„Armut ist ein Problem, Vermüllung ist ein Problem, Schulvermeidung ist ein Problem. Wir brauchen konkrete Hilfe in allen Lebenslagen.“ Mit diesen Worten hat der Senatsbeauftragte Martin Prange die Situation in den Blöcken an der George-Albrecht-Straße vor vier Jahren zusammengefasst. Heute sagt Prange: „Es liegen große Aufgaben vor uns. Die Problembeschreibung kennen wir alle, wir müssen wirklich Schritte gehen.“ Was sich in Blumenthals Brennpunktviertel 2022 getan hat und was in Zukunft dort passieren soll.
„Wir haben eine komplexe Problemlage, um die man sich kümmern muss“, stellte Martin Prange 2018 fest. An der George-Albrecht-Straße lebten auch damals schon viele Menschen aus bildungsfernen und ökonomisch schwachen Schichten in teils prekären Wohnverhältnissen. Prange richtete einen runden Tisch ein, der zunächst hinter verschlossenen Türen tagte, später nicht mehr regelmäßig. Als Nicolai Roth in diesem Jahr Abteilungsleiter der Polizei Nord-West wurde, versuchte er, zusammen mit Martin Prange und Ortsamtsleiter Oliver Fröhlich, der Arbeitsgruppe „neues Leben einzuhauchen“, wie er formuliert. „Wir nutzen inzwischen das Instrument des Ordnungsrechts“, berichtet Nicolai Roth, der jetzt im Innenressort arbeitet. Das Gremium ließ prüfen, ob die Wohnungen den Anforderungen des Bremischen Wohnungsaufsichtsgesetz entsprechen. „Es geht um die Frage der Bewohnbarkeit und Gesundheitsgefahren unter anderem durch Vermüllung.“
In welchem Zustand sind die Wohnungen?
Nicht funktionierende Klingeln, schief hängende Briefkästen, Müll auf dem Gelände und verunreinigte Treppenhäuser: Laut Nicolai Roth spiegelt sich der verwahrloste Zustand in einem Großteil der Wohnungen nicht wider. "Das hat uns überrascht."
Einige Wohnungen hat das Gesundheitsamt jedoch nach einer Überprüfung gesperrt. „Zwei oder drei Wohnungen sind absolut nicht bewohnbar gewesen“, berichtet Ortsamtsleiter Oliver Fröhlich auf Anfrage. Quartiersmanagerin Carola Schulz spricht davon, dass in elf der 60 Wohnungen Schimmel blühe. Was eine Sanierung betrifft, zeige sich zumindest einer von drei Eigentümern wenig gesprächsbereit. Generell fordert Schulz, dass sich Bremen um das gesamte Wohngebiet kümmern müsse: „Wir müssen nicht nur die Wohnverhältnisse ändern, sondern auch die Strukturen drumherum, wenn ein Leerstand verhindert werden soll.“ Bereits jetzt stünden 20 Wohnungen leer.
Gibt es ein Sicherheitsproblem?
„Unordnung und Müll sind ein Problem, aber nicht fehlende Sicherheit", sagt Nicolai Roth vom Innenressort. Das sei heute anders als vor zwölf oder 13 Jahren, als es wirklich ein Sicherheitsproblem gegeben habe. "Das hat sich inzwischen verändert“, betont Roth. Doch Menschen fühlten sich unsicher, wenn es unordentlich ist. „Durch den herumliegenden Müll wird im Stadtteil auf die Sicherheitssituation geschlossen. Das ist aber nicht objektiv. Insgesamt ist die Kriminalitätsbelastung nicht besonders hoch. Sie ist sogar ein Viertel bis ein Drittel geringer als in anderen Bremer Stadtteilen“, so Nicolai Roth. Zahlen nannte er nicht.
Kommt eine Videoüberwachung?
Das Müllproblem der Wohnanlage und auf dem Parkplatz Fresenbergstraße ist unübersehbar. Sperrmüll werde inzwischen zwei Mal pro Woche abgeholt, sagt Ortsamtsleiter Oliver Fröhlich. „Doch 48 Stunden später sieht es genauso aus.“ Die Frage sei, wer den Parkplatz als illegale Müllstation nutze. „Eine Observation der Polizei hat bisher nichts gebracht“, berichtet Arbeitskreissprecher Nicolai Roth. Es sei zu überlegen, ob für die Suche nach Müllsündern eine Videoüberwachung eingerichtet werden kann. Dies werde geprüft.
Welche Lösungsvorschläge gibt es noch?
Ortsamtsleiter Oliver Fröhlich stellt zurzeit einen Plan auf, der sich mit der künftigen Nutzung des Parkplatzes an der Fresenbergstraße befasst. „Wir haben eine öffentliche Parkfläche, die nicht als Parkfläche genutzt wird. Aber wir wissen auch, den Kindern fehlt ein Spielplatz.“ Gerne würde Fröhlich verschiedene Optionen – zeitlich begrenzt – ausprobieren. Ihm schwebt unter anderem ein mobiler Hochseilgarten vor, ebenso gastronomische wie kulturelle Angebote: „Die Bürger sollen dann entscheiden, was hinkommt.“ Unterstützung habe der Förderverein Bürgerstiftung Blumenthal zugesichert.
Soll Bremen die Wohnungen aufkaufen?
Der Arbeitskreis setzt bei seinen Bemühungen große Hoffnungen darauf, dass die George-Albrecht-Straße zum Sanierungsgebiet erklärt wurde. Auch dieser Bereich wird damit städtebauliche Hilfe bekommen, wofür insgesamt 21 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt werden. Laut Linda Neddermann von der Umweltbehörde soll die Müll-Problematik an der George-Albrecht-Straße im Zuge einer Gesamtmaßnahme – dazu zähle eine Umgestaltung, Sanierung und Umbau des Wohnumfeldes – angegangen werden.
Der Senatsbeauftragte Martin Prange denkt offenbar sogar über einen Ankauf der Wohnungen nach: „Öffentlich Verantwortung für Wohnanlagen zu übernehmen, das hat sich in Lüssum gezeigt, heißt, dass es gut geht“, sagt Prange auf Anfrage. In Lüssum hatte sich Bremen rechtzeitig ein Vorkaufsrecht für marode Vonovia-Wohnungen gesichert. Inzwischen gehört ein großer Teil der Wohnungen der Gewoba.