Der Bremer Norden ist ein Stadtbezirk mit besonderen Herausforderungen. Darin sind sich alle einig. Deshalb ist vor gut fünf Jahren das Integrierte Struktur- und Entwicklungskonzept Bremen-Nord, kurz Isek, vom Bremer Senat verabschiedet worden. Seither fragt die CDU den Senat regelmäßig nach den Fortschritten. 2022 hat sie das getan und kürzlich sind wieder Fragen ins Rathaus geschickt worden; 76 an der Zahl. Die Antwort auf die Kleine Anfrage, wie schon der Fragenkatalog sortiert nach Politikbereichen, liegt nun vor. Insgesamt 73 Seiten voller Zahlen, Tabellen und Situationsbeschreibungen. Eine Interpretation der gesammelten Erkenntnisse liefert das Dokument mit der Kennung Drs 21/409 S nicht. Das ist laut dem Bremen-Nord-Beauftragten Martin Prange bei Kleinen Anfragen ausdrücklich nicht vorgesehen. Ebenso wenig eine Befassung in den Gremien der Bremischen Bürgerschaft.
Die Interpretation und die politische Befassung übernimmt die Fragenstellerin, also die CDU. "Es wird in dem Papier viel schöngeredet und bei festgestellten Fehlentwicklungen fehlen die Korrektive", sagt die Bürgerschaftsabgeordnete und Bremen-Nord-Chefin der CDU, Bettina Hornhues. "In manchen Punkten wird der Ernst der Lage einfach nicht erkannt." Dem widerspricht Martin Prange indirekt. "Die Botschaften sind nicht gut und die Lage weiterhin herausfordernd", räumt er ein. Ein exemplarischer Überblick.
Facharztversorgung
Die Facharztversorgung sei auf dem Papier vielleicht ausreichend, nicht allerdings im realen Leben, sagt Hornhues. In der Senatsantwort werden die Facharztstellen aufgelistet und als relativ konstant bezeichnet. "Wir wissen aber nicht, wie sich der Stundenumfang darstellt", bemängelt Hornhues. Zudem sei die Bevölkerung in Bremen-Nord gewachsen.
Leere Ladenlokale
"Eine regelmäßige Erhebung der Leerstände von Ladenlokalen durch öffentliche Stellen findet nicht statt", heißt es in der Senatsantwort. Das kritisiert Hornhues. "Damit ist diese Frage nicht beantwortet", sagt sie und kündigt an, eine weitere Kleine Anfrage stellen und diesbezüglich auch die Beiräte einbinden zu wollen. Der Senat bezieht sich auf Erkenntnisse des Vegesack Marketing, das in der Vegesacker Fußgängerzone von acht bis zehn leer stehenden Ladenlokalen ausgeht.
Armutsquote
Fraktionsvize Wiebke Winter ist besorgt über die Armutsquote in Bremen-Nord. "Die steigt an und dagegen müssen wir etwas tun", sagt sie. Hornhues weist darauf hin, das dies im Paket zu sehen sei: "Wir müssen Armut im Zusammenschluss mit Arbeit und Bildung bewerten und angehen." Auch die Pflegesituation sei ein Faktor. Eine ausgewiesene Statistik gibt es unter der Ebene der gesamten Stadt jedoch nicht. Mit Blick auf die SGB II-Quote zeichnet der Senat ein anderes Bild. Diese Quote stagniert seit 2018 mit leicht sinkender Tendenz.
Verkehr
Im Eindruck des Verkehrschaos' der vergangenen Wochen weist Winter darauf hin, dass Lesum ein Nadelöhr sei. Eines, das bei jeder Unregelmäßigkeit – beispielsweise auf der Autobahn – verstopfe. Und noch etwas anderes ist der Burglesumerin aufgefallen: Dass es schlecht um die Ladeinfrastruktur steht. Besonders schlecht ist die Situation in Burglesum. Dort gibt es laut Senatsauskunft drei öffentliche Ladepunkte. 15 gibt es in Blumenthal, 42 in Vegesack – in ganz Bremen stehen 874 zur Verfügung. "Das ist schwach und es kann nicht sein, dass es so schlecht steht", sagt Winter. Zwar gebe es in Burglesum viele Einfamilienhäuser, aber trotzdem müssten viele an der Straße parken und könnten daher keine private Ladeinfrastruktur einrichten.
Kinderbetreuung
In dem Themenfeld Kinderbetreuung zeigt sich besonders deutlich, wie groß die Herausforderung ist, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Es sind viele neue Kindertagesstätten gebaut worden. Trotzdem ist mächtig Druck auf dem System. Denn auf der Personalseite drückt deutlich der Schuh; auch wenn auf diesem Feld mit einer Quereinsteiger-Initiative für Linderung gesorgt werden soll.
Wohnungsneubau
Positiv überrascht zeigt sich Wiebke Winter von den Neubautätigkeiten. "Es ist genug Wohnraum geschaffen worden. Das hat mich positiv überrascht", sagt die CDU-Politikerin. Etwas Wasser in den Wein gießt die Union dann aber doch. Denn die meisten neuen Wohnungen seien vor vielen Jahren gebaut worden, sodass es sich dabei nicht um einen Effekt des Iseks handeln könne.
Die CDU kündigt an, das Papier nun in den Parteigremien intensiv durchzuarbeiten und dann über Anträge und eigene Vorschläge in die Gremienarbeit der Bürgerschaft einzubringen. Vor Weihnachten sei allerdings nicht mit Initiativen zu rechnen. "Mit einem Schnellschuss werden wir den Herausforderungen des Bremer Nordens nicht gerecht", sagt Hornhues.