Alles mit Naturholz gebaut, alles mit ökologischen Materialien gedämmt – alles verbrannt: Die Fliegerhalle ist nicht das einzige Gebäude, das am letzten Juni-Wochenende zerstört wurde. Auch das Tiny House, an dem ein Blumenthaler über Monate in dem historischen Industriebau im Kämmerei-Quartier gearbeitet hat, ist vernichtet. Während von dem Winzlingshaus nichts mehr übrig geblieben ist, stehen von der Halle noch drei Mauern. Um einen Totalschaden, so viel steht inzwischen für die Wirtschaftsbehörde fest, geht es allerdings auch bei dem Klinkergebäude. Weil die denkmalgeschützte Grundsubstanz weg ist, gibt es auch kein Denkmal mehr.
Mark Christiansen ist am Sonntag vom Flughafen sofort zur Brandstelle gefahren. Wie es auf dem Grundstück aussieht, wo die Halle mal war, haben ihm Freunde am Telefon geschildert. Der IT-Sicherheitsberater wollte das Trümmerfeld trotzdem mit eigenen Augen sehen. Christiansen sagt, dass es gut war, ihn im Urlaub über das Feuer zu informieren. Sonst, meint er, hätte ihn der Anblick noch mehr zugesetzt. Vor fast einem Jahr hat er die Halle von der Wirtschaftsförderung gemietet und seither am Wochenende und nach Feierabend an einem Tiny House für sich gearbeitet. Wo es gestanden hat, sieht es so aus, wie überall auf dem abgesperrten Areal: verrußt, verkohlt, pechschwarz.
Der Blumenthaler hat nach eigenem Bekunden nur seinen besten Freuden erzählt, was er in der Fliegerhalle macht – und der Wirtschaftsförderung. Doch so sehr er im Verborgenen arbeiten wollte, geheim blieb sein Projekt nicht. Über Silvester fand er Feuerwerksraketen auf dem Dach seines kleinen Selbstbauhauses, die irgendjemand durch die kaputten Scheiben des Industriebaus geschossen hatte. Das teilte er seinem Vermieter mit. Christiansen sagt, sich darüber im Klaren gewesen zu sein, dass sich ein leerer Altbau nicht so absichern lässt wie ein Neubau, schon gar nicht eine 85 mal 25 Meter große Halle. Dennoch glaubte er, dass alles gut gehen würde. Auch deshalb, weil es nach dem Vorfall zunächst ruhig blieb.

Eingestürzt: Das Dach des Industriebaus ist bei dem Brand ebenso zusammengefallen wie eine Seitenwand. Vom Tiny House, das in der Halle gebaut wurde, ist nichts mehr übrig.
Ungefähr vier Wochen noch, dann sollte das Tiny House auf einen Sattelschlepper kommen und aus der Halle gezogen werden. Christiansen sagt, dass der erste Teil seines Holzhauses von außen fertig war und innen nicht mehr viel gefehlt hat. Die Wände waren inzwischen mit einem schwer entflammbaren Material versehen und gerade mit Lehm verputzt worden, als er sich jetzt eine kurze Auszeit nahm. Im Bad hatte er alles für den Einbau des Warmwasserspeichers und die Elektrik vorbereitet. Der Tiny-House-Bauer sagt, ohne Strom aus der Steckdose gearbeitet zu haben und dass die Energie für seine Akku-Arbeitsgeräte von der Fotovoltaik-Anlage auf seinem Balkon gekommen war. Die meisten Werkzeuge sind verbrannt.
Genauso wie das restliche Baumaterial, der Anhänger, mit dem er es transportiert hat – und neues transportieren wollte. Das Winzlingshaus sollte größer werden. Christiansen wollte eine Veranda mit Küche anbauen. Zusammen wäre das Gebäude auf 40 Quadratmeter gekommen. Er hat noch nicht ausgerechnet, wie viel er bisher in sein Vorhaben investiert hat, schätzt aber, dass es allein an Baustoffen rund 30.000 Euro und seine Arbeitsstunden noch einmal das Doppelte wert waren. Er spricht von Hunderten. Demnächst wird er für die Versicherung eine genaue Aufstellung machen müssen. Christiansen sagt, dass er nicht weiß, wie viel der Gebäudeschutz der Wirtschaftsförderung übernimmt. Er geht von Brandstiftung aus.
Ob es tatsächlich eine war – was nach dem Feuer vor fünf Jahren die zweite wäre – , ist unklar. Die Ermittler der Kriminalpolizei sind zwar mittlerweile bei der Brandstelle gewesen, aber noch nicht im Trümmerfeld. Weil die drei verbliebenen Mauern der Fliegerhalle nach dem Einsturz des Daches nicht mehr sicher stehen, kann die Spurensuche, zu der ein externes Unternehmen hinzugezogen ist, erst richtig starten, wenn für niemanden mehr Gefahr besteht. Nastasja-Klara Nadolska geht davon aus, dass das in den nächsten Tagen der Fall sein wird. Die Polizeisprecherin rechnet zumindest damit, dass Ende der Woche die Brandstelle betreten werden kann. Nach ihren Worten gehen die Ermittlungen der Beamten in alle Richtungen.

Gebaut wie ein Hangar: die Fliegerhalle, wie sie nach der ersten Brandsanierung ausgesehen hat. Damals bekam das Gebäude unter anderem ein neues Dach.
In der vergangenen Woche waren nicht nur Kriminalbeamte im Kämmerei-Quartier, sondern auch andere, die nach dem Feuer eingeschaltet wurden. Das Wirtschaftsressort hat sie in einem Schreiben aufgelistet: Versicherungsvertreter, Sachverständige, Denkmalpfleger, Entscheider der Wirtschaftsförderung. Die Post der Behörde ist eine Antwortpost an den Beirat. Die Stadtteilpolitik hat noch am Brand-Wochenende einen Beschluss gefasst, der mehrere Behörden zum Handeln auffordert – Wirtschaft, Bau, Denkmalamt. Alle drei sollten prüfen, was nun werden soll, vor allem mit dem Millionenprojekt, aus der früheren Lagerhalle eine Schwimmhalle zu machen. Die Wirtschaftsbehörde hat die Antworten der Adressaten gebündelt.
Und nach denen steht nicht nur fest, dass die Reste der Fliegerhalle kein Denkmal mehr sind. Sondern auch, dass die drei Mauern, die noch stehen, für die Brandermittlung abgerissen werden müssen. Und dass die Finanzierung eines eventuellen Neubaus für ein Schwimmbad mit Kulturmitteln deshalb ausgeschlossen werden kann. Anders sieht es vielleicht mit Zuschüssen des Städtebaus aus. Die Wirtschaftsbehörde will jedenfalls klären, ob eine neue Halle gegebenenfalls als Projekt in das Entwicklungskonzept aufgenommen werden kann, mit dem Bremen das Stadtteilzentrum und die angrenzenden Quartiere voranbringen will – auch mit Millionen vom Bund.