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Tanzsport Tränen und Gänsehaut in Berlin

Der Ehrentanz wird zu einem Moment der Tränen: Die deutsche Meisterschaft im Paartanzen der Hauptgruppe S Latein steht zum Abschluss ganz im Zeichen der Völkerverständigung und der Solidarität.
21.03.2022, 18:13 Uhr
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Tränen und Gänsehaut in Berlin
Von Frank Büter

Am Ende wurde es emotional, und es flossen reichlich Tränen. Es war eine Szenerie, der sich trotz der eher kühleren Turnhallen-Atmosphäre niemand im Sport-Centrum Siemensstadt in Berlin-Spandau entziehen konnte. Ob Zuschauer, Ehrengäste, Schlachtenbummler, Wertungsrichter oder die Aktiven selbst – alle waren sie in dieser Situation vereint, als auf dem Parkett das alte und neue Siegerpaar Marius-Andrei Balan/Khrystyna Moshenska eine Rumba tanzte. Der dargebotene Musiktitel beim Ehrentanz des amtierenden Welt- und Europameisters lautete: "Umarmungen".

Die deutsche Meisterschaft im Paartanzen der Hauptgruppe S Latein stand zum Abschluss ganz im Zeichen der Völkerverständigung und der Solidarität. Khrystyna Moshenska ist gebürtige Ukrainerin. Ebenso übrigens wie die Zweitplatzierte Anna Salita. Moshenska trug im Finale und auch bei diesem Ehrentanz ein blau-gelbes Kleid. Auch im Publikum sah man viele blau-gelbe Schleifen und Armbinden. Dazu Fahnen auf den Tischen, die komplette Halle wirkte plötzlich wie in Blau und Gelb getaucht. Schwarz-Rot-Gold suchte seinen neuen nationalen Meister – und kürte diesen in den ukrainischen Nationalfarben.

"Das war einfach nur krass", sagte der Bremer Tänzer Daniel Dingis. Zusammen mit seiner Partnerin und Lebensgefährtin Alessia Gigli gehörte er zum Feld der 44 teilnehmenden Paare bei dieser deutschen Meisterschaft. Ein Starterfeld, dem viele Tanzsportler mit Migrationshintergrund angehören; viele Teilnehmer stammen aus Russland, aus der Ukraine oder aus Rumänien. "Man darf gar nicht darüber nachdenken, dass wir hier tanzen dürfen, während andere Menschen leiden und ihr Land verlassen müssen", sagte Dingis mit Blick auf den Ukraine-Krieg und räumte unverhohlen ein: "Bei diesem Ehrentanz sind auch bei mir die Tränen gekullert."

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Darja Titowa zeigte sich ebenfalls sehr ergriffen. "Es ist schön, dass der Sport Raum und Energie lässt für solche Momente, wenn die Welt ins Wanken gerät", sagte die 31-Jährige, die bei diesen Meisterschaften zusammen mit ihrem Partner Fabian Taeschner erstmals die Farben des Grün-Gold-Clubs Bremen vertrat. Erst Anfang Februar hatte sich das aus Hessen kommende Paar dem Bremer Klub um Cheftrainer Roberto Albanese angeschlossen. Die Arbeit habe sich dabei schon ausgezahlt, betonte Taeschner. "Wir haben ein Zeichen gesetzt und uns gut präsentiert." Platz zehn stand am Ende zu Buche, man habe gezeigt, dass man zur deutschen Spitze gehöre, sagte Taeschner.

Ganz so weit nach vorne ging es für Simon Pozarski (16) und seine erst 14-jährige Partnerin Emily Pavliniova zwar noch nicht – trotzdem war das junge Grün-Gold-Paar vollauf zufrieden. Als jüngste Teilnehmer im Feld erreichten Pozarski/Pavliniova einen beachtlichen 17. Platz. Erst vor knapp vier Monaten haben die beiden als Duo zusammengefunden. Er lebt in Herford, sie in Frankfurt. Trainiert wird zumeist allein, vor wichtigen Ereignissen wie einer solchen DM aber trifft man sich dann vor Ort in Bremen.

Zum zweiten Mal nahm der Gymnasiast Pozarski nun schon an diesen Titelkämpfen in der Hauptklasse teil. Bei der Premiere im Jahr 2021 tanzte er noch an der Seite von Sandra Kretz, die aber jetzt aus der Jugendklasse aufrückt und sich nach dem Abitur anderen Aufgaben widmen möchte. Pozarskis Lieblingstanz unter den fünf Lateintänzen ist der Paso Doble, "wegen seines Elans, seiner Aggressivität und seiner Schönheit", sagte er. Kurzfristig will er naturgemäß noch in seinem Altersbereich Erfolge feiern, etwa bei der deutschen Jugendmeisterschaft im kommenden Mai in Pinneberg. Ausflüge wie dieser nach Berlin, bei denen er unter anderem von seiner Schwester Evelyn (23) tatkräftig unterstützt wird, möchte er aber nicht missen. Immerhin habe man hier die Gelegenheit, als Sportler zu reifen, wertvolle Erfahrungen zu sammeln und intensive Momente zu erleben. "Sport verbindet und gibt Hoffnung", sagte der 16-Jährige. "Es ist schön, als Tänzer auf dem Parkett Emotionen zeigen und teilen zu können – das ist etwas sehr Besonderes."

Es gab also Tränen der Rührung in Berlin, Tränen des Leids und auch der Freude. Man habe es sehr genossen, nach fast fünfmonatiger Wettkampfpause mal wieder auf der Fläche zu stehen, erklärten Daniel Dingis und Alessia Gigli nach ihrem starken vierten Platz im Finale. Das letzte Turnier hatte das Bremer Duo im November in Rumänien bestritten. "Platz vier war unser Ziel, und das haben wir erreicht", sagte Dingis. "Wir waren echt fit und auf den Punkt voll da."

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Dingis/Gigli sind beide erst 23 Jahre alt. Ihnen gehört die Zukunft in Deutschland, die Konkurrenz ist deutlich älter. "Wir werden in den nächsten Jahren weiter angreifen", sagte Dingis, man schielt also absehbar auch mal auf einen Treppchenplatz, der in diesem Jahr noch nicht greifbar war. Beim Ergebnis gab es nämlich keine zwei Meinungen unter den Juroren: Das Bremer Paar erhielt alle Vieren für Platz vier, entsprechend groß war der Punktabstand auf die Drittplatzierten Razvan Dumitrescu/Jacqueline Joos (Pforzheim).

Zufrieden waren sie trotzdem. Und zur Belohnung gab es im Anschluss im Hotel dann auch noch eine kleine Feier mit Freunden und befreundeten Paaren. Und es gab überdies noch eine weitere Belohnung, die ebenfalls sehr emotionale Züge hatte. Denn schon am Sonntagmorgen ging es für das Bremer Paar weiter in den Urlaub. Daniel Dingis und Alessia Gigli flogen von Berlin aus nach Rom. "Dort lebt Alessias Oma", erklärte Daniel Dingis. Bei der Großmutter angekommen, gab es erst einmal eine große Portion Ravioli – und im Anschluss ging es für die Tänzer tatsächlich noch weiter ins Fußballstadion. Am Sonntag war nämlich Derbyzeit in Rom, AS spielte gegen Lazio. Für Bayern-Fan Dingis ("Darf ich das so sagen?") ein nettes Event, für AS-Fan Gigli war dieses Ereignis angesichts des Endstands von 3:0 für ihren Klub indes sogar noch ein weiterer Höhepunkt des Wochenendes.

Ergebnisse: 1. Marius-Andrei Balan/Khrystyna Moshenska, Schwarz-Weiß-Club Pforzheim (5); 2. Artur Balandin/Anna Salita, T.T.C. Rot-Weiß-Silber Bochum (10); 3. Razvan Dumitrescu/Jacqueline Joos, Schwarz-Weiß-Club Pforzheim (15); 4. Daniel Dingis/Alessia-Allegra Gigli, Grün-Gold-Club Bremen (20); ... 10. Fabian Täschner/Darja Titowa, Grün-Gold-Club Bremen; ... 17.-21. Simon Pozarski/Emily Pavliniova, Grün-Gold-Club Bremen; ... 29.-30. Alexander Kopka/Michelle Casjens, Grün-Gold-Club Bremen; ... 31. Leon Falke/Anastasia Shishkina, Grün-Gold-Club Bremen

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