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Long-Covid im Sport "Das ist ein Regenbogen an Beschwerden"

Long-Covid macht auch vor Sportlerinnen und Sportlern nicht halt, das zeigen prominente Beispiele. Sportmediziner Alberto Schek erklärt, wie die Behandlung aussehen kann und welche Symptome häufig vorkommen.
08.03.2022, 16:15 Uhr
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Von Patricia Friedek

Herr Schek, es gibt prominente Beispiele für Long-Covid-Erkrankungen bei Sportlerinnen und Sportlern. Eines ist der Ringer Frank Stäbler, der 2021 die olympische Bronzemedaille gewann, nachdem ihm zwischenzeitlich schon das Ende seiner Karriere prognostiziert worden war. Stäbler hat sich nach einer intensiven Reha erholt. Gibt es Unterschiede zwischen Leistungs- und Breitensportlern bei der Behandlung von Long-Covid?

Alberto Schek: Wir behandeln immer passend zu den Symptomen, weil Long-Covid sehr individuell verlaufen kann – das ist ein Regenbogen an Beschwerden. Bei einem Breitensportler tendiert man dazu, zu sagen: Komm, du machst das nicht beruflich, wenn du dich fit genug für deinen Bürojob fühlst, dann geh ruhig arbeiten. Mit dem Sport musst du allerdings langsam anfangen. Bei Leistungssportlern wollen wir so schnell wie möglich wieder das höchste Niveau erreichen und priorisieren das entsprechend anders. Aber bei allen gilt: Sie müssen symptomfrei sein, um wieder in den Sport eingegliedert zu werden. Da untersuchen wir lieber zehn Mal zu viel als einmal zu wenig. 

Hat es auch etwas mit der Fitness zu tun, wie anfällig jemand für Long-Covid ist?

Wir sehen schon, dass Leute, die ein gutes Immunsystem haben, auch allgemein widerstandsfähiger sind. Und dass jemand, der fit ist, eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, nicht so stark unter Covid zu leiden, wie jemand, der unfit ist. Aber natürlich kann die Krankheit auch fitte Menschen hart treffen.

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Wie sieht die Behandlung eines Long-Covid-Patienten aus?

Wir fangen mit der Anamnese an: Welche Symptome hatte der Patient oder die Patientin während der Corona-Erkrankung? Natürlich prüfen wir auch auf Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht – beides ist bei Sportlerinnen und Sportlern eher selten. Dann untersuchen wir das Herz mithilfe eines EKGs, um die Stromflüsse im Herzen zu prüfen. Zudem sehen wir uns spezielle Laborwerte an. Wenn zum Beispiel die Funktion der Lunge in der medizinischen Untersuchung beeinträchtigt erscheint, ordnen wir eine spezielle Lungenfunktionsuntersuchung an. Bei Menschen, die schwerere Symptome hatten, etwa mit richtigen Grippebeschwerden oder Lungenentzündungen, gehen wir die Untersuchung noch genauer an. Da wollen wir zum Beispiel auch feststellen, ob eine Herzmuskelentzündung aufgetreten sein könnte – eine häufige Todesursache bei Ausdauersportlerinnen und Sportlern bei entsprechendem Vorschaden. Bei Menschen, die starke Corona-Symptome hatten, sprechen wir allerfrühestens nach vier Wochen über eine Rückkehr in den Sport im vollen Umfang.

Wie häufig kommt es bei Sportlerinnen und Sportlern vor, dass sie an Long-Covid erkranken?

Das ist schwierig in Prozent auszudrücken, weil es speziell für den Leistungssport keine Zahlen gibt. Manche Symptome treten nach der Corona-Erkrankung zwar noch länger auf, haben aber kaum Einfluss auf die Sportfähigkeit. Ein eingeschränkter Geruchssinn hindert einen Sportler nicht daran, trotzdem zu laufen oder zu sprinten. Aber von allen Personen, die Covid bekommen, kriegen Studien zu Folge etwa zehn bis 15 Prozent Long-Covid-Symptome, heißt es aus aktueller Datenlage. Frauen sind dabei häufiger betroffen als Männer. Long-Covid bedeutet für sie aber nicht, dass die Betroffenen für immer Probleme haben, sondern dass sie länger beziehungsweise anhaltende Symptome behalten und dass ihre Leistungsfähigkeit während dieser Zeit eingeschränkt ist – sei es die mentale oder die physische Leistungsfähigkeit. Schätzungsweise leiden von allen Patientinnen und Patienten, die wir in unserer Praxis behandeln, etwa bis fünf Prozent an Long-Covid-Symptomen.

Welche Symptome beobachten Sie bei Ihren Patientinnen und Patienten besonders häufig?

Oft sind die Symptome einer akuten Corona-Erkrankung die gleichen wie bei Long-Covid. Allerdings gibt es Komplikationen, die häufiger vorkommen. Was vielleicht überrascht: Der Husten ist keine Komplikation. Patientinnen und Patienten berichten aber ganz oft, dass sie das Gefühl haben, eine Hantelscheibe drücke auf ihre Brust. Doch das häufigste Long-Covid-Symptom ist das chronische Fatigue-Syndrom, abgekürzt CFS.

Was genau bedeutet das?

Patientinnen und Patienten überstehen die akute Corona-Erkrankung und haben keine akuten Symptome mehr wie Fieber oder Husten, bemerken aber an sich eine Erschöpfung. Alltägliche Belastungen, wie Treppensteigen oder Konzentration bei der Arbeit können nicht wie gewohnt umgesetzt werden. Das Tückische daran ist, dass diese Symptome auch später auftreten können. Das heißt: Die Patientinnen und Patienten fühlen sich erst mal fit, gehen zur Arbeit, beginnen mit dem Sport und bemerken nach einigen Wochen, dass doch nicht alles gut läuft. Und hier besteht das große Problem: Viele Leute überschätzen sich, ohne dass man es ihnen vorwerfen könnte. Man muss die Symptome ernst nehmen und wissen, dass es so etwas wie Long-Covid gibt.

Welche psychischen Auswirkungen hat Long-Covid auf Sportlerinnen und Sportler?

Wir sehen in jedem Fall, dass sie psychisch belastet sind – vor allem durch die Isolierung gerade in Pandemie-Zeiten, vor allem dann, wenn sie Mannschaftssport betreiben. Bei der Wiedereingliederung machen sie sich Sorgen, den Anschluss zu verlieren, und fragen zum Beispiel, ob sie jemals wieder auf hohem Niveau Sport betreiben können. Es gibt Menschen, die wirklich Existenzängste haben, weil sie ihren Job verloren und noch über mehrere Monate später Beschwerden haben.

Und was sagen Sie diesen Menschen?

Auch hier ist Aufklärung wichtig: Es gibt wenige spezielle Long-Covid-Ambulanzen, und es gibt auch Selbsthilfegruppen. Auch über die Seite Infektionsschutz.de kann man sich gut über Reha-Möglichkeiten, Selbsthilfegruppen und Long-Covid-Ambulanzen informieren.

Was hat sich für Sie als Mediziner verändert, seit Sie Long-Covid-Patienten behandeln?

Ich hatte ein Schlüsselerlebnis. Vor etwa einem Jahr kam ein Patient zu mir und sagte, dass er Druck auf der Brust habe. Zuerst habe ich das nicht mit Corona in Verbindung bringen können und gedacht, es sei nicht besorgniserregend. Dennoch habe ich den Patienten weiter untersucht und erst mal orthopädische Ursachen ausgeschlossen. Nach mehreren Nachfragen und weiteren Untersuchungen stellte sich bei dem Patienten heraus, dass er eine kleine Lungenembolie hatte. Das hat mir die Augen geöffnet, bei entsprechendem Verdacht bis in das letzte Detail eine Post-Covid-Erkrankung oder eine Komplikation dieser auszuschließen.

Das Gespräch führte Patricia Friedek.

Zur Person

Alberto Schek

ist Mediziner für Sport und Prävention bei den Paracelsus Kliniken in Bremen. Neben seinem Fachbereich Orthopädie und Unfallchirurgie kümmert er sich seit der Corona-Pandemie auch um die Rehabilitation von Long-Covid-Erkrankten.

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