Es ist 5.39 Uhr Ortszeit in New York City, als Sebastian Kohlwes am Montag den Anruf aus seiner Heimat Bremen annimmt,um mit dem WESER-KURIER zu sprechen. Er klingt erstaunlich ausgeruht für jemanden, der am Sonntag den Marathon in der Metropole gelaufen ist – und auch für jemanden, der in einem Hotel am Times Square untergekommen ist. "Ich bin zwar im zwölften Stock, aber die Fenster sind nur einfach verglast. Allerdings konnte ich trotz des Straßenlärms einigermaßen gut schlafen", sagt der Langstrecken-Läufer.
Eine ruhige Zeit wollte der Bremer in der so rastlosen Stadt ohnehin nicht verbringen. Er hat sich mit der Teilnahme am New-York-Marathon einen Traum erfüllt. Dabei ging es bei der Reise von der Weser an den East River nie um den sportlichen Erfolg, sondern um das Erlebnis. Den Teil handelt er schnell ab: Mit seiner Zeit von 2:38:40 Stunden, dem 335. Platz von 55.533 Startenden und dem vierten Platz im deutschen Teilnehmerfeld ist der Landesmeister über 10.000 Meter zufrieden.
"Wahnsinn" an allen Ecken: Das macht den NYC-Marathon so besonders
Spannender ist sowieso das Drumherum, das der Bremer immer wieder mit einem Wort beschreibt: "Wahnsinn". Der 35-Jährigen betont: "Ich wollte später Freunden und Familie davon berichten können, wie New York und nicht wie die Strecke aus läuferischer Sicht war." Der Marathon in der Metropole sei etwas Außergewöhnliches. Kohlwes erklärt: "Der Laufsport hat hier einen ganz anderen Stellenwert als in Europa. Dieses Gefühl wollte ich erleben." In den Vereinigten Staaten werde das Laufen etwa durch das College-System stärker gefördert. "In der Breite haben die USA dadurch mehr Qualität. Auch unter den Zuschauern wird der Sport anders gelebt", findet er.
Ein Beispiel: "Germany, Germany, Germany", riefen ihm die Menschen am Rand der Laufstrecke zu. Eine vergleichbare Euphorie kenne er zwar auch vom Berlin-Marathon, nur eben mit weniger Menschen und der landestypischen Zurückhaltung. Der Unterschied wurde ihm auf dem Rückweg vom Zieleinlauf bewusst. Mit seinem Bruder Hendrik, der in den USA lebt, und der Medaille vor der Brust sei er vom Central Park zurück zum Hotel am Times Square gegangen. Auf dem Weg würdigten immer wieder Fremde seine Leistung, dass er 42,195 Kilometer gelaufen ist: "Diese Leute hatten keine Verbindung zu dem Marathon, aber auf der Straße oder in der Hotellobby gratulierten sie mir zur Teilnahme", berichtet der Werder-Athlet, der im kommenden Jahr für den ATS Buntentor startet.

In New York heißt der Bürgerpark Central Park und sieht so aus. Sebastian Kohlwes wird den Anblick vermissen.
Das Sportliche wird in New York zum Beiwerk
Diese Atmosphäre sei es auch, die den Trip über den Großen Teich besonders gemacht habe. Das Sportliche war für ihn Beiwerk, wie an dieser Beschreibung deutlich wird: "Der Lauf startete an der Verrazzano-Narrows-Bridge. Rechts schaute ich in Richtung Atlantischer Ozean, die Sonne schien auf das Wasser und links war die Freiheitsstatue. Das war schon ein Wahnsinnsanblick." Die Strecke führte durch Stadtteile Brooklyn, Queens, Bronx und endete in Manhattan.
"Erst waren es die Wolkenkratzer und Straßenzeilen mit den Menschenmassen, die einem zujubeln und zum Schluss der Central Park, der mich mit seiner Schönheit beeindruckt hat. Den New-York-Marathon muss man einfach selbst erlebt haben", bilanziert Kohlwes, während er vor seinem einfach verglasten Hotelzimmer-Fenster wie dassonst so rastlose New York langsam wach wird.
Kohlwes steht Kulturschock bevor
Um 19 Uhr Ortszeit ist er den gut zwölfstündigen Flug Richtung Bremen angetreten. Laufen im Bürgerpark wird jetzt erst mal ungewohnt für ihn sein. "Die New-Yorker-Skyline hat Bremen nicht", sagt er und lacht. Er freut sich allerdings sehr auf die Heimat. New York sei mit der "schlechten Luftqualität", dem vielen Lärm und den "wahnsinnig vielen Autos" anstrengend. Der Kulturschock wird dann spätestens in gut zwei Wochen komplett. Dann startet Kohlwes in Riesenbeck (gut 6500 Einwohner) bei der Deutschen Meisterschaft im Crosslauf.