Herr Schneider, warum ist es wichtig, dass sich der Mensch fit hält?

Stefan Schneider
Stefan Schneider: Das ist genau die richtige Frage. Ist es denn überhaupt wichtig? Wir definieren Gesundheit als ein wertvolles Gut, und körperliche Fitness und damit auch mentale Fitness gehören zur Gesundheit dazu. Aber das ist letztlich dem Zeitgeist entsprochen. Sind die körperlichen Bewegungsmangel-Erkrankungen, hauptsächlich Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rückenbeschwerden und Alzheimer, nur ein weiterer Schritt in der Evolution, weil wir uns zu wenig bewegen? Müssen wir wirklich körperlich fit sein, oder ist das eine gesellschaftliche Norm, die an uns herangeführt wird? Diese Frage kann ich nicht beantworten, das muss jeder für sich selbst tun. Fakt ist aber: Gesundheit und Bewegung gehören zusammen.
Würden Sie sich also nicht klar dafür aussprechen, dass der Mensch sich fit halten soll?
Aus individueller Sicht macht es sicherlich Sinn, fit zu bleiben – zum Beispiel, wenn wir uns die Frage stellen, wie wir alt werden möchten. Viele werden sagen, dass sie ein selbst bestimmtes Leben im Alter führen, gesund und fit sein und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten. Dafür ist es wichtig, dass wir körperlich fit sind.
Wer kann regelmäßig trainieren?
Vorweg gesagt: Wir sprechen in diesem Zusammenhang immer von Sport und Bewegung. Sport ist ja nur eine in ein Regelwerk gepresste Form von Bewegung. Trainieren ist letztlich eine organisierte Vorgehensweise der körperlichen Anpassung. Jeder Mensch sollte sich immer die Frage stellen, was er erreichen möchte. Geht es zum Beispiel darum, im Alter fit zu sein, oder darum, Leistungssport zu treiben?
Gibt es Menschen, die vor dem Hintergrund möglicher Einschränkungen besser nicht trainieren sollten?
Jeder sollte sich ausreichend und regelmäßig bewegen. Wichtig ist, dass wir dann, wenn wir bei Null anfangen mit dem Sporttreiben, mit dem Hausarzt und vielleicht auch dem Kardiologen sprechen. Jenseits der 50 sollte das sowieso jeder tun, der Sport treibt. Aber es gibt keine Einschränkung. Junge und alte Menschen können sich bewegen und Sport treiben, Menschen mit einer Behinderung auch. Es gibt keine Kontra-Indikation – außer, dass jemand überhaupt keine Lust hat.
Gibt es ein ideales Alter fürs Sporttreiben?
Auf jeden Fall: das Kindes- und Jugendalter. Kinder haben von Natur aus einen hohen Bewegungsdrang. Der ist auch wichtig, weil sie darüber Erfahrungen machen und sich die Welt erobern. Das kindliche Gehirn bildet sich aus unter den Eindrücken, die es tagtäglich bekommt. Diese Eindrücke sind größtenteils an Erfahrungen und damit an Bewegung gebunden. Das heißt: Ich muss mich in der Welt bewegen, damit sich mein Gehirn entwickelt. Wenn wir Kinder früh an Sport und Bewegung heranführen, geben wir ihnen etwas mit, das bis ins hohe Alter hineinwirkt. Wenn Eltern mit ihren Kindern Sport treiben, ist das auch eine Investition in deren Zukunft.
Kann man auch in höherem Alter noch mit dem Sporttreiben beginnen?
Ja, aber das fällt ungleich schwerer als beim Kind. Einfaches Beispiel: Ich habe mit 20 Skifahren gelernt, bin aber lange nicht so gut wie jemand, der mit sechs begonnen hat. Sich auf etwas Neues einzulassen, fällt schwerer, weil viele Prozesse im Gehirn schon gesetzt sind. Aber der ausschlaggebende Faktor ist letztlich die Motivation. Wenn ich mich daran erinnere, wie gerne ich in meiner Kindheit Fußball oder Tennis gespielt habe, fällt in höherem Alter das Anknüpfen daran leichter als ohne diese Erfahrung.
In welcher Intensität ist Sporttreiben gesund, wann wird es möglicherweise schädlich?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt etwa 150 bis 180 Minuten anstrengende Bewegung oder anstrengenden Sport pro Woche, also drei Einheiten bis zu einer Stunde Dauer. Wirklich schädlich wird es nicht – selbst wenn wir in den Leistungssport schauen, wo die Aktiven über viele Jahre mehrfach am Tag trainieren. Einige von ihnen, zum Beispiel Turnerinnen und Turner, bekommen vielleicht Gelenkprobleme, haben dafür aber ein klasse Herz-Kreislauf-System.
Wie sieht ein sinnvolles Sporttreiben aus?
Ich bin kürzlich in einem Interview auf den Ex-Beatle Paul McCartney angesprochen worden, der mit 80 Jahren noch viel trainiert. Er macht tatsächlich vieles richtig: Kardiotraining, Krafttraining, Dehnen, Gymnastik, Yoga. Und er treibt mit anderen Menschen zusammen Sport – der soziale Klebstoff ist auch wichtig.
Sollte Training immer unter Beobachtung eines Trainers stattfinden oder kann der Sportler sein Pensum selbst abschätzen?
Das hängt viel mit Erfahrung zusammen. Für den Einsteiger macht es sicherlich Sinn, sich Hilfe zu holen im Sportverein oder im Fitnessstudio. Aber ich glaube, dass man nach einer gewissen Zeit auch gut allein trainieren kann.
Wie groß ist die Gefahr, dass sich jemand überschätzt?
Eher gering. Meine Devise ist: Ruhig mal in die Belastungsspitzen gehen, der Körper kann viel verkraften. Das tut weh, klar, und das ist dann ein Zeichen dafür, dass ich dem Körper eine Pause gönnen und Zeit für die Regeneration geben soll. Aber bitte vorher wirklich den Hausarzt oder Kardiologen kontaktieren!
Welche sind die drei größten Fehler, die der Laie beim Training begeht?
Erstens eine Überschätzung zu Beginn, die aber nicht schlimm ist. Mit den Schmerzen am nächsten Tag muss man dann leben. Zweitens, sich im Vorfeld nicht medizinisch durchchecken zu lassen. Und drittens, zu früh aufzuhören und wenn es wehtut, zu sagen: Das will ich nicht mehr, das kann ich nicht mehr. Es braucht zwei bis drei Monate, bis sich der Körper angepasst hat. Die ersten zwei Monate sind hart, sie tun weh, auch mental. Aber ganz häufig erlebe ich, dass Menschen, wenn sie dranbleiben, den Benefit am Ende auch merken.