Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Ein Leben mit ALS Ein Nordbremer, der Hilfe braucht, will selbst helfen

Tobias Laatz, schwer krank und auf Hilfe von Intensivpflegern angewiesen, ist selbst zum Helfer geworden: Der Nordbremer hat eine Kampagne gestartet, um auf ALS aufmerksam zu machen – und Spenden zu sammeln.
29.06.2025, 07:42 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ein Nordbremer, der Hilfe braucht, will selbst helfen
Von Christian Weth

Tobias Laatz hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme mit den Augen – aber selten waren sie an so vielen Tagen hintereinander gerötet und trocken wie jetzt. Weil sie mit Ausnahme der Gesichtsmuskeln das Einzige sind, was er noch bewegen kann, sind sie für ihn auch die einzige Möglichkeit, um sich anderen mitzuteilen. Mit den Augen schreibt er, was er mit dem Mund nicht mehr sagen kann: über seine Krankheit, was sie mit ihm macht und darüber, dass er neuerdings Spenden für die Forschung sammelt. Einer, der Hilfe braucht, will selbst helfen. Anderen und vielleicht auch sich.

This is ALS! Der Titel ist Englisch, der Text darunter Deutsch. Er ist von ihm. Tobias Laatz hat ihn in Etappen geschrieben. Zwei, drei Sätze, dann eine Pause. Die nächsten zwei, drei Sätze, wieder eine Pause. Anders geht es manchmal nicht. Tränen seine Augen vor Anstrengung, können sie den roten Punkt nicht halten, mit denen er die Buchstaben auf einer Bildschirm-Tastatur steuert. Und muss er sie schließen, weil sie beim Schreiben zu trocken geworden sind, ist es dasselbe. "B-i-t-t-e A-u-g-e-n-t-r-o-p-f-e-n!" Eine Computerstimme sagt dann, was er braucht. Die beiden Wörter hat er gespeichert. Genauso wie den Text über ALS, den er im Internet veröffentlicht hat.

Tobias Laatz schreibt auf einer Plattform, dass die drei Buchstaben für Amyotrophe Lateralsklerose stehen. Dass es sich bei ihr um eine Erkrankung des Nervensystems handelt, die Muskeln lähmt, als unheilbar gilt und meist nach wenigen Jahren zum Tod führt. Dass sie nicht ansteckend ist, deutschlandweit 2500 Menschen pro Jahr erkranken und Männer häufiger als Frauen betroffen sind. Und dass es Geld braucht, um sie zu erforschen, damit neue Medikamente entwickelt werden. Die Internetseite, auf der seine Sätze stehen, ist eine Crowdfunding-Seite, bei der jeder um Spenden bitten kann. Und die angibt, wie viel Geld gesammelt werden soll und wie viel bisher zusammengekommen ist.

Er hätte auch mehr schreiben können. Zum Beispiel, dass er 42 ist, Blumenthaler, verheiratet und Vater von drei Kindern. Dass er ALS länger hat als andere: zehn Jahre. Dass er zuerst nicht mehr gehen konnte, dann nichts mehr greifen und schließlich nur noch liegen. Dass er zu Hause betreut, über eine Sonde ernährt und künstlich beatmet wird. Aber solche Details waren ihm nicht wichtig. Statt um ihn soll es um die Krankheit gehen. This is ALS!, das ist ALS! Tobias Laatz hat T-Shirts mit dem Titel seiner Kampagne bedrucken lassen. Alle tragen an diesem Morgen eins: Er, Doris Laatz, seine Frau, und Samuel Hillmer, einer seiner Intensivpfleger. Momentan gibt es drei Fachkräfte. Was mehr ist als in den Monaten zuvor.

Auch darüber, wie schwierig die Suche nach Helfern sein kann, ist auf der Internetseite nichts zu lesen. Nur das Allerwichtigste: Dass die Forschung gefördert werden muss. Vor einiger Zeit hat sich Tobis Laatz filmen lassen, wie ihm kaltes Wasser über den Kopf gegossen wird. Es war seine Teilnahme an der weltweiten Ice-Bucket-Challenge, der Eiskübelherausforderung, die auf ALS aufmerksam macht und bei der Spenden gesammelt werden. Jetzt versucht er, wieder Geld zusammenzubekommen, weil die Wissenschaft an Medikamenten arbeitet, die vielversprechend sind. So sagen das Betroffene und Mediziner. Und so schreibt er das: "B-e-s-s-e-r-u-n-g i-s-t m-ö-g-l-i-c-h."

Eigentlich will er mehr. Heilung. Das Wort kommt in fast jedem seiner neueren Beiträge auf Instagram und seiner Internetseite vor. Genauso wie der Aufruf zu spenden. Eines der Bilder seines Netzwerkkanals ist auch auf der Crowdfunding-Seite zu sehen. Es zeigt ihn, wie er nach oben schaut, wo seine Frau die jüngste Tochter über die Kante seines Krankenbettes hält. Es ist ein älteres Foto. Der Wunsch, den er neben die Aufnahme geschrieben hat, ist dagegen neu. Tobias Laatz will seine Spendenkampagne mit einer Spendenparty flankieren. Eine vorläufige Liste der Lieder, die bei ihr gespielt werden sollen, gibt es schon. Der erste Song ist von Karl Jeroboan und heißt: "H-e-i-l-u-n-g!"

Lesen Sie auch

Doris Laatz sagt, dass ihr Mann kaum noch an etwas anderes denken kann als an die Kampagne. Und dass sie etwas mit ihm macht. Sie findet, dass er jetzt wieder zuversichtlicher klingt als in den Monaten zuvor. Dass er jetzt wieder etwas erreichen will und eigentlich auch muss, wenn er zu einer Spendenparty einladen will. Zum Beispiel das Sitzen üben. Tobias Laatz war jetzt ein Jahr lang ohne Unterbrechung in der Horizontalen. Würde man seinen Oberkörper mit einem Mal aufrichten, könnte sein Kreislauf kollabieren. Also muss er trainieren. Seine Frau und die Intensivpfleger sind dabei, ein Fitnessprogramm für ihn zusammenzustellen. Die Party soll im Winter sein.

So der Plan. Und zu dem gehört es auch, dass Tobias Laatz dann das Geld überreicht. Die Charité in Berlin soll es bekommen, weil sie eine ALS-Ambulanz hat, in der Patienten mit einem neuen Medikament behandelt werden. Es hat Jahre gedauert, bis er auf so viele Beiträge und Follower auf Instagram gekommen ist, wie er jetzt hat. Im ersten Fall sind es 493 und im zweiten 2203. Was zusammen fast so viel ist, wie Tobias Laatz an Geld sammeln will: 3000 Euro. Vor drei Wochen hat er die Kampagne gestartet. Bis Donnerstagabend waren 13 Spenden eingegangen und 19 Prozent seines Ziels erreicht – 570 Euro.

Info

Eine Spendenkampagne im Internet ist gestartet, jetzt soll eine Spendenparty folgen. Und um sie vorzubereiten, wollen Tobias und Dosis Laatz gerne wissen, mit wie vielen Menschen sie rechnen können. Anmeldungen für die Veranstaltung nehmen beide unter der E-Mail-Adresse info@this-is-als.de entgegen. Sie gehört zu Tobias Laatz' Internetseite, die über den Link www.this-is-als.de zu erreichen ist. Über sie gelangen Nutzer auch auf die Spendenplattform. Oder direkt: www.spendenseite.de/this-is-als/-96352. Der Termin für die Party soll zu einem späteren Termin bekannt gegeben werden.
Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)