geht unabhängig vom Anderen. Beim Thema Uni-Bad ist nach vier Jahren Diskussion der Zug abgefahren. Wir können die Sanierung nicht stemmen, das wäre ein Fass ohne Boden. Und auch die Uni hat da andere Pläne. Uns stehen fast 40 Millionen Euro zur Verfügung, wir werden zwei neue Hallenbäder bauen und ein Freibad sanieren. In Horn stehen Vereine und Wettkämpfe im Mittelpunkt. Und in Walle ein Familienbad. Das ist ein guter Kompromiss in Zeiten, in denen andere Bundesländer ihre Bäder einfach schließen. Ohne Ersatz.
Trotzdem bedeutet das Aus fürs Uni-Bad wohl das Aus für den Spitzensport im Schwimmen.
Das sehe ich nicht so. Das Horner Bad wird auch ausgelegt sein für Wettkämpfe mit Zuschauern. Dahingehend haben wir das Bäderkonzept in dieser Legislaturperiode weiterentwickelt. Das erklärt ja auch einen Teil der Kostensteigerungen. Ich würde also nicht von einem Ende des Spitzensports in Bremen reden, im Gegenteil: Das Horner Bad wird zehn 50-Meter-Bahnen haben – diese Bahnlänge war im ersten Entwurf zum Bäderkonzept gar nicht mehr vorgesehen. Dem Schwimmsport war sie aber wichtig, gerade mit Blick auf den Leistungssport. Er hat sich in dieser Frage durchgesetzt, und ich stehe zu hundert Prozent zu dieser Entscheidung.
Bremen als Standort für den Spitzensport: Wenn man mit Sportlern spricht, sagen die meistens, sie müssten früher oder später weg aus Bremen, wenn sie national oder international mithalten wollen.
In unserem kleinen Bundesland werden wir natürlich für nationale oder internationale Ligen nicht alles abbilden können. Das muss jedem klar sein. Aber wir fragen uns natürlich: Was können wir für eine gute Nachwuchsförderung tun? Da gibt es zum Beispiel das Trainer-Lehrer-Modell – ausgebildete Pädagogen mit Trainer-Lizenz an Schulen. Das ist ein guter Ansatz. Und wir haben die Leistungssportförderung von derzeit 107 500 Euro. Ich würde mir nur wünschen, dass wir in diesem Bereich nicht mehr in Haushaltsjahren denken müssten, sondern im olympischen Vier-Jahres-Zyklus. Das wäre ein klarer Fortschritt. Und nicht zu vergessen die Sportstiftung. Sie spielt eine wichtige Rolle, auch weil es ihr gelingt, Politik und Wirtschaft mit an Bord zu holen.

Der Sportturm an der Bremer Uni: Seit 2013 werden hier keine Sportlehrer mehr ausgebildet. Anja Stahmann würde das gern ändern.
In der Fußball-Bundesliga würde man jetzt sagen: Bremen ist Ausbildungsverein.
Für viele Bereiche wird das sicher auch so bleiben. Wir haben 320 Vereine, mit insgesamt 140.000 Mitgliedern. Das ist Breitensport, und das ist der Kern des öffentlichen Sportförderauftrags. Wir haben aber Spitzensportler. Ich wünsche mir schon eine Struktur, von der man sagen kann: Man muss hier als Sportlerin oder Sportler mit Ambitionen nicht mit 14 Jahren sofort die Stadt verlassen. Wir haben ja Spitzenteams, und in diesen Bereichen sollten wir uns weiterentwickeln. Zum Beispiel beim Grün-Gold-Club im Tanzen, beim Bremer Hockey-Club, der immer erfolgreicher wird, bei der Leichtathletik bei Werder oder natürlich in der Rhythmischen Sportgymnastik. Die Zusammenarbeit mit der Sportbetonten Schule Ronzelenstraße wollen wir weiter verbessern. Wir denken da in Richtung Sportinternat, so ähnlich, wie es das bei Werder schon gibt.
Wäre es aber nicht schön, wenn man etwas mehr auch in olympischen Sportarten hinbekäme?
Die Spitzensportlerinnen bei der Rhythmischen Sportgymnastik sind ja Olympionikinnen. Ich gehe fest davon aus, dass die Bundesförderung bis 2024 gesichert ist. Natürlich blutet mir das Herz, wenn andere Talente aus Bremen weggehen. Aber da müssten wir auf politischer Ebene den Sporthaushalt ganz anders diskutieren.
Da sehen Sie keine Chance?
Ich sehe keine wundersame Vermehrung des Geldes. Wir müssen gucken, dass wir das, was wir haben, solide ausfinanzieren, verlässliche Rahmenbedingungen schaffen und mit den Vereinen gescheite Konzepte auf den Weg bringen. Ich finde auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, mit den Arbeitgebern ganz wichtig. Wir brauchen Ausbildungsplätze für junge Sportler – und Arbeitgeber mit Verständnis. Das sind zwar nicht die großen Räder. . .
... aber?
... man kann Einiges auch ohne das große öffentliche Geld bewegen, und hier haben wir immerhin Ansätze.
Die großen Räder werden in Bremen eher in anderen Bereichen bewegt. Da geht man ins Risiko mit öffentlichem Geld. Bei Sportprojekten eher nicht. Warum?
Für den Sport steht eine solide Grundfinanzierung des Breitensports absolut im Vordergrund. Die Sportdeputation wird sich Anfang des Jahres noch mal mit den Neubauvorhaben und den Bedarfen der Vereine beschäftigen. Und Sie werden staunen: Da werden gar nicht immer gleich die großen und teuren Dinge erwartet. Oft war da zuletzt neben neuen Sanitärräumen auch der Wunsch nach Anerkennung zu hören. Und nach Unterstützung im Zusammenspiel zwischen Verwaltung und Politik. Da sind wir dran.
Wir stehen kurz vorm Jahreswechsel. Die Zeit der Wünsche. Was wäre der größte Wunsch der Sportsenatorin fürs Sportjahr 2018? Das Comeback des Studiengangs Sport?
Ich bin ein hartnäckiger Mensch, bei diesem Thema bleibe ich am Ball. Aber zunächst wünsche ich mir, dass die Bremer weiter so begeistert Sport treiben. In Bremen passiert unheimlich viel: Die Leute sind in Vereinen aktiv, sie laufen, radeln, tanzen, kicken – oder schwimmen, so wie ich. Ich freue mich auch, dass es Vereinen gelingt, neue Sportarten aufzunehmen, wie Crossfit oder Quidditch. Von unserem Haus wünsche ich mir, dass es uns gelingt, die Vereine noch besser zu unterstützen. Damit die Bremer auch in Zukunft Bock auf Sport haben.