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Marathon-Mann Markus Geiger In der Liga der Superläufe

Was macht man, wenn man 1,95 Meter groß ist und 125 Kilogramm wiegt? Der Bremer Markus Geiger hat angefangen zu laufen. Und wo endet das? In diesem Fall in einer ganz besonderen Marathon-Passion.
30.01.2023, 17:35 Uhr
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In der Liga der Superläufe
Von Olaf Dorow

Wer zum ersten Mal einen Marathon geschafft hat, vergisst das in der Regel nicht. Markus Geiger bildet da keine Ausnahme. Er weiß nur zu gut, wie das war vor ein paar Jahren, als er in seiner fränkischen Heimat 42 Kilometer durchhielt und dann noch die 195 Meter. "Ich war danach tot, meine Eltern mussten mich nach Hause tragen", sagt er. So groß die Schmerzen: Erst am Morgen gegen sechs sei er in der Lage gewesen zu schlafen. Inzwischen ist Markus Geiger 28 Jahre alt, seit zweieinhalb Jahren ist er ein Bremer, er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Faeserinstitut. Und was das Marathon-Metier anbelangt, ist er irgendwie doch eine Art Ausnahme geworden.

Er hat nicht nur die weit auseinander liegenden Pole der legendären Laufdistanz zusammengefügt: Schmerz und Kampf hier, Glück und Sehnsucht da. Er fällt nicht nur sofort auf in der Läuferschar, weil er aussieht wie ein Basketballer, der da versehentlich hineingeraten ist. 1,95 Meter sei er groß, sagt Markus Geiger; 125 Kilo habe er mal gewogen, heute seien es immerhin noch um die 90. Doch der junge Riese im Feld, der das ja als Hobby und nicht als Leistungssport betreibt, ist trotzdem schon etliche Male unter drei Stunden geblieben. Fast überall auf der Welt hat er das schon geschafft, was zum nächsten besonderen Merkmal des Bremer Franken führt. Nach vorliegenden Erkenntnissen könnte er der dritte Bremer werden, der ein sogenannte Six Star Finisher wird (SSF). 

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Dieser SSF-Klub ist ein ganz besonderer Zirkel in der weltweiten Laufszene. Die Six-Star-Medaille der World Marathon Majors (WMM) bekommt, wer die sechs großen Marathons beendet hat, deren Veranstalter sich quasi zur Liga der Superläufe zusammengeschlossen haben: Es geht um die Rennen in Boston, New York, Chicago, London, Berlin und Tokio. Markus Geiger fehlt nur noch Tokio. Anfang März will er dort am Start stehen und das Dutzend vollbekommen. 439 Deutsche haben das laut WMM-Homepage bislang gemacht, darunter 96 Frauen. Aus der hiesigen Szene wird berichtet, dass bislang zwei Bremer auf der Finisher-Liste sind (siehe Zur Sache).

Die beiden sind nicht nur deutlich älter und deutlich langsamer unterwegs als Markus Geiger, sie tragen auch nicht dieses Handicap mit sich herum, das Markus Geiger noch mehr zu einem recht besonderen Marathon-Mann macht. Er war vor rund zwei Jahren nachts zusammengebrochen, so erzählt er es. Erster Verdacht im Krankenhaus: Herzinfarkt. Der habe sich nicht bestätigt, aber er müsse das regelmäßig kontrollieren. Permanent läuft die Gefahr mit, dass das Herz plötzlich aussetzt. Auch Vater und Großvater hätten Herzprobleme gehabt, sagt Geiger.

Doch er kann das mit dem Laufen nicht lassen, trotz der Risiken, trotz der Schmerzen und Verletzungen, die er sich auch schon geholt hat. Trotz der Freizeit, die er dafür opfert, trotz des Jahresurlaubs, der schon ein paar Mal dafür draufging. Auch trotz des ganzen Geldes, das er für sein Faible ausgibt. Die großen Läufe sind ein großes Geschäft. Mit Startgebühren und Lauf-Equipment wird eine Menge umgesetzt. Markus Geiger ist es das wert. Marathon ist seine Droge geworden. Ein Arzt habe mal zu ihm gesagt: "Die meisten muss ich zum Sport zwingen. Sie muss ich eher bremsen."

Im Studium, als großer schwerer junger Mann, sei er erstmals mit dem Laufen in Berührung gekommen. Motiv: Er habe abnehmen wollen, erzählt er. Die Motivlage hat sich inzwischen beträchtlich verändert. Nach den ersten Rennen voller Hechelatmung und Muskelbeschwerden, dem ersten Marathon mit Totalerschöpfung siegte die Neugier. Und auch die Erfahrung, vom eigenen Körper überrascht zu werden. Es sei schon ein kleines Wunder, sagt Markus Geiger, wie der Körper sich an solche Extrembelastungen gewöhnen kann. Er wollte gern auch mal einen großen Marathon in der großen Stadt laufen, nicht nur allein mit sich und der Landschaft in der fränkischen Schweiz. 2018 fuhr die ganze Familie Geiger zum Berlin-Marathon. Das Gewimmel beim Abholen der Startnummer im Hangar am früheren Flughafen Tempelhof, das Gefühl, Teil einer riesigen Läuferfamilie zu sein, die großartige Stimmung an der Strecke: Er hatte sich sozusagen infiziert.

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In Berlin sah er auch einen Werbestand der WMM. Neugier und Sehnsucht wurden noch größer. Durch New York rennen, bei diesem Lauf der Läufe durch die Stadt der Städte, das wär's. So kam es 2019. Er buchte über einen Reiseveranstalter New York – und landete per Losverfahren einen Monat zuvor auch noch beim Boston-Marathon. "Eine bombastische Stimmung war das in New York", sagt er, "so überwältigend. Ich kriege heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke." Das ist praktisch der Suchtfaktor bei ihm: die einzigartige Atmosphäre drumherum, der Lauf-Rausch, in den man selbst kommen kann.

Und was kommt nach dem Rausch? Wenn Markus Geiger auch in Tokio im Ziel angekommen ist und die begehrte Medaille bekommt? Dann will er noch mal nach New York. "Das ist einfach Champions League da", sagt er, bevor er noch sein Fernziel verrät. Irgendwann will er auch die Ironman-Distanz im Triathlon angreifen, am besten bei der sogenannten Challenge Roth. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben: Beim Ironman wäre ein Marathon nur der dritte Teil von einer großen sportlichen Herausforderung.  

Zur Sache

Geigers Vorgänger

Die Idee entstand in einer Laufgruppe. Einmal New-York-Marathon, das reizte so sehr, dass acht Lauffreunde es 2009 tatsächlich machten. Die meisten aus der Gruppe hätten dann einen Haken an die Großmarathons dieser Welt gemacht, sagt Olaf Sempf, 53 Jahre alt und Projektleiter bei der SWB. Sempf und sein Freund Wolfgang Köster machten weiter mit den Großmarathons. Sie wurden, sagt Sempf, Bremens erste Six Star Finisher, weil sie bei den Rennen der World Marathon Majors (WMM) in New York, Boston, Chicago, London, Berlin und Tokio ins Ziel gekommen waren. Zunächst bestanden die WMM-Events nur aus fünf Rennen. Als schließlich auch noch Tokio dazukam, beschloss das Bremer Duo, inzwischen auch im Triathlon unterwegs, auch noch den Marathon ganz im Osten zu bestreiten.   

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