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Pflegedirektorin im Interview Personalsuche fürs Klinikum: "Wir haben alle Möglichkeiten genutzt"

Weil Personal fehlt, können 150 Betten am Nordbremer Klinikum nicht belegt werden. Im Interview sagt Pflegedirektorin Anne Stradtmann, wie viele Kräfte dazugekommen sind – und was sich im Haus verändert hat.
24.04.2024, 18:11 Uhr
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Von Christian Weth

Frau Stradtmann, als Sie den Posten der Pflegedirektorin übernahmen, haben Sie gesagt, 20 bis 25 neue Kräfte innerhalb von anderthalb Jahren einstellen zu wollen. Auf wie viele Neueinstellungen haben Sie es denn in dieser Zeit nun gebracht?

Anne Stradtmann: Ich habe die Listen von 2022 und 2023 mal nebeneinandergelegt und von den Neueinstellungen die Abgänge abgezogen. Vor zwei Jahren sind wir demnach auf zehn zusätzliche Kräfte gekommen, im vergangenen Jahr auf 19.

Trotz Fachkräftemangels? Wie das?

Indem wir alle Möglichkeiten genutzt haben, die wir hatten und neue dazu genommen haben. Wir haben unter anderem zum ersten Mal einen Karrieretag veranstaltet, an dessen Ende das Haus zwei Pflegekräfte mehr hatte. Und wir haben einiges so umgestaltet, dass sich der Dienst aus meiner Sicht verbessert hat.

Inwiefern?

Jetzt gibt es unter anderem zwei Pflegewissenschaftlerinnen, die ständig schauen, wie die Patientenversorgung nach neuesten Erkenntnissen umgestaltet werden kann. Und nun bestreitet nicht mehr eine Kraft allein den Nachtdienst auf einer Station, sondern gibt es sogenannte Nachtdienstkoordinatorinnen, die angerufen werden können, wenn etwa unklar sein sollte – und die unterstützen, falls Probleme auftreten.

Wie viele von den Neuzugängen kommen eigentlich noch aus Deutschland und wie viele inzwischen aus dem Ausland?

Von den 19 Neuzugängen im Vorjahr kamen sieben Vollzeitkräfte aus anderen Ländern. In diesem Jahr werden acht internationale Pflegekräfte dazukommen. Und im nächsten voraussichtlich elf.

Und was ist mit den eigenen Auszubildenden?

Wir haben die Zahl der Übernahmen gesteigert. Auch wenn ich der Meinung bin, dass da noch viel mehr geht.

Was heißt das in Zahlen?

Momentan kommen aus unserer Bildungsakademie, die als große und wichtige Ausbildungsstätte einen tollen Job macht, zwischen zwei und drei neue Kräfte pro Jahr. Mein Ziel ist es, auf sechs bis sieben für den Nordbremer Standort zu kommen.

Eine Zeit lang kamen internationale Pflegekräfte vor allem aus Italien, von den Philippinen, aus Tunesien und Mexiko ans Klinikum. Gibt es inzwischen weitere Länder, in denen nach Personal gesucht wird?

Wir haben uns momentan auf den asiatischen Raum konzentriert. Aus Italien kommen schon länger keine neuen Pflegekräfte mehr. Von dort kamen unter anderem überwiegend unsere internationalen Hebammen.

Warum nicht?

Weil sich die Arbeitsbedingungen dort inzwischen so verbessert haben, dass die Fachkräfte nicht mehr wegwollen.

Es wurde eine Stelle geschaffen, die sich speziell darum kümmern soll, dass sich Fachkräfte aus dem Ausland leichter integrieren. Muss neben der einen Stelle demnächst eine zweite her, um das Pensum zu schaffen?

Ich denke, dass es bei einer Integrationsbeauftragten fürs Nordbremer Klinikum bleiben kann, um die internationalen Neuzugänge zu unterstützen. Aufgestockt werden sollte meiner Auffassung nach lieber an anderer Stelle.

Nämlich?

Ich bin mir sicher, dass alle Krankenhäuser schneller Stellen besetzen könnten, wenn die Bearbeitungszeiten etwa bei der Visa und der Anerkennung von Sprachzertifikaten nicht so lang wären. Wir sind aber im ständigen Austausch mit den unterschiedlichen Behörden und Institutionen, um nach Möglichkeiten zu suchen, die Dinge künftig so einfach wie möglich zu gestalten.

Fachkräfte einzustellen, ist eine Sache – eine andere, sie auch zu halten. Wie schwierig ist das mittlerweile?

Das ist sehr schwer. Ich finde, dass der Beruf ein toller Beruf ist – aber auch einer, der einem viel abverlangen kann. Darum bieten wir verschiedene Arbeitszeitmodelle an, regelmäßige Mitarbeitergespräche und Weiterbildungsangebote, um nur einige Beispiele zu nennen.

Wie häufig hören Sie davon, dass das alles nichts nützt und jemand von einem anderen Krankenhaus abgeworben wurde?

Wenn jemand gekündigt hat, wird immer gefragt, warum. Aus den Gesprächen wissen wir, dass zu den häufigsten Gründen ein Wohnortwechsel gehört, der Beginn eines Studiums und ein Angebot einer Leiharbeitsfirma.

Und wie reagieren Sie, wenn der Auslöser ein Angebot einer Leiharbeitsfirma war?

Ich glaube, dass es nie ganz ohne Leiharbeit gehen wird. Trotzdem haben wir reagiert. Ihr Anteil im Haus war mal in einem mittleren zweistelligen Bereich, inzwischen ist er einstellig. Am liebsten würde ich natürlich auf null kommen.

Sie haben mal gefordert, dass sich an der Bezahlung der Pflegekräfte etwas grundlegend ändern muss. Und? Hat es das mit dem Tarifabschluss Ihrer Meinung nach?

Davon bin ich fest überzeugt. Der Pflegeberuf ist mittlerweile zum Beispiel auch einer der bestbezahlten Ausbildungsberufe. Und wer jetzt beispielsweise mit einer Dreiviertelstelle im Schichtdienst arbeitet, verdient annähernd genauso viel wie früher in Vollzeit. Mit der Folge, dass die Zahl der Beschäftigten in Teilzeit bei uns gestiegen ist.

Wie viele Vollzeitstellen am Klinikum sind denn nach wie vor unbesetzt, die Sie noch besetzen wollen oder müssen?

Wir bräuchten am Klinikum eigentlich noch eine zusätzliche Station, auf der Patienten, deren eigentliche Krankenhausbehandlung abgeschlossen ist und die auf eine Nachversorgung warten, zum Beispiel auf die ambulante Pflege oder Kurzzeitpflege, übergangsweise noch mitbetreut werden können. Dafür wären dann je nach Bettenanzahl erst einmal elf bis zwölf zusätzliche Kräfte erforderlich.

Und wie viele Betten können nicht belegt werden, weil noch immer Personal fehlt?

Von den 500 Betten des Klinikums können momentan ungefähr 150 Betten nicht belegt werden. Diese Zahl variiert aber aufgrund mehrerer Faktoren. Neben fehlendem Pflegepersonal spielen da auch spontane Krankheitsausfälle oder Isolation von Patienten eine Rolle, durch die ein Zweibettzimmer zu einem Einzelzimmer wird.

Wie sieht denn Ihre Einstellungsprognose für die nächsten anderthalb Jahre aus?

Ich sage es mal anders: Pro Jahr werden wir mindestens auf sechs bis sieben Neueinstellungen kommen müssen, um allein die Abgänge aufgrund der Demografie kompensieren zu können.

Zur Person

Anne Stradtmann (50) ist seit Mitte 2022 Pflegedirektorin des Nordbremer Krankenhauses. Davor hatte sie mehrere Leitungsposten in anderen Kliniken. Stradtmann hat studiert, ist verheiratet und wohnt in Bremen.

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