Der Befund war immer ähnlich. Entweder lautete er: Prunus serrulata, absterbend. Oder: Prunus serrulata, gering vital. 32 Mal kamen die Sachverständigen zu diesem Schluss. Darum ist die Zierkirschen-Allee auf der Bahrsplate in Blumenthal jetzt Geschichte. Die japanischen Bäume waren die ersten, die in dieser Fällsaison auf der Liste des Umweltbetriebs gestanden haben. Gleich Anfang Oktober waren die Arbeiter mit Motorsäge, Steiger und Häcksler gekommen. Bis Februar werden sie auch in Burglesum und Vegesack unterwegs sein – aber nirgendwo so häufig wie im nördlichsten Stadtteil Bremens.
Kerstin Doty hat es genau ausrechnen lassen. Die Sprecherin des Umweltbetriebs kommt für Blumenthal auf 105 Bäume, die in den nächsten Monaten gefällt werden müssen – fast doppelt so viele wie in Burglesum (63) und etwa zweieinhalb so viele wie in Vegesack (45). Macht unterm Strich 213 Bäume. Nach Dotys Statistik ist das für den Norden keine ungewöhnliche Zahl. Auch wenn sie diesmal kleiner ist als in den drei Jahren zuvor. Damals lag der höchste Wert bei 319 Fällungen und der niedrigste bei 220. Für das gesamte Stadtgebiet kommt sie in dieser Saison auf 2102 Bäume, die wegmüssen.
Dass Blumenthal im Vergleich mit den beiden anderen Nordbremer Stadtteilen an der Spitze steht, hat auch mit der Zierkirschen-Allee auf der Bahrsplate zu tun. 32 Bäume auf einen Schlag – Doty sagt, dass Einsätze von dieser Größe nicht alle Tage beim Umweltbetrieb vorkommen. Sondern höchstens alle paar Jahre mal. Zum Beispiel 2018, als Bremen von mehreren Stürmen getroffen wurde und Spazierwege in Grünanlagen nicht mehr passierbar waren. Zum Beispiel 2019, als es lange Hitze- sowie Trockenperioden gab und immer wieder Äste auf Plätze und Bürgersteige krachten, manchmal auch zentnerschwere.
Auch das Absterben der Zierkirschen auf der Bahrsplate hat etwas mit Stürmen und Hitze zu tun. Nach den Worten der Unternehmenssprecherin haben sich die japanischen Bäume an diesem Standort nicht so entwickelt, wie sie sich entwickeln sollten. Doty spricht von Umwelt- und Klimafolgen. Und davon, dass sie den Pflanzen immer mehr zu schaffen machen. So viel mehr, dass sich die Intervalle, in denen Bäume kontrolliert werden, kontinuierlich verkürzen und statt anderthalb inzwischen fünf Kräfte beim Umweltbetrieb regelmäßig unterwegs sind, um zu prüfen, wie es um die Gehölze im Bremer Norden steht.
Und auch so viel mehr, dass der Umweltbetrieb nicht irgendwelche Bäume nachpflanzt, wenn Bäume gefällt werden müssen. Sondern immer öfter solche Arten auswählt, denen Trockenheit und Stürme nicht so schnell zusetzen. Unter den 32 Bäumen, die eine neue Allee auf der Bahrsplate bilden sollen, werden deshalb auch zehn nordamerikanische Amberbäume sein – trotz Kritik des Naturschutzbundes und eines Beschlusses des Stadtteilparlaments. Beide argumentieren, dass heimische Bäume hermüssen, weil hiesige Insekten nichts mit Amberbäumen anfangen können.
Arne Wittkop argumentiert anders. Der Chef des Umweltbetriebs in Nord sagt, dass bei der Artenauswahl für Nachpflanzungen mehr als nur ein einziger Faktor wichtig ist. Nach seinen Angaben hat das städtische Unternehmen darum nicht bloß darauf geachtet, dass mit zwölf Kornelkirschen und zehn Mehlbeeren insektenfreundliche Bäume auf die Bahrsplate kommen, sondern mit den Amberbäumen auch solche, von denen vor allem Vögel profitieren. Alle drei Arten sind sogenannte Nährgehölze, nur eben nicht für ein und dieselben Tiere. Laut Wittkop sind Insekten und Vögel auf unterschiedliche Gehölze spezialisiert.
Für Amberbäume spricht seiner Ansicht nach noch etwas anderes. Sie absorbieren Stickoxid und Ozon besser als andere Bäume. Was seiner Auffassung nach eine gute Eigenschaft ist, um die klimatischen Verhältnisse in einer Stadt wie Bremen zu verbessern. Außerdem, sagt Wittkop, wurden sie ausgewählt, um dem historischen Charakter der Bahrsplate gerecht zu werden. Nach seinen Worten stammt das Ehrenmal, zu dem die Allee führt, aus einer Zeit, in der Amberbäume eine prägendende Rolle bei der Landschaftsgestaltung gespielt haben. So gesehen passten sie zu der Grünfläche an der Weser.
Kornelkirschen, Mehlbeeren und Amberbäume sind nicht die einzigen Gehölze, die als Ersatz auf der Bahrsplate vorgesehen sind. Auch 16 andere Bäume, darunter eine Walnuss, drei Edelkastanien und fünf Rotahorne, sollen demnächst nachgepflanzt werden. Sie kommen für zwei Reihen von Pappeln, die vor der Zierkirschen-Allee von der Blumenthaler Uferzone verschwunden sind – in der vorangegangenen Fällsaison.