Der Titel bleibt in Bremen: Bei der Weltmeisterschaft der Lateinpaare in der Altersklasse Junioren II setzte sich das für den gastgebenden Grün-Gold-Club Bremen startende Nachwuchspaar Luna Albanese/Dimitrii Kalistov souverän mit allen Einsen durch. Die beiden 15-Jährigen sorgten damit am späten Samstagabend für großen Jubel beim heimischen Anhang und für Freudentränen bei den Eltern Uta und Roberto Albanese sowie Dimitriis Mutter Lyubov Kalistov, die bei der Siegerehrung Hand in Hand mitgefiebert hatten. Es ist der erste WM-Titel eines Tanzpaares aus dem Bundesland Bremen seit dem Triumph von Andrea und Horst Beer aus Bremerhaven im Jahr 1985.
Das Grün-Gold-Paar hatte tänzerisch voll überzeugt, mit viel Ausdruck und sehr harmonisch getanzt. "Es war unser Ziel, Weltmeister zu werden", sagte Luna Albanese, die auf dem Parkett auch mit ihrem schwarzen Kleid und der weißen Blume im Haar einen auffälligen Eindruck hinterlassen hatte. "Wir sind schon ein gutes Paar", erklärte Dimitrii Kalistov. Ein Paar, das mit hoher Qualität und Balance über das Parkett schwebte und mit viel Gefühl und Seele tanzte. Platz zwei ging an Rumänien, Platz drei an Lettland.
66 Paare aus aller Welt waren ins Congress-Centrum nach Bremen gekommen, um den Wertungsrichtern und dem Publikum, in dem auch Ex-Werder-Profi Ailton saß, ihre Fertigkeiten in den lateinamerikanischen Tänzen Samba, Cha Cha, Rumba, Paso Doble und Jive zu präsentierten. Der Wettbewerb hatte für die Aktiven bereits am Vormittag mit der ersten Vorrunde begonnen. Die Durchgänge ab dem Viertelfinale mit den besten 24 Paaren waren dabei am Abend eingebunden in eine große Galanacht mit Livemusik der Starlight Band.
WM-Titel der bisher größte Erfolg
Für das Bremer Paar ist dieser WM-Titel der größte Erfolg in der noch jungen Karriere. Bei der WM im vergangenen Herbst hatten Albanese/Kalistov als jüngerer Jahrgang in Sibiu/Rumänien bereits das Finale der besten Sechs erreicht und im Feld der insgesamt 55 gestarteten Paare am Ende Platz sechs belegt. Nun also gelang den 15-jährigen Grün-Gold-Talenten, die seit Februar 2019 zusammen tanzen und national bereits vier Meistertitel gewonnen haben, der ganz große Wurf.
Dieser WM-Triumph ist das Resultat harter, disziplinierter Arbeit. Der Werdegang des Paares wiederum ist bemerkenswert. Luna Albanese, neunter Jahrgang an der Sportbetonten Schule an der Ronzelenstraße in Bremen und Mitglied im Bundeskader, hatte zuvor bereits längere Zeit mit einem Partner aus Berlin zusammengetanzt. Der Partner war indes zwei Jahre älter, sodass die junge Bremerin zum einen schon regelmäßig in der höheren Altersklasse starten musste. Zum anderen aber war der Partner kleiner als Luna Albanese, und deshalb habe man reagieren müssen, sagte Trainerin Uta Albanese dem WESER-KURIER.
Da sich in Deutschland von der Körpergröße her kein passender Junge fand, wurde die Suche tatsächlich international ausgeweitet. Vater Roberto Albanese, als Trainer, Wertungsrichter und Choreograf in der Tanzsportszene weltweit vernetzt, nutzte dabei seine Kontakte. Kurz darauf flatterte eine Bewerbung aus der Ukraine ein: Lyubov und Alexandre Kalistov suchten für ihren tanzsportbegeisterten Sohn Dimitrii ebenfalls nach einer neuen Partnerin. Ein erstes Probetraining in Bremen verlief vielversprechend. Das Paar wurde beim ersten Turnierstart norddeutscher Meister, der Grundstein war gelegt. "Es hat gleich gut funktioniert", sagte Uta Albanese.
Fortan trafen sich Luna und Dimitrii in regelmäßigen Blöcken von sechs oder auch zehn Wochen zum gemeinsamen Training, Schule fand für "Dima" Kalistov in solchen Phasen online statt. Gerade vor wichtigen Meisterschaften war dies der Fall. Dazwischen wurde allein gearbeitet, nach Ausbruch der Corona-Pandemie sah sich das Duo dann zunächst ein ganzes Jahr lang nicht. Seit gut zwölf Monaten aber konnte wieder zusammen trainiert werden. Corona spielte eine zunehmend kleinere Rolle, die Normalität kehrte zurück – bis Russland Ende Februar dieses Jahres in die Ukraine einmarschierte.

Siegerehrung: Platz eins für Luna Albanese und Dimitriii Kalistov vom Grün-Gold-Club Bremen.
Familie Kalistov wollte Kiew nach Kriegsbeginn verlassen
Plötzlich wurde es dramatisch – auch für die Familien der beiden Nachwuchstänzer. So schnell wie möglich sollte Dimitrii Kalistov mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder raus aus Kiew, raus aus der Ukraine. Es begann eine viertägige Flucht, wobei die Familie Kalistov immer im engen telefonischen Kontakt mit Uta und Roberto Albanese stand. Weil die zunächst angesteuerten Grenzübergänge nach Polen und Ungarn überfüllt waren, fuhr Familie Kalistov mit dem vollgepackten Auto weiter Richtung Rumänien. Ausreisen durften dann aber nur Mutter Lyubov und der jüngere Sohn Dimitrii, die seither bei Albaneses in Bremen Unterschlupf gefunden haben. Der ältere Bruder und Vater Alexandre weilen immer noch in der Heimat.
Für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Angst und Sorge um das Wohlergehen der Liebsten prägt seit Wochen schon den Alltag. Umso schwerer war es, sich an diesem Wochenende komplett auf den Tanzsport zu fokussieren und diese Sorgen auszublenden. Und umso bemerkenswerter war im Besonderen der Auftritt von "Dima" Kalistov, der nicht nur großartig tanzte und Haltung bewies, sondern auch mit einer perfekten Führung glänzte. Der tosende Applaus der Zuschauer bei der Siegerehrung und beim abschließenden Siegertanz war Balsam auf so manche Wunde.