Herr Wiesner, Herr Dikici,...
Ruben Wiesner: Duzen ist besser.
Yunus Dikici: So sind wir es gewohnt.
Ruben, Yunus, der Abiturstress ist vorbei – wie sind die Prüfungen gelaufen?
Ruben: Ich bin zufrieden. Es lief sehr gut.
Yunus: Bei mir genauso. Wir haben uns gut vorbereitet. Und das hat sich am Ende ausgezahlt.
Die eine Aufgabe liegt kaum hinter euch, schon seid ihr dabei, ein neues Projekt anzugehen. Was treibt euch an, ein Jugendforum zu gründen?
Ruben: Uns treibt an, dass es momentan keine Plattform in Blumenthal gibt, die es Kindern und Jugendlichen möglich macht, auf sich und ihre Themen aufmerksam zu machen. Mitsprache und auch mal gefragt zu werden: Das sollte in meinen Augen selbstverständlich sein. Ich war oft enttäuscht, dass es für junge Leute im Stadtteil keine Ansprechpartner gibt.
Yunus: Und diese Lücke wollen wir jetzt nachhaltig schließen.

Yunus Dikici.
Ihr habt mal gesagt, dass der Impuls für eine Jugendbeteiligung auch durch ein Gespräch mit Bürgermeister Andreas Bovenschulte entstanden ist. Was hat er denn zu euch gesagt?
Ruben: Er hat uns gesagt, dass wir Eigeninitiative ergreifen müssen, wenn wir mit der Situation unzufrieden sind.
Yunus: Wenn man so will, hat er den Ball an uns zurückgespielt.
Ruben: Ja, und jetzt haben wir ihn aufgenommen und eine Struktur für ein Forum geschaffen, mit dem wir dafür sorgen wollen, dass sich Jugendliche künftig mehr einbringen können, als sie es bisher konnten, um etwas im Stadtteil zu verändern.
Und was läuft im Stadtteil so schlecht, dass es verändert werden muss – außer der fehlenden Jugendbeteiligung?
Ruben: Mich stört zum Beispiel, dass es in Blumenthal nicht viele Angebote für Jugendliche gibt und vor allem: dass sie von diesen wenigen Angeboten nichts wissen. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Ich will dem Jugendforum nämlich keinesfalls vorgreifen. Nicht, was ich denke, ist der Maßstab, sondern das, was die Kinder und Jugendlichen im Beteiligungsverfahren an Problemen zusammentragen.
Yunus: Aus unserer Sicht ist die Zeit jetzt günstig für unser Forum. In Blumenthal soll sich in den nächsten Jahren im Rahmen eines Sanierungsprogramms vieles verändern. Bahrsplate, Marktplatz, Kämmerei-Quartier – wir haben die Chance, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen direkt einzuklinken.
Anders als Jugendliche in Burglesum und Vegesack wollt ihr bewusst keinen Beirat gründen, sondern ein Forum bilden. Warum?
Ruben: Ein Beirat besteht aus gewählten Mitgliedern. Für uns aber schafft das System der Wahl keine besondere Legitimation. Jemand, der einfach eine Idee und Lust hat, sie auch umzusetzen, ist unserer Ansicht nach legitimiert genug, einen Stadtteil zu verändern. Wir wollen so offen wie möglich sein, um so viele Kinder und Jugendliche wie möglich zu erreichen.
Yunus: Ich denke auch, dass das den Zeitgeist trifft: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich junge Leute nicht mehr so binden wollen wie früher. Statt sich dauerhaft Vereinen und Parteien anzuschließen, geht es vielen heute einfach darum, sich zu engagieren, ohne sich langfristig festlegen zu müssen.

Ruben Wiesner.
Aber auch ein Jugendforum bedeutet eine feste Bindung. Schließlich müsst ihr euch genauso regelmäßig treffen wie die Mitglieder eines Vereins, um voranzukommen...
Ruben: Der Unterschied ist, dass sich jemand bei unserer Form der Jugendbeteiligung zum Beispiel an einem einzelnen Projekt, für das er dann auch wirklich brennt, beteiligen kann – und sobald es realisiert ist, das Forum wieder verlassen darf. Anders als bei einem Beirat, dessen Mitglieder so und so lange mitarbeiten müssen, weil sie gewählt wurden.
Ihr seid inzwischen zu fünft im Organisationsteam. Wie schwer war es, überhaupt erst mal auf diese Zahl an Mitstreitern zu kommen?
Yunus: Im Grunde war das gar nicht so schwer. Alle aus dem Planungsteam sind miteinander befreundet. Und weil wir uns oft über den Weg laufen und ähnliche Interessen haben, brauchte es keine Überzeugungsarbeit.
Ruben: Reagiert haben alle erst mal gleich auf diese Idee: ,Oh, so ein Forum hätte ich in meiner Schulzeit auch gerne gehabt!'
Im März habt ihr euch und eure Pläne zum ersten Mal den Beiratspolitikern vorgestellt. Wie bewertet ihr die Resonanz der Fraktionsvertreter?
Ruben: Für mich hat die Veranstaltung gezeigt, dass für die Parteien das Thema Jugendbeteiligung ein riesiges Thema ist. Unser Konzept ist auf viel Verständnis gestoßen.
Yunus: Und auf viel Hilfsbereitschaft.

Industriebauten im Kämmerei-Quartier: Das Jugendforum will mitreden, wenn Gebäude und Gelände verändert werden.
Und? Habt ihr die zugesagte Hilfe inzwischen auch bekommen?
Ruben: Einen Teil der Hilfe haben wir tatsächlich bekommen. Zum Beispiel waren uns Kontakte zugesagt worden, die wir auch schnell erhalten haben, um unsere Forumsplanung einfacher voranbringen zu können. Blumenthal ist klein – das ist für uns ein Vorteil.
Was ist denn seit eurer Präsentation im Beirat in Sachen Forumsplanung passiert?
Ruben: Ich würde sagen, wir haben unseren Nestbau fortgesetzt: Mittlerweile haben wir als Kontaktmöglichkeiten einen Instagram-Account und eine E-Mail-Adresse eingerichtet. Auch haben wir eine Location für künftige Treffen. In den nächsten Tagen wird noch eine Webseite hinzukommen. Auf dieser kann man im Zweifelsfall auch seinem Ärger Luft machen und sich seine Gedanken in einem Blogbeitrag von der Seele schreiben – und damit andere motivieren.
Ihr habt auch angekündigt, in die Schulen zu gehen, um Werbung für die Jugendbeteiligung zu machen. In wie vielen wart ihr denn bisher?
Yunus: In dieser Woche werden wir die drei Oberschulen in Blumenthal besuchen.
Und wie muss man sich euren Besuch vorstellen: Verteilt ihr auf dem Schulhof spezielle Flyer oder haltet ihr Vorträge in den Klassen?
Ruben: Spontane Aktionen gibt es nicht, alle sind quasi angemeldet: In der Oberschule In den Sandwehen kommen wir zum Beispiel mit dem Schülerbeirat zusammen. Wir werden uns eine Stunde lang präsentieren und am Ende darum bitten, unseren Aufruf zu teilen.
Ihr plant für Juli eine große Auftaktveranstaltung. Was genau soll auf der passieren?
Ruben: Wir setzen uns das erste Mal mit den Jugendlichen und Kindern zusammen an einen Tisch: Es soll zum einen darum gehen, am Ende eine Gruppe von Jugendlichen zusammenzuhaben, die künftig Projekte umsetzen will – und zum anderen eine Liste an Vorhaben, die angegangen werden können.
Yunus: Bei unserem Jugendbeteiligungstag geht es aber auch einfach ums Kennenlernen und nicht zuletzt ums Spaßhaben – und um das Gefühl, gemeinsam etwas Neues zu schaffen.
Und wann soll aus Spaß schließlich Ernst werden und das erste Projekt verwirklicht sein?
Yunus: Im Prinzip von Anfang an. Der Jugendbeteiligungstag wird sich auch direkt mit diesem Thema auseinandersetzen.
Damit die Beteiligung nicht abebbt, braucht es mitunter auch einen schnellen Erfolg. Wann wollt ihr denn nun ein erstes Projekt abgeschlossen haben?
Yunus: Das wird das Forum entscheiden. Für uns ist es allerdings wichtig zu unterstreichen, dass das Jugendforum selbst schon als ein Projekt für Jugendliche verstanden werden kann. Für uns ist es dann damit abgeschlossen, wenn es seine Arbeit nachhaltig aufnimmt.
Eure Beteiligung ist zeitlich befristet. Die meisten aus eurem Team werden ab Herbst studieren. Was macht euch so optimistisch, dass die Zeit reichen wird, um das Projekt anzuschieben?
Ruben: Der Glaube, dass viele junge Leute so denken wie wir: Dass es eben ein spezielles Forum geben muss, um Blumenthal für Kinder und Jugendliche besser zu machen. Aus unserer Sicht bietet die Beteiligung eine Chance, die wir vor Jahren gerne gehabt hätten.