Ein Jahr ist es her, dass die städtische Wohnungsgesellschaft Gewoba mehrere Mietshäuser in Lüssum von der Vonovia übernahm – und Bremen damit möglich machte, was vorher nicht ging: das Viertel mit Fördermitteln voranzubringen. Seither erlebt Quartiersmanagerin Heike Binne quasi zum zweiten Mal, wie Straßenzüge zum Sanierungsgebiet werden. Nur diesmal ist manches anders als damals.
Damals war 1990 – und Binne neu im Quartier. Wie heute ging es um Millionen, die investiert wurden, damit sich Lüssum verändert. Die Quartiersmanagerin hat in alten Statistiken nachgeschaut. Ihr zufolge war die veranschlagte Summe zunächst siebenstellig, die abgerufene später achtstellig. Binne kann sich zwar vorstellen, dass der Betrag diesmal ähnlich hoch ausfallen wird wie bei der vorherigen. Aber mit letzter Gewissheit sagen, kann sie das momentan genauso wenig wie alle anderen Partner des Projekts.
Was sie dagegen sicher weiß, ist: Diesmal geht es um mehr Menschen als bei der ersten Sanierung. Binne sagt, dass die Zahl der Bewohner des Quartiers zuletzt kontinuierlich gestiegen ist. Und dass der Zugang von Geflüchteten in Lüssum deutlich höher war als in anderen Ortsteilen. Sie spricht von Platz eins in einem Ranking der Stadt. Von ungefähr 1000 Neu-Lüssumern in den vergangenen Jahren. Und davon, dass geschätzt 12 000 Frauen, Männer und Kinder von den Plänen für das Viertel profitieren werden.
Auch der Zuschnitt des Sanierungsgebiets hat sich verändert. Ging es damals vor allem um den Lüssumer Ring, die Lüssumer Heide und Teile der Vorberger Straße, geht es jetzt in eine andere Richtung: vom Lüssumer Ring und der Lüssumer Heide in Bereiche nahe der Turnerstraße. Laut Binne geht es sowohl um Gebäude, die verändert werden sollen, als auch um Plätze. Und nicht nur um Fördermittel des Städtebaus, die abgerufen werden sollen, sondern auch um Zuschüsse, die speziell für soziale Projekte gedacht sind.
Das ist ebenfalls anders als bei der Sanierung vor 30 Jahren. Binne weiß noch, dass es damals ausschließlich darum ging, Wohnhäuser aufzuwerten. Jetzt geht es auch um anderes. Zum Beispiel um sozialen Zusammenhalt. So nennt der Bund inzwischen ein Programm der Städtebauförderung, das er vorher soziale Stadt nannte. Ein zweites heißt lebendige Zentren und ein drittes Wachstum und nachhaltige Erneuerung. Auch Klimaschutz ist jetzt fester Bestandteil einer subventionierten Sanierungsoffensive.
Was die Anwohner gut finden, weil sie den Schutz des Klimas ausdrücklich zum Thema beim Quartiersumbau machen wollen. Wie noch viele andere Themen. Auch das hat Binne beim ersten Sanierungsauftakt so nicht erlebt: die Vielfalt der Vorschläge, die an die Behörden herangetragen werden, um ein Viertel voranzubringen. Zwei Workshops hat es bisher gegeben, bei denen Bewohner, Vereine und Einrichtungen sagen konnten, was für sie zu einer Sanierung unbedingt dazugehört, damit die Neugestaltung gelingt.
Sporthalle statt Parkdeck
Den Mitgliedern der Arbeitsgruppen geht es ums Wohnen und um Mobilität, um Bildung und soziales Engagement, um Gesundheit und Imagepflege. Das alles soll sich in Lüssum verändern. So der Plan. Zu ihm gehört ein Anbau ans Haus der Zukunft und ein Ausbau der Radwege, ein Plus an Qualifizierungsangeboten und an Nachbarschaftsveranstaltungen, der Abriss des Parkdecks und der Bau einer Sporthalle. Und mehr Eigendarstellung des Quartiers, um mit Vorurteilen aufzuräumen.
Binne kennt alle Ideen. Genauso wie Rixa Gohde-Ahrens. Sie sammelt sie. Die Freiraumplanerin war deshalb nicht nur beim ersten Quartierstreffen dabei, sondern auch beim zweiten. Gohde-Ahrens arbeitet für die Hamburger Lawaetz-Stiftung, die Wohnen sozial gestalten will – und im Auftrag der Stadt das Entwicklungskonzept schreibt, mit dem das Quartier verändert werden soll. Sie hat das Papier noch nicht fertig, geht aber schon jetzt davon aus, dass es ungefähr 150 Seiten haben wird.
Gohde-Ahrens sagt, dass das Konzept ein Leitfaden für die Behörden ist. Und dass die Behörden praktisch Partner bei dem Millionenprojekt sind. Sie sollen den Plan für Lüssum umsetzen, weil die Themen der Bewohner letztlich auch ihre Themen sind. Fast einmal im Monat sprechen sie inzwischen über das Papier. Seit dem Frühjahr geht das so. Quartiersmanagerin Binne kommt auf mindestens acht Gesprächsrunden in diesem Jahr, bei denen es um das Konzept und seine Umsetzung gegangen ist.
Erst in der Vorwoche hat sie mit Freiraumplanerin Gohde-Ahrens darüber beraten, wann denn nun die Sanierung offiziell losgehen soll. Auch die anderen Projektpartner waren bei der Videokonferenz dabei: Vertreter des Bauressorts und der Gewoba. Zusammen haben sie festgelegt, dass Gohde-Ahrens' Konzept im März dem Senat vorgelegt werden soll und im Juni den Fraktionen der Baudeputation. Stimmen die für das Papier, kann das Abrufen von Fördermitteln des Bundes beginnen.
Er gibt Geld, wenn sich auch das Land und die Eigentümer der Immobilien beteiligen. Zumindest das hat sich nicht verändert. Genauso wie die Laufzeit der Sanierung. Damals ging es um rund acht Jahre – und soll es auch diesmal gehen.