Immer wieder haben Beiratspolitiker darauf gedrängt, dass die Stadt dabei helfen muss, das Blumenthaler Zentrum voranzubringen – und immer wieder kam es anders. Bis jetzt. Die Baubehörde ist dabei, den alten Ortskern zu analysieren. Sie will festlegen, was er werden soll: Förder- oder Sanierungsgebiet? Der Unterschied ist mehrere Millionen Euro groß. Und die Antwort darum entscheidend. Sie wird in den nächsten Monaten erwartet. Oliver Fröhlich liefert schon jetzt eine. Ein Rundgang mit dem Ortsamtsleiter durchs Quartier.
Der Mann sagt es gleich. Blumenthal, so wie er es sieht, ist ein Stadtteil mit Problemen, aber kein Problemstadtteil. Und zum Zentrum, so wie er es versteht, gehört nicht bloß der Marktplatz mit ein paar Häusern und Straßen drumherum. Fröhlich will zeigen, was seiner Meinung nach alles zum Ortskern zählt – und wo die Gutachter der Behörde für ihre Bestandsaufnahme unterwegs sind. Es geht um ein Gebiet von ungefähr 40 Hektar, in dem mehrere Tausend Menschen wohnen und arbeiten.
Im nächsten Frühling soll Tempo aufgenommen werden
Der Ortsamtsleiter geht voran: von der Landrat-Christians-Straße in die Nikolaus-H.-Schilling-Straße, von der Nikolaus-H.-Schilling-Straße aufs Woll-Kämmerei-Gelände. Es ist eine Fläche, die zum Teil dem Förder- beziehungsweise dem Sanierungsgebiet zugeschlagen werden könnte und von der sich die Stadtteilpolitiker viel versprechen, vor allem Impulse für die angrenzenden Quartiere. Auch Fröhlich redet so. Er zeigt auf Hallen, die abgerissen und auf Gebäude, die zu Berufsschulen umgebaut werden sollen. Im nächsten Frühjahr, sagt er, wird es mit dem Campus-Plan losgehen.
Für ihn ist das Millionenprojekt ein Beleg dafür, dass das Zentrum viel Potenzial hat. Er nennt noch andere Projekte. Manche stehen fest, über einige wird noch diskutiert. Fröhlich spricht von einer neuen Kita und von einer neuen Sporthalle. Von Gesprächen über eine weitere Wohnanlage für Senioren und ein Gebäude mit Arztpraxen. Am Busbahnhof – auch das Gelände gehört zum Untersuchungsgebiet der Behörde – zeigt der Ortsamtsleiter auf ein Lagergebäude direkt an den Eisenbahngleisen, das einem Parkdeck weichen könnte.
Es gibt noch mehr Projekte, die deutlich machen, dass sich etwas tut. Die meisten haben eines gemeinsam: Sie liegen, wenn man so will, an den Ausläufern des alten Ortskerns, der für viele eben der Marktplatz mit der Kapitän-Dallmann- und der Mühlenstraße ist. Fröhlich weiß das. Auf dem Weg dorthin nimmt die Zahl seiner Beispiele für Neu- und Umbauten ab – und die der ungelösten Probleme zu. Es geht vorbei an der Sparkasse, die bald leer stehen wird. Und vorbei am alten Rathaus, für das seit Jahren nach Nutzern gesucht wird. Genauso wie fürs frühere Postamt gegenüber.
Für einige andere Gebäude gibt es inzwischen welche. Zum Beispiel fürs Hotel Union, dessen Restaurant eine neue Pächterin hat. Zum Beispiel für ein Haus an der Kapitän-Dallmann-Straße, in dem es jetzt ein Rehazentrum gibt. Zum Beispiel für einen Laden an der Mühlenstraße, das inzwischen zu einer Burgerkette gehört. Dafür haben andere Geschäfte dicht gemacht: mal eine Werkstatt, mal ein Obsthandel. Unterm Strich hat sich die Zahl der mit Zeitungen verhängten Schaufenster kaum verändert. Fröhlich kommt auf 15 leere Läden in der Mühlenstraße.
Und weil sie keine Miete bringen, wird sich um die meisten Geschäftshäuser kaum gekümmert. Von Fassaden bröckelt der Putz und von Fensterrahmen die Farbe. Fröhlich sagt, dass das Problem grundlegend ist – und der Schlüssel, es zu lösen, die Eigentümer sind. Darum hält er nichts davon, das Zentrum zum Fördergebiet auszuweisen, damit ein paar Blumen gepflanzt werden können. Es muss, meint er, gleich zum Sanierungsgebiet erklärt werden. Denn nur dann können ihm zufolge die Eigentümer zum Handeln gebracht werden.
Mit Briefen zum Ziel
Investieren sie, gibt es Geld von Land und Bund dazu. Fröhlich glaubt, dass es keinen besseren Anreiz gibt – und keinen anderen Weg, die alte Geschäftsstraße voranzubringen. In den vergangenen Monaten hat er immer wieder Briefe an Eigentümer geschrieben. Der Ortsamtsleiter sagt, dass sich einige bereit erklärt haben, Gespräche mit den Behörden aufzunehmen, wenn das alte Zentrum zum Sanierungsgebiet wird. Er setzt darauf, dass immer mehr Eigentümer nachziehen werden, sobald die ersten anfangen, ihr Haus aufzuwerten.
Andere haben auf andere Weise versucht, dem Leerstand zu begegnen. Auch sie sprachen mit Eigentümern. Nur konnten sie ihnen nichts bieten. Die sogenannten Standortmanager sind längst weg. Geblieben ist nur ihr früheres Büro in der Mühlenstraße und der Slogan am Fenster, hinter dem es dunkel ist: Blumenthal blüht auf. Fröhlich findet, dass der Spruch wie Hohn klingt. Er hat sich dafür eingesetzt, dass Geschäftsauslagen, in denen es nichts zu sehen gibt, mit großformatigen Fotomotiven aus dem Stadtteil beklebt werden.
Und dafür, dass das Gebiet, das von der Behörde analysiert wird, noch einmal größer wurde. Erst sollte ausschließlich der vordere Teil der Mühlenstraße untersucht werden, jetzt wird auch der Abschnitt sondiert, der nach den Bahngleisen kommt. Fröhlich sagt, dass er kein Freund von halben Sachen ist. Darum gehört auch die ganze George-Albrecht-Straße mit allen Mehrfamilienhäusern links und rechts zum Arbeitsfeld der Gutachter. Und die Bahrsplate, inklusive Hafenspitze und Fähranleger, gleich mit.
Keine Erfolge zu verzeichnen bis jetzt
Der Ortsamtsleiter hält den Grünzug für genauso wichtig wie eine neue Herangehensweise an eine Sanierung: Wenn sich partout keine Pächter für die leeren Läden finden, dann muss in den Geschäftshäusern eben Wohnen möglich werden – und die Stadt damit offiziell erlauben, was verbotenerweise längst getan wird. Alles, sagt Fröhlich, ist besser als das, was bisher erreicht wurde: so gut wie nichts.
Die Analyse der Behörde
Seit diesem Jahr wird das Blumenthaler Zentrum von Mitarbeitern der Behörde sondiert. Jens Tittmann spricht von einer vorbereitenden Untersuchung. Der Sprecher von Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne) geht davon aus, dass den Blumenthaler Beiratsfraktionen ein erstes Zwischenergebnis Mitte Mai vorgestellt wird. Eine Entscheidung, ob der alte Ortskern nun zum Förder- oder zum Sanierungsgebiet erklärt wird, soll es nach den Sommerferien geben.
Gefördert werden mehrere Quartiere im Bremer Norden, zum Beispiel die Lüssumer Heide. Ein Sanierungsgebiet gibt es momentan weder in Blumenthal noch in Burglesum oder Vegesack. Zum Sanierungsfall wird ein Bereich, wenn die städtebaulichen Missstände so groß und komplex sind, dass sie von den Immobilieneigentümer nicht mehr beseitigt werden können, sodass ein einheitlichen Vorgehen notwendig wird. Städtebauliche Missstände liegen dann vor, wenn ein Gebiet seine ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen kann.
Wird ein Quartier zum Sanierungsfall, sind nicht nur Hauseigentümer gefragt, sich an Kosten zu beteiligen, sondern auch Land und Bund. Der Prozess, Missstände zu beseitigen, kann Jahre dauern.