Marlena und Thorsten Wolf bereiten sich notgedrungen darauf vor, demnächst weniger Geld in der Haushaltskasse zu haben. Nicht, dass sie entlassen werden sollen, sondern weil eventuell einer von ihnen von sich aus ganz oder teilweise seinen Job aufgeben muss. Wegen ihres Sohnes und ihrer Tochter. Die Blumenthaler Kita, in denen beide bisher betreut werden, hat den Wolfs gekündigt – und neue Plätze findet das Paar nicht. Dabei besteht bei beiden Kindern erhöhter Förderbedarf.
Fabiana ist fünf, Luca drei. Das Mädchen hat sprachliche Schwierigkeiten und bekommt Logopädie-Stunden, der Junge ist rastlos und auf Essen fixiert. Ärzte gehen davon aus, dass Luca, ein Pflegekind der Wolfs, FAS hat. Das Kürzel steht für fetales Alkoholsyndrom. Seine leibliche Mutter hat während der Schwangerschaft getrunken. Nach dem Punktesystem, das die Behörde zur Platzvergabe eingeführt hat, kommt Fabiana auf einen Wert von 37 und Luca von 40. Höher, meint der Vater, geht es nicht.
Und trotzdem haben der Sozialpädagoge und die Sozialassistentin für keines ihrer Kinder bisher eine Zusage von einer Kita bekommen. Thorsten Wolf sagt, dass Luca – Stand heute – nach den Sommerferien zu Hause sein wird. Genauso wie Fabiana, bei der es nach den Worten des Vaters eine letzte Chance gibt: Sie steht noch bei einer Tagesstätte auf der Warteliste. Die Eltern schauen längst nicht mehr nach Kitaplätzen in ihrem Stadtteil, sondern über Blumenthals Grenzen hinweg. Auch im niedersächsischen Umland haben sie angefragt.
Seit Monaten läuft die Suche. Sie begann, als die Kündigung der Kita Burg Blomendal kam, in der Fabiana und Luca noch bis Juli betreut werden. Die Wolfs gehen davon aus, dass der Vertrag aufgehoben wurde, weil sie mehrere Vorfälle kritisiert haben. Alle haben mit Luca zu tun, der nach Angaben des Ehepaars unter anderem allein außerhalb des Geländes unterwegs war. Zum Inhalt der Gespräche, die daraufhin folgten, hat sich der Träger der Tagesstätte nicht geäußert. Sondern nur mitgeteilt, dass das Vertrauensverhältnis zerstört ist.
Weil sie nicht mehr weiterwissen, haben die Eltern erneut ihren Anwalt eingeschaltet. Widerspruch gegen die Kündigung der Kita hat er schon eingelegt, jetzt soll er parallel dafür sorgen, dass es nicht so kommt, wie Thorsten Wolf und seine Frau befürchten: Dass beide Kinder ab August, wenn die Sommerferien vorbei sind, zu Hause statt in einer Tagesstätte sind. Und dass nicht nur für Wochen, sondern Monate. Oder vielleicht sogar für ein Jahr. Was zur Folge hätte, dass Fabiana vor ihrer Einschulung gar nicht mehr in einer Einrichtung betreut wird.
Thorsten Wolf weiß, dass das eigentlich nicht geht. Dass es Bestimmungen gibt, nach denen das letzte Kitajahr vor der Grundschule wichtiger ist als jedes andere – und deshalb der Verlust des Platzes quasi ausgeschlossen wird. So argumentiert auch der Anwalt der Wolfs beim Widerspruch gegen die Kündigung in Fabianas Fall. Und so will der Jurist auch die rechtlichen Mittel begründen, die als Nächstes folgen sollen. Der Vater spricht von einer Klage gegen die Bildungsbehörde. Und davon, dass sie gerade vorbereitet wird.

Thorsten Wolf mit Tochter Fabiana: Der Familienvater hat einen Anwalt eingeschaltet, der jetzt eine Klage gegen die Bildungsbehörde vorbereitet.
Ob es tatsächlich zum Gerichtsstreit kommt, wird sich eventuell nächste Woche zeigen. Maike Wiedwald kündigt an, die Angelegenheit zu prüfen. Die Sprecherin von Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) setzt auf ein Gespräch, zu dem sie die Wolfs jetzt eingeladen hat. Ihr zufolge ist der Vorgang ohne einen Austausch mit den Eltern nämlich momentan nicht nachvollziehbar. Wie der Vater verweist auch Wiedwald darauf, dass ein hoher Förderbedarf eigentlich für einen Betreuungsplatz spricht und das letzte Kitajahr ein besonderes ist.
Thorsten Wolf sagt, schon vor Längerem bei der Behörde angerufen zu haben, weil er auf Hilfe hoffte. Nur geholfen hat das Telefonat eben nicht. Nach seinen Worten gab es darum zwischenzeitlich andere Gespräche: mit den Chefs. Der Vater findet, dass er und seine Frau keine andere Wahl haben und ihre Vorgesetzten wissen müssen, dass sich unter Umständen auch am Arbeitsplatz etwas ändert – wenn sich nicht doch noch etwas für Luca und Fabiana ändern sollte.