Vier Jahre Pause, vier Tage Volldampf: So haben es die Veranstalter nicht exakt gesagt, aber so ließe sich zusammenfassen, wie es um die Bremer Sixdays steht. Sie mussten lange warten, bis an diesem Freitagabend gegen 20.30 Uhr Popstar Vanessa Mai gemeinsam mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte den Startschuss für die 57. Auflage der Traditionsveranstaltung gibt. Die Leute von der Event Sport&Nord GmbH (ESN) mussten bangen, ob ihr Event, gern beschrieben als Mischung aus Party und Profisport, überhaupt eine Zukunft hat in Bremen. Sie mussten immer wieder erklären, warum die Reduzierung des Formats von sechs auf vier Tage kein Rückschritt sein soll. Sie mussten daran arbeiten, dass sie ausreichend Topsportler, ausreichend Sponsoren, ausreichend Unterstützung der Stadt bekommen. Und müssen nun auf ausreichend Publikum hoffen. Der WESER-KURIER fasst kurz vor der ersten Runde um die Holzbahn in der ÖVB-Arena die wichtigsten Eckpunkte zusammen.

Gefragtes Duo: Sixdays-Manager Mario Roggow und Erik Weispfennig. (v.l.).
Die Änderungen
Die wichtigste ist bekannt. Vier statt sechs Tage. Wenn man es nicht zu nostalgisch oder pessimistisch betrachtet, darf man feststellen: Damit liegt Bremen im Trend. Es gibt nur noch zwei Sechstagerennen, die klassisch über sechs Tage gehen: das in Rotterdam und das in Gent. Viele Sport-Branchen setzten seit Jahren auf kürzere, kompaktere Formate, auch der Bahnradsport. Weniger Kosten, weniger Leerlauf, mehr Action lautet sinngemäß die Formel, mit der man sich am umkämpften Unterhaltungsmarkt behaupten will. Ein Aspekt seien auch die sich verändernden Bedürfnisse innerhalb der Kundschaft, sagt Sixdays-Leiter Mario Roggow. Ein verlängertes Wochenende mit nur einem Tag Urlaub sei für viele deutlich attraktiver und leichter umsetzbar als das bisherige Sixdays-Angebot. Weitere auffällige Veränderungen: Erstmals gibt es einen Namenssponsor, laut ESN heißt die Veranstaltung offiziell Haake-Beck-Sixdays. Nach der finalen Jagd und der Siegerehrung am Montagabend wird diesmal nicht Schluss sein. Es gibt in Halle 1 eine große After-Race-Party mit Ben Zucker. Und: In der Halle 4 werden zwar weiterhin die Boxen dröhnen. Aber geraucht werden darf dort nicht mehr.

Letzte Handgriffe: Bahnbauer Viktor von Lütcken von der Firma Velotrack.
Die Bahn
Sie nennen sich selbst die "erfahrensten und erfolgreichsten Velodrombauer der Welt". Das Familienunternehmen von Lütcken aus Osterholz hat vor rund fünf Jahren die klassische Zimmerei ganz aufgegeben und betreibt jetzt "nur" noch die seit fast zwei Jahrzehnten bestehende Firma "Velotrack". Weltweit wird sie angefragt, sie baut sowohl feste als auch mobile Bahnen auf. Größter Unterschied: Bei den festen werden die Bretter genagelt, bei den mobilen verschraubt.
Die Bremer Bahn, Eigentum der Stadt, ist mobil. Seit dem vergangenen Wochenende lagern die wiederverwendbaren Holzgestelle, die die tragenden Unterkonstruktion bilden, nicht mehr bei der Spedition F.W. Neukirch in Mahndorf. Unter Führung von Bauleiter Sebastian von Lütcken zimmert, hämmert und schraubt ein Team von knapp 30 Mitarbeitern an der nur 166 Meter langen Bahn mit den engen und steilen Kurven. Aus Sicherheitsgründen wurden dabei die Banden erhöht, innen um 20, außen um 30 Zentimeter. Bereits am Dienstag wird wieder abgebaut. Bis Freitag muss alles fertig sein für die nächste Veranstaltung in der ÖVB-Arena: die Musikschau Bremen Tattoo.
Der Wettkampf
Sprintrennen mit Spitzenathleten wie Robert Förstemann, Frauenrennen mit Olympiasiegerin Franziska Brauße, dazu Nachwuchs- und Jedermann-Rennen: Das sportliche Herzstück bleibt jedoch die Konkurrenz der zwölf Zweier-Teams, die täglich über über als 100 Kilometer in höchstem Tempo um die Bahn jagen und laut Zeitplan am Montag kurz vor Mitternacht das Sieger-Duo ermittelt haben. Titelverteidiger Nils Politt, der zusammen mit Lindsay De Vylder aus Belgien fährt, sieht sich als Straßenspezialist starken Gegnern aus dem Lager der Bahnspezialisten gegenüber. "Einige von ihnen werden gut im Rhythmus sein, sie kommen direkt von der Bahn-EM in Apeldoorn", sagt Sportchef und ESN-Geschäftsführer Erik Weispfennig. Zum Beispiel auch die amtierenden Madison-Weltmeister Yoeri Harvik und Jan-Willem van Schip. Die beiden Niederländer wollen am Donnerstag in Apeldoorn versuchen, den EM-Titel zu holen, ehe sie ab Freitag um den Sixdays-Titel in Bremen mitfahren wollen.
Die Aussichten
Vom Erfolg oder Misserfolg des Sixdays-Comeback nach vierjähriger Pause wird maßgeblich abhängen, ob die Stadt auch weiterhin zum teils privat, teils öffentlich betriebenen Rad-Party-Event steht. Erik Weispfennig verweist auf einen gut laufenden Vorverkauf und erinnerte bei einem Pressetermin am Mittwoch an eine Zielvorgabe der Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt: 60.000 Besucher erhofft man sich insgesamt – und damit an vier Tagen ungefähr so viele, wie zuletzt 2020 an sechs Tagen in die Hallen geströmt waren. Kommt es tatsächlich so wie erhofft, sollte dem Format, das in Deutschland zur vom Aussterben bedrohten Gattung geworden ist, in Bremen weiterhin eine Heimat verblieben sein.