Eigentlich könnte die Sache ganz einfach sein: In Blumenthal fehlen Kitaplätze, also sollen Investoren welche schaffen. Investoren wie Yvonne Riegel zum Beispiel. Die Geschäftsführerin der Hansea Sana gGmbH betreibt seit Längerem eine Tagesstätte im Stadtteil und hat jetzt erste Entwürfe für eine zweite vorgestellt. Nur dort, wo die Einrichtung hinsoll, wollen Anwohner sie nicht. Es gibt eine Unterschriftenliste gegen das Millionenprojekt – und die Ankündigung, eine Petition einzureichen.
Die Kritik an dem Projekt kam prompt. Wenige Tage nachdem Riegel im
Beirat vorgestellt hatte, wie das Vorhaben am Boddener Ring werden könnte, erhielt das Ortsamt Post von Anliegern. Sie erklärten, dass ihrer Meinung nach das Projekt für das kleine Wohngebiet nahe der Landesgrenze zu groß ist. Die Unternehmerin und Blumenthals Verwaltungschef Oliver Fröhlich versuchten bei einem Treffen, den Bewohnern die Befürchtungen zu nehmen. Und scheiterten. Auf die erste Post folgte eine Unterschriftenliste mit 40 Namen und ein Schreiben, das mit Petition überschrieben ist.
Mit dem Text hat sich inzwischen der Beirat beschäftigt. Nicht, dass er zuständig wäre – Petitionen behandelt der Petitionsausschuss der Bürgerschaft. Doch die Fraktionen wollten einmal sagen, wie sie finden, was die Anwohner schreiben, und üben Kritik an den Kritikern. Die Stadtteilpolitiker finden zwar auch wie die Anlieger, dass die Verkehrssituation im Wohngebiet nicht einfach ist. Sie sagen aber, dass die Straßen ja nicht so bleiben müssen, wie sie jetzt sind. Zumal die Investorin angekündigt hat, an Konzepten zu arbeiten, um Schlangen von Elterntaxis so gut wie möglich zu vermeiden.
Die Anwohner haben es mal hochgerechnet: Fünf Gruppen plant Hansea Sana in der Kita am Boddener Ring, macht rund 80 Kinder – und mehr als 60 Autos, die werktags erst zum und später vom Tagesstättengelände fahren. Für die Kritiker ist das nicht nur zu viel Verkehr, sondern auch zu wenig Ruhe. Für die Parteien ist beides allerdings kein Grund, wegen Annahmen gleich ein Projekt zu kippen, das noch am Anfang steht, sich modifizieren lässt und das dringend gebraucht wird. Gerade dort, wo es geplant ist. In diesem Gebiet des Stadtteils, sagen Politiker, gibt es eben noch keine Kita.
Dass mehr Anfragen kommen, als Betreuungsplätze da sind, hat ihnen erst kürzlich Stefanie Semrau gesagt und auch, warum. Die Projektplanerin der Bildungsbehörde sprach von Bauvorhaben, die im Stadtteil zwar geplant waren, aber nicht umgesetzt wurden. Mit der Folge, dass die Zahlen, die sie für die Fraktionen hatte, nicht so gut waren, wie sie hätten sein können. Nach Semraus Rechnung gibt es 1600 Kitakinder im Stadtteil, aber nur 900 Plätze. Der Neubau am Bodden gehört quasi zu den Vorhaben, die dafür sorgen sollen, dass die Versorgungsquote in den nächsten Jahren besser wird.
Deshalb haben die Fraktionen der sogenannten Bauvoranfrage für die Tagesstätte zugestimmt – und nach der Anwohnerkritik ihre Zustimmung noch einmal bekräftigt. Riegels gGmbH plant eine Kita auf einer Fläche, die in einem Kurvenbereich des Boddener Rings liegt und unterm Strich aus zwei Grundstücken besteht. Zusammengerechnet geht es um ein Gelände von 2180 Quadratmetern. Und weil es an einem Areal mit Bäumen grenzt, das mitgenutzt werden kann, spricht die Investorin nicht von einem herkömmlichen Kindergarten, der entstehen soll, sondern von einem Waldkindergarten.
Die Geschäftsführerin hat den Politikern erste Skizzen gezeigt – und dabei immer gesagt, dass die Entwürfe nicht so bleiben werden, weil sie quasi Vorentwürfe sind. Für die Anwohner ist das Gebäude, das noch gar nicht feststeht, trotzdem überdimensioniert. Sie schreiben, dass sie im Grunde für den Bau von Kitas sind, immer vorausgesetzt, dass die Projekte zum Plangebiet passen. Die Kritiker finden, dass es geeignetere Bereiche in Blumenthal gibt, in denen eine Tagesstätte gebaut werden kann als den Boddener Ring. Und dass ihnen geholfen werden muss, um das Bauvorhaben zu verhindern.
Der Beirat kann ihnen nicht helfen. Er hat die Petition an den Petitionsausschuss weitergeleitet. Offiziell eingegangen ist sie bei ihm allerdings noch nicht. Weil die Eingabe an den Beirat gerichtet ist, müssen die Anwohner die Petition noch einmal schicken – und diesmal den Ausschuss der Bürgerschaft als Adressaten angeben. So haben es Mitarbeiter des Gremiums in dieser Woche den Anwohnern erklärt. Und weil Claas Rohmeyer nicht weiß, wann die Petition kommt, kann der Vorsitzende des Ausschusses auch nicht sagen, wie schnell sie behandelt wird. Und was das für den Zeitplan der Investorin bedeutet. Als voraussichtlichen Eröffnungstermin hatte Riegel bisher das zweite Quartal nächsten Jahres genannt.