Etwas über ein Jahr ist es her, seit eine Vegesacker Delegation, bestehend aus Mitgliedern der Internationalen Friedensschule, der deutsch-italienischen Gesellschaft und dem Beirat Vegesack, die Norditalienische Stadt Marzabotto besuchten. Seit 1991 verbindet beide Städte eine Partnerschaft sowie eine noch länger währende Freundschaft, die vor allem von der Friedensschule gepflegt wird. So war es selbstverständlich, dass die Italiener bei einer Reise durch Norddeutschland auch einen Stopp in Bremen-Nord einplanten. Dieser fand am vergangenen Montag in Farge statt. Genauer gesagt am Denkort Bunker Valentin, wo die Besucher auf den Spuren italienischer Kriegsgefangener wandelten.
Zum ersten Mal reisten Mitglieder der Verbände ANED (Nationaler Verband ehemaliger Deportierter in Nazi-Lagern) und ANEI (Nationaler Verband ehemaliger Militärinternierter) gemeinsam nach Deutschland. Neben Bremen standen auch Berlin sowie das KZ Neuengamme in Hamburg auf dem Reiseplan. Für letztgenanntes bildete Farge das größte Außenlager und seine Inhaftierten waren hauptsächlich am Bunkerbau beteiligt. Erschrecken sei ihr erstes Gefühl beim Betreten des Bunkers gewesen, gefolgt von Desorientierung, beschrieb Giuliana Fornale ihre Eindrücke nach dem Besuch. „Dank Christel Trouvé haben wir dann aber mehr über die Geschichte dieses Ortes und des Leidens hier erfahren“, so Fornale. Als Historikerin und Präsidentin des ANED Bologna kenne sie die Thematik zwar die Anwesenheit in der Gedenkstätte habe jedoch ihr Bewusstsein dafür, wie wichtig es sei, Geschichte zu erzählen, noch einmal verstärkt.
Erinnerungen werden über Generationen weitergetragen
Extra für die Delegation hatte die wissenschaftliche Co-Leiterin der Gedenkstätte, Christel Trouvé, das Gelände außerhalb der normalen Öffnungszeiten zugänglich gemacht. Sie führte die 25 Teilnehmer durch das Bauwerk sowie das umliegende Areal und berichtete in italienischer Sprache von der Entstehung des Gebäudes. Wichtige Themen waren auch die Situation auf der Großbaustelle und die Geschichten einiger Zwangsarbeiter. Zu diesen gehörten einige Hundert italienische Gefangene. Darunter vor allem Militärinternierte, aber auch zahlreiche deportierte Italiener. Besonderes Interesse zog die Geschichte von Elio Materassi auf sich, der ab 1943 als Zwangsarbeiter auf der Baustelle eingesetzt wurde und die Zeit dort im Gegensatz zu vielen seiner Mitgefangenen überlebte.
Dieser Fokus auf die Landsleute zog sich laut Ekkehard Bohne von der Internationalen Friedensschule durch den gesamten Besuch der Marzabotto-Delegation. „So richtig bewusst geworden, worum es der Gruppe geht, ist mir erst, als mich eine Teilnehmerin fragte, ob auch aus meiner Familie jemand betroffen gewesen ist“, so Bohne. „Alle Teilnehmer haben Angehörige, die in Lagern in Deutschland inhaftiert waren und oft auch Zwangsarbeit verrichten mussten“. Es zeigte sich zudem, dass das Interesse an der Geschichte und des Leidensweges der Vorfahren über die Generationen weitergetragen wird. So wies die Reisegruppe eine sehr gemischte Altersstruktur auf, die von drei Damen, die vor dem Beginn des zweiten Weltkriegs geboren wurden, über Teilnehmer im Alter von Mitte 30 bis zum Schulkind reichte. „Das ist das Besondere an diesem Besuch, dass auch die Jüngeren auf den Spuren ihrer Angehörigen wandeln“, so Ekkehard Bohne.
Informationen aus Archiven werden zusammengetragen
Patrizia Zanasi gehörte zu den Gästen, die nicht zum ersten Mal in Farge waren. Die Kommunalpolitikerin aus Marzabotto ist Mitglied im ANEI und organisiert die Partnerschaft zwischen ihrer Stadt und Vegesacker aktiv mit. Gemeinsam mit der Friedensschule besuchte sie den Bunker Valentin schon, als er noch von der Marine genutzt und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich war. Als Tochter eines italiensischen Militärinternierten engagiert sie sich seit langer Zeit für die Aufarbeitung der Geschichte der Betroffenen und arbeitet aktuell an einem Projekt, bei dem Informationen über Inhaftierte aus italienischen und deutschen Archiven zusammengetragen werden, um sie miteinander zu verbinden. „Ein wirklich großes und herausforderndes Forschungsprojekt“, erklärt Christel Trouvé.