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Bremer Rad-Talent Fynn Termin fährt zur EM Cross durch die Familie

Er mag es, wenn die Strecke schön schlammig und der Puls am Anschlag ist. Radcross-Talent und EM-Starter Fynn Termin ist in einem Volle-Pulle-Sport gelandet. Wie sein Vater und Trainer Michael Hufnagel.
04.11.2021, 15:22 Uhr
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Cross durch die Familie
Von Olaf Dorow

Michael Hufnagel hatte ein gutes Gefühl. Es lief wirklich rund in diesem Norderstedter Cyclocross-Rennen im Rahmen des Stevens Cups. Mensch, ich bin hier schön schnell unterwegs, sagte er sich nach circa einem Drittel des Rennens. Von hinten kam jetzt aber jemand herangerollt, der schneller unterwegs war und ihn überholen wollte. Für gewöhnlich ruft man dann kurz auf den teilweise recht engen oder unwegsamen Radcross-Strecken. "Papa, ich komm von links", rief der Überholer und rauschte vorbei. Michael Hufnagel, 47 Jahre alt, konnte dem Tempo seines 17-jährigen Sohns Fynn Termin nicht mehr folgen.

Vater und Sohn sitzen am Peterswerder in einem Reihenhaus am Küchentisch und berichten von ihrem Sport, vom Radsport. "Es tut sich da jetzt mal wieder ein bisschen was in Bremen", sagt der Vater, und die Familie Hufnagel-Termin steht ein bisschen dafür. Michael Hufnagel gehörte einst zum SWB-Enordia-Team, er fuhr zehn Jahre lang für dieses Team diverse Straßenrennen, wurde 2001 norddeutscher Meister. 20 Jahre später trainiert er Nachwuchssportler bei der RRG Bremen, fährt selbst, für den VC Vegesack, auch mal ein Cyclocross-Rennen mit und gibt Kadertraining an der Sportbetonten Schule Ronzelenstraße.

Aktuell einziger Kaderathlet dort: Zwölftklässler Fynn Termin, sein Sohn. Der fährt für das AGS-Team Straßenrennen, bevorzugt fährt er aber für das "Stevens Racing Team Junioren" Radcross, neudeutsch Cyclocross genannt. Dort ist er so gut, dass sich nach den jüngsten Wettkämpfen der Bundestrainer gemeldet hat. Fynn Termin ist nominiert für die EM, das bedeutet in seiner Karriere den vorläufigen Höhepunkt. An diesem Wochenende reist die gesamte Familie Hufnagel-Termin nach Drenthe in den Niederlanden, also auch Mutter Katja Termin und der elfjährige Jarik Termin.

Sie zählen quasi zum Handballzweig der Familie. Wer da am Küchentisch am Peterswerder zuhört, darf sich durchaus die Frage stellen, ob Sport vererbbar ist. Katja Termin hat mal Handball gespielt, wie eigentlich alle bei ihr zu Hause. Sie spielte in der Regionalliga und wurde einmal sogar in der zweiten Liga eingesetzt. Sehr unvorsichtig sei sie gewesen in ihrem sehr körperlichen Sport, sagt sie. Knie und Rücken habe sie sich halb kaputt gemacht, heute sei eher Yoga und Pilates angesagt. Aber sie würde nie sagen, dass sie nicht noch mal mit Handball anfangen würde, wenn sich die Zeit zurückdrehen ließe. Zufall oder nicht: Sohn Jarik probierte mehrere Sportarten aus und landete beim Handball.

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Zufall oder nicht: Sohn Fynn probierte auch Fußball oder Leichtathletik aus und landete bei der Leidenschaft des Vaters. Beim Radsport. Was für den Vater einerseits sehr schön war, andererseits auch ganz schön schwierig. Mit seinem Sohn gemeinsam auf die Pisten zu gehen – na klar war das eine verheißungsvolle Aussicht. Den Sohn zu fördern, zu fordern, ohne zu überfordern: oftmals ein Balanceakt. Am Küchentisch kommt man auf ein frühes Straßenrennen in Hannover zu sprechen. Oh je, wie habe der noch sehr junge Rennfahrer Fynn Termin da geflucht über die Anstrengungen am Berg. Auch der Vater von Lennard Kämna, dem späteren Tour-Helden, habe an der Strecke gestanden. Habe gesagt: "Mach dir nix draus, am Lindener Berg haben sie Lennard anfangs auch immer abgehängt."

In seiner Altersklasse wird Fynn Termin heutzutage kaum noch abgehängt. In der Junioren-Bundesliga 2021/22 liegt er nach vier Rennen an der Spitze der Gesamtwertung. Sein Ding wurde nicht, wie bei Kämna, die Straße, sondern das Gelände. Cross findet er nicht so langweilig. Findet er technisch anspruchsvoll und herausfordernd. Finden Vater wie Sohn "einen ehrlichen Sport". Ehrlich im Sinne von: Hier beim Cross wird nicht Windschatten gefahren, hier gibt es weniger Taktik oder Stallorder. "Hier landet jeder da, wo er hingehört", sagt Michael Hufnagel. Hier geht vom Start weg der Puls hoch, wenn es Treppen, Baumstämme oder Buckelpisten zu überwinden gilt. Wenn das Rad geschultert werden muss, wenn es durch den Schlamm geht. "Ich mag es ganz gerne, wenn es ein bisschen schlammiger ist", sagt Fynn Termin. Hoch, runter, rechts links, rauf aufs Rad, runter vom Rad, rein in den Morast. Undsoweiter. Radcross ist volle Pulle. Über circa 40 Minuten liege sein Puls permanent bei 180 bis 200 Schlägen pro Minute.

Dieses Volle-Pulle-Ding muss ja wohl vom Vater kommen, denkt man erst recht, wenn der von seiner Zeit nach der aktiven Zeit im SWB-Team erzählt. Im Schnelldurchlauf: Job im Fahrradladen gegen einen bei der Berufsfeuerwehr getauscht, voller Ehrgeiz für eine Zeit unter drei Stunden beim Bremen-Marathon trainiert, es unter großen Schmerzen 2013 tatsächlich geschafft, drei Jahre später in Kopenhagen auch einen Ironman geschafft, also 3,8 Kilometer Schwimmen plus 180 auf dem Rad plus Marathonlauf. "Quäl dich, du Sau", das ist einer der berühmtesten Zitate aus dem Radsport. Einst auf der Tour de France von Udo Bölts dem um den Triumph ringenden Jan Ullrich entgegengeschmettert. Man müsse in diesem Rad-Metier mit seinem hohen Quäl-Index schon ein wenig besessen sein, sagt Michael Hufnagel. Sein Sohn nickt.

Wie weit es der Sohn bringen wird als Radcrosser? Die Sportart ist in der Schweiz, in Belgien oder Holland sehr populär, in Deutschland eher nicht. Profikarriere? Auch eher nicht. Fynn Termin will mal schauen, wie weit er kommt. Vielleicht macht er nach dem Abi ein freiwilliges Jahr und, na ja: volle Pulle Radcross. Der Vater sagt: "Ich will ihm ein guter Trainer und Trainingspartner sein." Was zunehmend schwerer fällt. Michael Hufnagel muss selbst lachen, als er sich sagen hört: "Inzwischen quält er mich mehr als ich ihn." 

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Carolin Schiff sagt EM-Start ab

Die anstehende Europameisterschaft im Radcross in den Niederlanden hätte auch der vorläufige Höhepunkt in der Karriere von Carolin Schiff werden sollen. Nach der Vizemeisterschaft bei der DM im Cyclocross Anfang November in Kehl-Auenheim war die Radsportlerin aus Bremen vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) zum ersten Mal überhaupt für eine solche internationale Meisterschaft nominiert worden. Sie sei mega happy über diese Nominierung, sagte Schiff. Doch dann folgte das große Aber: Seit knapp zwei Wochen bereits laboriert die als Profi für das Team Cycles-Immo Losch des ehemaligen Toursiegers Andy Schleck fahrende Bremerin an einem grippalen Infekt, musste mit dem Training aussetzen – und nun den Start bei dieser EM absagen. Schweren Herzens, so die 35-Jährige. „Es ist schade, aber es macht gesundheitlich keinen Sinn.“

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