Bremen-Nord. Der Weg ist holprig, aber der Zusammenschluss von vier Nordbremer Kirchengemeinden rückt immer näher. Angesichts schwindender Mitgliederzahlen bleibt ihnen keine andere Wahl. So kommunizieren es jedenfalls die Kirchenvorstände der betroffenen Evangelisch-Reformierten Gemeinde Blumenthal, der Martin-Luther-Gemeinde Blumenthal, der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Bockhorn und der Evangelisch-Reformierten Gemeinde Rönnebeck-Farge. Am Sonntag hatten die Gemeindeglieder nach den Gottesdiensten die Chance, miteinander zu diskutieren - jeweils in der eigenen Kirche.
Und es herrscht dicke Luft. Zumindest in der Evangelisch-Reformierten Kirchengemeinde Blumenthal. „Wir fühlen uns übergangen“, schimpft Johannes Philipp, Vorsitzender der Gemeindeversammlung, an der 37 stimmberechtigte Mitglieder teilgenommen haben. Für Zündstoff habe vor allem die Erklärung gesorgt, „das wir Pfingsten 2021 die Fusion feiern werden“, erklärt der 78-Jährige. „Wir wollen diese Fusion aber nicht so mir nix dir nix übers Knie brechen. Das haben am Sonntag auch viele Mitglieder angesprochen, aber die wollen den Fehdehandschuh nicht anziehen und knicken ein“, bedauert Philipp, der sich selbst als durchaus streitbar bezeichnet.
„Ich bin nicht strikt gegen die Fusion, aber ohne die Beteiligung der Gemeinde ist die Fusion keine Lösung. Die Gemeindeglieder müssen über die Folgen genau aufgeklärt werden. Stattdessen wird rumgeeiert“, kritisiert der Blumenthaler. Die vier Gemeinden hätten die Zeichen der Zeit verkannt und seien „zu spät in die Puschen gekommen“. Angesichts wegbrechender Finanzen und sinkender Mitgliederzahlen hätten die Vorstände schon vor Jahren reagieren müssen, findet Philipp und verweist auf den Zusammenschluss von vier Vegesacker Kirchengemeinden in der „Vereinigten Evangelisch-Protestantischen Kirchengemeinde zu Bremen-Vegesack“ -
auch bekannt als Stadtkirche Vegesack. Mit diesem Modell hätte eine Fusion möglicherweise verhindert werden können", meint Johannes Philipp.
Pastor Ulrich Klein versichert nach dem turbulenten Sonntag: „Die Ängste der Gemeindeglieder sollen stärker berücksichtigt werden. Es gibt bei vielen eine Trauer. Andererseits hoffen viele auch, dass die Fusion uns die Chance bietet, etwas Neues zu machen.“ Angesichts der rapide fallenden Steuereinnahmen der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) habe sich bereits vor zehn Jahren abgezeichnet, dass einzelne Gemeinden ihre Autonomie verlieren werden. „Aber nun machen wir uns mit vier Gemeinden gemeinsam auf den Weg.“
Natürlich sei die Fusion auch ein Abenteuer. „Mögliche Knackpunkte sind aus meiner Sicht die Bewahrung der Traditionen, die finanziellen Verluste durch den Zusammenschluss und der Erhalt der Gebäude“, sagt der 60-jährige Theologe und fragt sich: „Inwiefern werden hier in unserer Kirche noch Gottesdienste gefeiert?“ Die künftige neue Gemeinde, deren Namen noch nicht feststeht, hätte gegebenenfalls vier Kirchengebäude. Reihum seien diese für Konzerte, Theater oder normale Gottesdienste nutzbar, aber wie das im Detail realisiert werden könne, sei noch offen. Klar sei jedoch, dass alle vier Kirchen in Schuss gehalten werden, versichert Klein. Fest stehe auch, dass in einem ersten Schritt nur noch drei Pastoren bleiben. Die dadurch frei werdenden sogenannten Personalpunkte und finanziellen Mittel würden auf andere Mitarbeiter verlagert.
Bei der bevorstehenden Fusion haben aktuell die Steuerungsgruppen der Gemeinden ein Mitspracherecht. Sie tagen jeden Monat und beraten visionär in Teilprojektgruppen über den Zusammenschluss. Dabei gehe es um die Diakonie, die Senioren- und Jugendarbeit oder die Zukunft der kirchlichen Kindergärten, erklärt Ulrich Klein. Bei einer Fusion hätte die neue Gemeinde vier große Kindergärten. „Die sollen an ihren Standorten erhalten bleiben“, betont er. Denkbar sei aber auch, dass eines der Gemeindehäuser zum Kindergarten umfunktioniert werde. Ein anderes Gemeindehaus könnte als Altenbegegnungsstätte fungieren. Zuwegungen und Umbauten seien gegebenenfalls natürlich vonnöten. „Das ist alles sehr komplex und nicht einfach“, räumt Klein ein. „Aber Ziel aller vier Gemeinden ist die enge Zusammenarbeit. Und das Ergebnis der Beratungen sollte Ende 2021 vorliegen.“