Es gibt noch keine Einigung mit dem Vermieter der Flächen im Kontorhaus am Markt. Der Senat will nach Informationen des WESER-KURIER aber trotzdem noch in diesem Monat einen Grundsatzbeschluss fassen und damit den Weg freimachen für das geplante Stadtmusikanten- und Literaturhaus. Das Zehn-Millionen-Projekt ist eine Idee von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD). Er möchte, dass Bremen sich stärker eine Marke zunutze macht, die weltweite Geltung hat. Wenn schon nicht Werder, soll zumindest das berühmte Quartett aus Esel, Hund, Katze und Hahn zu Hause und international glänzen.
Wann geht es los?
Der Start ist für 2025 geplant. Zu den rund zehn Millionen Euro für die Ausstattung kommt laut Senatsvorlage ein jährlicher Zuschuss von 1,7 Millionen Euro. Finanziert wird damit auch eine Touristeninformation in dem Gebäude. Vor der Entscheidung über das Projekt ist ein Gutachten eingeholt worden. Demnach darf, defensiv geschätzt, im Durchschnitt der ersten fünf Betriebsjahre mit mehr als 80.000 Besuchern pro Jahr gerechnet werden. Eine Menge, die den Betrieb des Hauses zwar nicht auskömmlich macht, nach Auffassung der Gutachter aber in anderer Weise einen wirtschaftlichen Nutzen bringt: "Insgesamt werden durch die innerhalb und außerhalb der Einrichtung entstehenden Bruttoumsätze von rund 5,3 Millionen Euro beachtliche Einkommens- und Beschäftigungseffekte für Bremen und die umliegende Region ausgelöst", heißt es in der Expertise.
Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten sei als Teil des Werks der Brüder Grimm ein kultureller Schatz, der sich wie kaum etwas Vergleichbares in allen Schichten der Bevölkerung großer Beliebtheit erfreue, wird in der Senatsvorlage hervorgehoben. Die grimmschen Erzählungen gehörten neben der Luther-Bibel zu den am meisten verbreiteten Büchern deutscher Sprache. Daraus wolle Bremen stärker Kapital schlagen.
Das Konzept für die Ausstellung
Die Stadtmusikanten nicht mehr nur als Bronzeplastik am Rathaus – ein Muss für alle Touristen. Auch nicht allein als Werbung, wenn das Tierensemble auf Trinkbechern prangt, als Schlüsselanhänger dient oder ans Revers geheftet wird.
Die trotzig-optimistische Schicksalsgemeinschaft vielmehr als Chiffre für Not und Bedrängnis, für Solidarität und Selbsthilfe, die daraus erwachsen können, für Toleranz, Teamgeist und Erfindungsreichtum. Solche Ansätze soll die Ausstellung im Stadtmusikantenhaus verfolgen und damit über eine möglichst packende Erzählung des Märchens weit hinausgehen. So steht es im Konzept, das der Beschlussempfehlung für den Senat beigefügt ist.
Das Ausstellungshaus mit einem Mix aus Bildung und Unterhaltung wird sich auf zwei Geschosse verteilen. Kern ist eine rund 300 Quadratmeter große Halle, die bis zu 200 Besucher fasst. Sie soll für Inszenierungen genutzt werden. Eine Etage höher ist auf rund 800 Quadratmetern eine Erlebnisausstellung geplant. In einem früheren Papier wird in vier Punkten das inhaltliche Spektrum abgesteckt: Die politischen und sozialen Bedingungen zu der Zeit, als das Märchen entstand, also vor etwas mehr als 200 Jahren. Solidarität als Mittel der Befreiung aus Ausbeutung und Unterdrückung. Flucht, Migration und Auswanderung als historisches und aktuelles Phänomen. Und der Gedanke, fintenreich zu widerstehen: Um ihre Feinde abzuschrecken, bauten sich die Tiere im Märchen zu einer Pyramide auf.
Ein Ort auch für die Literatur
Die Bremer Stadtmusikanten sind Literatur – so eng gefasst ist das aber nicht gemeint, wenn das Kontorhaus ebenso eine Heimat für Buchliebhaber werden soll, eine Anlaufstelle für Schriftsteller und Leser. Gedacht wird von den Planern an Formate wie Lesungen, Diskussionen und musikalische Darbietungen. Platz soll auch für eine Buchhandlung sein und ein Literaturcafé. "Es gibt bislang keinen zentralen und expliziten Ort für die Bremer Literaturszene", stellen die Autoren der Senatsvorlage fest. Bereits bestehende Initiativen der Literaturförderung könnten zusammengeführt werden.
Dieser Aspekt hat im Laufe der Diskussionen mehr Gewicht bekommen. Das Stadtmusikantenhaus ist im Arbeitstitel um den Begriff Literaturhaus erweitert worden. Ein Grund könnte sein, dass Bremen um eine Auszeichnung buhlt: "Eine solche Einrichtung würde die Aussichten auf eine erfolgreiche Bewerbung um den Unesco-Titel ,City of Literature' steigern, die für 2023 vorgesehen ist", schreiben die Behörden.
Noch keine Einigung mit Vermieter
Grob kalkuliert müssten für die Kombination aus Stadtmusikanten- und Literaturhaus 9,8 Millionen Euro investiert werden. Die eine Hälfte komme als Zuschuss vom Bund. Die andere bringe Bremen auf und wolle dabei auf den Fonds zur Linderung der Pandemie-Folgen zurückgreifen. Das Projekt, so die Argumentation, helfe der Innenstadt, die unter Corona leide.
Der Senat hat noch keine Klarheit, ob die Räume im Kontorhaus tatsächlich zur Verfügung stehen. Eigentümer der Immobilie ist Christian Jacobs aus Bremens Kaffee-Familie. "Eine abschließende Einigung konnte noch nicht erzielt werden", wird in der Vorlage nüchtern vermerkt. Gründe werden keine genannt.