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Tischtennis-Bundesliga Der Unterschiedsspieler: Kirill Gerassimenko trumpft bei Werder auf

In der Tischtennis-Bundesliga hat sich Kirill Gerassimenko von Werder Bremen als entscheidender Spieler bewiesen. Seine starken Leistungen und Siege haben die Saison geprägt. Was ihn besonders auszeichnet.
28.03.2025, 05:00 Uhr
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Der Unterschiedsspieler: Kirill Gerassimenko trumpft bei Werder auf
Von Florent Comtesse

Eigentlich steigt das Saisonfinale für Werders Tischtennisprofis etwas zu früh. Erreichten die Grün-Weißen in der vergangenen Saison noch mit Platz vier in der Liga die Play-offs, geht es in der letzten Partie in der heimischen Klaus-Dieter-Fischer-Halle gegen den Tabellenführer aus Ochsenhausen an diesem Sonnabend (18 Uhr) eigentlich nur noch um die so viel zitierte goldene Ananas. Zu viele Matches wurden in den vergangenen 21 Liga-Begegnungen knapp verloren, sodass Werder oben noch ein Wörtchen hätte mitreden können.

Doch die Profis von Trainer Cristian Tamas zeigten besonders im Saisonendspurt, dass sie eigentlich bereit gewesen wären für mögliche Play-offs – gewannen sie doch vier der letzten fünf Spieltage. Dabei stach besonders Werders Kasache Kirill Gerassimenko heraus: "Es ist ein wenig traurig, dass jetzt schon das letzte Liga-Spiel ansteht, ich bin momentan sehr gut in Form."

Er entwickelt sich unfassbar gut in den letzten Jahren und hat sich spielerisch enorm verbessert. Auch im Kopf.
Werder-Trainer Cristian Tamas über Kirill Gerassimenko

Vielleicht ist "sehr gut in Form" fast schon untertrieben, resümiert man Gerassimenkos Leistungen der letzten Wochen. "Er ist ein Weltklasse-Spieler", betont Werder-Manager Sascha Greber. Sieben Einzel in Folge gewann der 28-Jährige als Werders Nummer eins und sicherte Werder viermal den Sieg. Gerassimenko belegt aktuell mit 21:10-Siegen den siebten Rang in der Tabelle der besten Bundesliga-Spieler – unter anderem vor dem deutschen Starspieler Patrick Franziska. "Das war definitiv die Saison mit den meisten Spielen für mich, und auch nicht schlecht. Aber da geht natürlich noch mehr", sagt der Kasache.

Schon die ganze Saison über zeigte Gerassimenko eine Nervenstärke, die erstaunlich ist: Der 28-Jährige zog nicht nur gnadenlos sein athletisches, aggressives Angriffsspiel mit vielen Ballwechseln durch. Er wehrte ein ums andere Mal zahlreiche Matchbälle ab – und münzte teils hohe Rückstände in Siege um. Das attestiert ihm auch sein Trainer Cristian Tamas: "Er entwickelt sich unfassbar gut in den letzten Jahren und hat sich spielerisch enorm verbessert. Auch im Kopf."

Mit zwölf nach China, mit 15 nach Österreich

Doch, woher kommt diese mentale Kraft? Der 28-Jährige erinnert sich an seine Kindheit: "Ich glaube, die kommt von meinem Vater Gennady. Der sagte mir schon früh, dass ich um jeden Punkt bis zum Ende der Matches zu kämpfen habe oder eigentlich sogar bis zum Händeschütteln nach der Partie". Aber auch seine durchaus ungewöhnliche Lebensreise stärkte ihn.

Es war hart. Ich musste um fünf Uhr aufstehen und kam ich zu spät, dann gab es auch mal was mit dem Rohrstock.
Kirill Gerassimenko

Alles fing in der kasachischen Hauptstadt Astana an – wo der Sommer mit 35 Grad heiß und der Winter mit bis zu minus 50 Grad bitterkalt ist. "Natürlich musste ich auch bei minus 35 Grad zum Training. Da lag Schnee bis zu meinem Bauch hoch", erinnert sich Gerassimenko. Der Vater trainierte ihn mit Strenge – doch sein erster Auslandsumzug ins chinesische Sportinternat mit zarten zwölf Jahren sollte seinen Geist noch mehr auf die Probe stellen.

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"Es war hart. Ich musste um fünf Uhr aufstehen und kam ich zu spät, dann gab es auch mal was mit dem Rohrstock." Doch rückbetrachtend war der Drill in Asien genau das richtige für ihn, wie er sagt. Auch wenn die Einsamkeit teils schwer zu verdauen war. Denn bereits drei Jahre später folgte der Schritt nach Europa in die Werner-Schlager-Akademie in die Nähe von Wien.

"Als ich in Österreich ankam, habe ich mich erstmals komplett frei gefühlt, was aber auch dazu führte, dass ich einigen Blödsinn gemacht habe. Und als ich gesehen habe, dass ich mit den anderen in der Trainingsgruppe nicht mithalten konnte, musste ich etwas ändern." Fortan nahm er sich an den Profis ein Vorbild – nicht nur, was sein Spiel angeht, sondern auch um als junger Erwachsener zu reifen. Mit 21 Jahren debütierte er in der österreichischen Bundesliga, ein Jahr später folgte der Wechsel in die deutsche. "All diese Erfahrungen ergeben eine gute Kombination. Das könnte der Grund sein, warum sich alles so gut entwickelt hat."

Besondere Begegnung mit Timo Boll befreite ihn

Seit sechs Jahren ist er nun in Bremen – und hat sein Glück wahrlich gefunden. "Ich habe direkt das Gefühl gehabt, ich habe eine Art Familie hier", sagt er. Nicht umsonst verlängerte Gerassimenko erst kürzlich seinen Vertrag um zwei Jahre – trotz guter Angebote: "Es waren Top-Klubs dabei und auch welche, die mir mehr Geld geboten hätten. Aber das hier will ich nicht aufgeben, weil mir so viel geholfen wurde. Die Bedingungen sind super, wir haben alles, was wir brauchen. Ich könnte mir auch vorstellen, meine Karriere hier zu beenden."

Nur an den Status als Werders Nummer eins muss sich Gerassimenko noch gewöhnen. War in den vergangenen Saisons Teamkollege Mattias Falck ("der große Bruder") meist Top gesetzt, ist es seit dieser Saison der Kasache: "Ich habe Druck gefühlt, aber ich musste lernen, damit klar zu kommen. Ich habe mir gesagt: 'Wir sind ein Team, da sind Menschen, die helfen'."

Wir wollen in die Play-offs, und ich würde gerne in die Top-Fünf der Liga.
Kirill Gerassimenko

Hilfe holte sich der 28-Jährige aber auch bei den Top-Spielern der Liga. Eine Anekdote mit dem Ex-Weltranglisten-Ersten Timo Boll will er da nicht verheimlichen: "Ich saß neben ihm im Auto und ich traute mich erst nicht, ihn anzusprechen. Aber dann fragte ich ihn, wie er eigentlich mit Schwankungen umgeht, und er sagte mir: 'Fokussiere dich, was du täglich geben kannst, und denke positiv.' Das hat mich befreit."

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Befreit will er nun auch im letzten Saisonspiel antreten: "Ich will natürlich auch noch mal einen Sieg landen." Denn für die nächste Saison stehen die Ansprüche schon: "Wir wollen in die Play-offs, und ich würde gerne in die Top-Fünf der Liga." Weit davon entfernt ist Gerassimenko nicht mehr.

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